Schon seit einer Weile ist das Leben von Hans Scholz (Herbert Knaup) in Schieflage geraten. Er kümmert sich um niemanden, nicht einmal um sich selbst. Zwischenmenschliche Kontakte sind rar geworden. Die Suche nach einer Arbeit hat er ohnehin aufgegeben, er lebt mehr schlecht als recht in den Tag hinein. Als er jedoch einen Säugling findet, den jemand in die Mülltonne gelegt hat, nimmt er dieses instinktiv an sich. Mehr noch: Er beschließt, es selbst aufzuziehen. Unterstützt wird er dabei von seinem Bekannten Wenzel (Thomas Thieme), aber auch den Tarsis (Mohammad-Ali Behboudi, Naomi Krauss), dem iranischen Ehepaar von nebenan. Doch die Polizei ist längst auf der Suche nach dem kleinen Mädchen …
Das Leben neu wagen
In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Filmen gegeben, in denen Figuren im fortgeschrittenen Alter noch einmal einen Neustart wagen oder ihrem Leben eine andere Richtung geben. Das geschieht dann meistens aus einem eher unerfreulichen Anlass, der Wandel ist einer, der aus einem gewissen Zwang heraus geschieht. Bei Tanz ins Leben oder Britt-Marie war hier mussten die Protagonistinnen etwa erkennen, dass ihre langjährigen Ehepartner sie betrogen haben. Aber es muss ja nicht immer so sein. Ein deutlich positiveres und selbstbestimmteres Beispiel ist Glückskind, bei dem ein schutzloses Kind zum Ansporn wird, das eigene Leben in den Griff zu bekommen.
Dass da einiges im Argen liegt, macht das ARD-Drama dabei auf den ersten Blick sichtbar: Herbert Knaup ist als heruntergekommener Tunichtgut mit zerzaustem Bart zunächst kaum wiederzuerkennen. Erst nach und nach wird hinter diesem Zerfall der Mensch erkennbar. Diese äußere Verwandlung spiegelt gleichzeitig natürlich auch den besagten inneren Wandel. Ist Hans Scholz anfangs jemand, der mit niemanden etwas zu tun hat und haben will, wird der Säugling für ihn zu einer Lebensaufgabe. Er sieht darin aber nicht bloß eine Verpflichtung: Er hätte das Kind schließlich auch zur Polizei bringen können. Glückskind schildert vielmehr, wie der Protagonist diese Begegnung als Chance begreift und in ihm eine Sehnsucht weckt.
Solide mit Wohlfühlelementen
Wie es so weit kommen konnte, dass Scholz in einem derartigen Abgrund steckt, wird dabei zunächst gar nicht klar. Die Geschichte steigt mittendrin ein und stellt das Publikum vor vollendete Tatsachen. Später erfährt man zwar ein wenig mehr. Dennoch: Ein ausgefeiltes Psychogramm sollte man hier nicht erwarten. Glückskind geht stärker in eine Wohlfühlrichtung und vermeidet es daher, sich zu sehr mit den Abgründen auseinanderzusetzen. Gerade zum Ende hin wird ein bisschen gemauschelt, damit das Publikum glücklich in den Rest des Tages starten darf. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Steven Uhly macht es sich da schon recht einfach und interessiert sich nicht dafür, ob das Ganze noch irgendwie plausibel ist.
Dafür verzichtet Regisseur und Drehbuchautor Michael Verhoeven (Die weiße Rose) bei seiner Verfilmung auf den Zuckerguss-Kitsch, den man bei einem solchen Film vermuten könnte. Glückskind ist, gerade auch für eine Produktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, eher zurückhaltend. Das macht ihn ganz angenehm. Und auch die schauspielerischen Leistungen tragen dazu bei, dass das Drama zumindest solide ist. Im Gegensatz zum Protagonisten, für den die Begegnung zu einem alles verändernden Ereignis wird, wird man hier im Anschluss nicht unbedingt etwas für den weiteren Lebensweg mitnehmen. Einzelne Momente stechen etwas mehr hervor, wenn sie etwas besonders skurril sind oder doch auch mal emotional stärker zur Sache gehen. Allzu groß sind die Ausschläge aber nicht, weder in die eine, noch in die andere Richtung.
OT: „Glückskind“
Land: Deutschland
Jahr: 2014
Regie: Michael Verhoeven
Drehbuch: Michael Verhoeven
Vorlage: Steven Uhly
Musik: Jörg Lemberg
Kamera: Conny Janssen
Besetzung: Herbert Knaup, Thomas Thieme, Alice Dwyer, Mohammad-Ali Behboudi, Naomi Krauss
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