Die Mitte-sechzigjährigen Dave (Dave Johns) und Fern (Alison Steadman) begegnen sich beim Spazierengehen mit ihren Hunden. Über den Zeitraum von etwa einem Jahr und bei insgesamt 23 Spaziergängen beginnen die beiden, sich kennen und schätzen zu lernen. Ihrer seichten Romanze und einer potenziell gemeinsamen Zukunft stehen aber einige persönliche Probleme und Geheimnisse im Weg, sodass sich beide mit ihren Familien, Lebenssituationen und der Frage auseinandersetzen müssen, was es bedeutet, sich am Lebensabend völlig neu zu binden,.
Romantik über 60
Das Grundkonzept von Mit Herz und Hund beruht auf einer etablierten Formel: Zwei Menschen, die sich in einem Alter befinden, in dem das Leben häufig daraus besteht, lange aufgebaute Beziehungen zu verwalten, werden plötzlich mit einer neuen Liebe konfrontiert. Zwar ist dieses Konzept nicht sonderlich revolutionär, es bietet aber die Chance, wichtige Aspekte des menschlichen Lebens hervorzuheben und auf interessante Art und Weise zu behandeln.
Auch Mit Herz und Hund gelingt das streckenweise, gerade durch seine inszenatorische und dialogische Nahbarkeit und Schlichtheit, sehr gut. Vor allem ist das an den eröffneten Diskursen hinsichtlich der Gesellschaftskonformität des Datings im Alter und der Treue gegenüber verstorbenen bzw. pflegebedürftigen Partner*innen zu sehen. Gleiches gilt für die jahrelangen Bindungen der Figuren, insbesondere familiärer Natur, die gerade Dave immer wieder zurückhalten, Bestimmtes zu tun. Trotz seiner romantischen Prämisse verherrlicht Mit Herz und Hund sein Setting nicht zu sehr und achtet etwa darauf, die Unterschiede zwischen unbefangener Jugendliebe und neuer Liebe im Alter zu zeigen.
Ein stringentes Erzählen ist dabei aber leider die Ausnahme. Zwar werden die genannten Motive durchaus gut transportiert, dennoch ist der Film thematisch wie erzählerisch über weiter Teile zu unfokussiert. So finden sich durchaus auch Kritik am britischen Sozialsystem, eine Debatte über Selbstlosigkeit und die Verarbeitung von Verlust im Film. Allerdings werden diese nicht sinnvoll genug eingearbeitet bzw. konsequent genug behandelt, um mehr als nur Beiwerk zu sein.
Außerdem wirkt das Handeln der Figuren oftmals entweder zu schemenhaft oder zu willkürlich, was vermutlich daran liegt, dass der Film nahezu gänzlich darauf verzichtet, Bildsprache zu verwenden. Stattdessen gibt es zahlreiche Expositionsdialoge, die die Figuren stark beschränken und ihnen viel Mehrdimensionalität rauben. Eine Konsequenz daraus ist die Unmöglichkeit so etwas wie zwischenmenschliche Spannung aufzubauen. Und ohne diese Spannung gibt es schlicht kein logisches Anbahnen von Handlungen, die entweder konsequent verfolgt oder bewusst gebrochen werden können.
Belanglosigkeit
Dazu kommt, dass die fehlende Spannung den Film sehr ermüdend und teilweise wirklich langweilig werden lässt. Es ist eindeutig, dass Mit Herz und Hund ein sanfter Wohlfühlfilm sein möchte, indem nicht die Welt bedroht wird oder Figuren sich auf einer transzendentalen surrealistischen Odyssee, mit ihrer eigenen Mortalität konfrontiert sehen. Dennoch benötigen auch diese Art von Filmen irgendetwas, an das sich das Publikum klammern kann. Eine tolle Inszenierung, sympathische Figuren, eine Form von Katharsis, mitreißende Musik, etc. Mit Herz und Hund bietet bei all diesen Dingen maximal Mittelmaß und schafft es nicht, seine gewünschte Wohlfühlatmosphäre zu kreieren. Insgesamt ist er die meiste Zeit zu belanglos, um zu funktionieren.
Und funktionieren bezieht sich hier nicht nur auf den Unterhaltungsfaktor, sondern auch auf die behandelten Themen. Denn mit der beschriebenen Belanglosigkeit entwertet der Film mitunter seine erarbeiteten Diskurspunkte, indem er sie mit voranschreitender Laufzeit redundant wirken lässt.
Der beste Freund des Menschen?
Als weiteren Kritikpunkt muss sich Mit Herz und Hund seine Verwendung von Hunden gefallen lassen. Denn diese sind den Film über zwar omnipräsent, dabei aber unfassbar passiv und dienen eher als Vehikel für die Handlung. Quasi mit Herz und ein bisschen Hund.
Die Bedeutung, die Hunde auf die Figuren und letztlich auch unserer Gesellschaft haben, wird nur minimal angeschnitten. Sie werden zwar als Trostspender in der Einsamkeit etabliert, dabei aber stets als selbstverständlich hingenommen, ihre tiefere emotionale Bedeutung nicht beachtet. Gleiches gilt wenig überraschend auch für die gegenteilige Herangehensweise. Eine Kritik am Umgang mit Hunden sowie eine Form von Analogie zwischen Mensch und Hund oder sonstiges erfolgen nicht.
OT: „23 Walks“
Land: UK
Jahr: 2020
Regie: Paul Morrison
Drehbuch: Paul Morrison
Musik: Gary Yershon
Kamera: David Katznelsohn
Besetzung: Dave Johns, Alison Steadman, Graham Turner, Martine Brown, Aaliyah Youssef Thomas, Marsha Millar, Natalie Simpson
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