Im Jahre 1945 wird der junge Hiroo Onoda (Yuya Endo, als Erwachsener gespielt von Kanji Tsuda) auf die Philippinen als Soldat der japanischen Armee abkommandiert. Als Leutnant soll er dort das Kommando über eine kleine Einheit übernehmen, deren Aufgabe es ist, den Vormarsch der US-Armee zu stoppen. Auf der Insel Lubang angekommen, zeigt sich dem jungen Offizier ein recht desolates Bild, denn die dortige Einheit ist von Krankheit und einem konstanten Mangel an Materialien wie Munition oder Essen geprägt. Was Onoda jedoch noch mehr irritiert, ist, dass ihm die anderen Offiziere mit Skepsis wegen seiner Jugend beäugen. Zugleich sind die Feinde dabei vorzurücken und haben eine riesige Offensive gestartet, der die Japaner wenig entgegenzusetzen haben. Schließlich bleibt nur noch ein kleiner Kreis von Männern um Osoda, Korporal Kozuka (Yuya Matsuura) sowie die beiden Gefreiten Shimada (Shinsuke Kato) und Akatsu (Kai Inowaki), der ihm die Treue hält, besonders als die von den eigentlichen Befehlen ihres Kommandeurs erfahren. Onoda erzählt ihnen nämlich von seiner geheimen, sehr harten Ausbildung unter Major Taguchi (Issey Ogata), der ihm unbedingte Treue für Japan eintrichterte und zudem alle möglichen Manöver beibrachte, damit Suizid nur die letzte Option werden wird, wenn sie in die Hände des Feindes fallen.
Eine Geschichte, die größer ist als man selbst
Auf den ersten Blick mag es unwahrscheinlich klingen, doch die Geschichte um Hiroo Onoda basiert auf einem realen Ereignis, denn dieser hielt tatsächlich 29 Jahre auf den Philippinen aus und erwartete dort die Rückkehr der japanischen Armee, bis er dann von seinem ehemaligen Kommandanten 1974 abgelöst wurde. Als jemand, der sich schon immer für Abenteuer und Geschichte interessierte, übte die Biografie Onodas eine besondere Faszination auf den französischen Regisseur Arthur Harari aus, der es, wie er in Interviews beschreibt, als seine Bestimmung ansah, diese Geschichte zu verfilmen. Nach einer Premiere auf den Filmfestspielen in Cannes 2021 wurde Osoda – 10.000 Nächte im Dschungel auf vielen Festivals gezeigt, und wurde in der Kategorie Bestes Original-Drehbuch mit einem César ausgezeichnet sowie als Bester Fremdsprachiger Film auf dem Sao Paulo International Film Festival.
Obwohl die Geschichte einen Zeitraum von über 30 Jahren abdeckt, konzentriert sich das Drehbuch auf wenige Momente innerhalb dieser Zeitspanne, die Onoda, zunächst mit seinen wenigen Gefolgsleuten und schließlich ganz alleine, auf der Insel blieb. Trotz oder gerade wegen dieser Form der narrativen Reduktion gewinnt Onoda eine unglaubliche Dimension, die bereits viele Rezensenten erwähnt haben und einen Vergleich aufzeigen mit Werken wie David Leans Lawrence von Arabien oder Die Brücke am Kwai. Als Zuschauer begleitet man die Entwicklung des Helden hin zu einem wahren Schatten seiner selbst, der nur angetrieben von einem zunehmend vagen Versprechen die Insel beheimatet und auf eine Ablösung hofft. Yuya Endo und Kanji Tsuda in der Hauptrolle zeigen Onoda als einen Getriebenen, als einen Menschen, der sich partout besonders dem strengen Vater gegenüber beweisen und seinen eigenen Weg gehen will, was ihn immer wieder in Konflikt geraten lässt mit jenen Figuren, die entweder eine Art Vaterfigur repräsentieren oder welche seine Mission gefährden.
Ein ganz besonderes Glück
Über die fast dreistündige Laufzeit entwickelt Hararis Film einen unglaublichen erzählerischen Sog, ausgehend von den Dimensionen seines Hauptcharakters sowie das Konzept des Durchhaltens um jeden Preis. In gewisser Weise mag man Onoda in Verbindung setzen mit jenen Helden Samuel Beckett, Wladimir und Estragon, die nach wie vor auf jenen Godot warten, der aber nie erscheinen wird. Von dieser Warte aus gesehen entwickelt die Geschichte zudem eine gewisse Tragik, verkörpert die Figur doch eine unbedingte Treue und Loyalität, jene Werte also, welche so tief in der japanischen Kultur verwurzelt sind und das große Ganze über das Wohl des Individuums stellen, doch zugleich klare Hierarchien und Machtstrukturen schaffen. Anders jedoch als bei Warten auf Godot entspringt diesen Werten keinesfalls eine gallige Komik, sondern vielmehr eine Art der Erfüllung, welche sich die letzten beiden Soldaten eingestehen und die sie aushalten lässt, auch wenn der Krieg zu diesem Zeitpunkt schon mehr als zehn Jahre vorbei ist.
Neben den schauspielerischen Leistungen und dem Drehbuch ist zudem die Kameraarbeit Tom Hararis zu loben, die nicht nur die Schönheit der Insel einfängt, sondern zugleich die Verfahrenheit der Situation der Figuren, ihre Momente des Einklangs miteinander und mit der Natur sowie ihre Konflikte untereinander.
OT: „Onoda, 10000 nuits dans la jungle“
Land: Frankreich, Japan, Deutschland, Belgien, Italien, Kambodscha
Jahr: 2021
Regie: Arthur Harari
Drehbuch: Arthur Harari, Vincent Poymiro, Bernard Cendron
Musik: Sebastiano De Gennaro, Enrico Gabrielli, Andrea Poggio, Gak Sato, Olivier Marguerit
Kamera: Tom Harari
Besetzung: Yuya Endo, Kanji Tsuda, Yuya Matsuura, Tetsuya Chiba, Shinsuke Kato, Kai Inowaki
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2022 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Arthur Harari | Nominierung | ||
Bestes Original-Drehbuch | Arthur Harari, Vincent Poymiro | Sieg | ||
Beste Kamera | Tom Harari | Nominierung | ||
Prix Lumières | 2022 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Arthur Harari | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Arthur Harari, Vincent Poymiro | Nominierung | ||
Beste Kamera | Tom Harari | Nominierung |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)