Mit ihren 13 Jahren steht Solange (Jade Springer) zwischen Kindheit und Erwachsensein. Einerseits sehen ihre Eltern – ganz besonders ihr Vater (Philippe Katerine) – in ihr noch immer die „kleine Solange“, andererseits ist sie eben kein kleines Kind mehr. Sie legt für ihr Alter eine beeindruckende intellektuelle Reife an den Tag, ist eine interessierte und engagierte Schülerin und sorgt sich angesichts des Klimawandels um die Zukunft des Planeten. Dann ist da noch ein etwas älterer Mitschüler, in den sie sich verliebt hat, der sich aber nicht besonders für sie zu interessieren scheint. Ihre Eltern feiern den 20. Jahrestag ihrer Hochzeit, doch kurz darauf bekommt Solange mit, dass ihr Vater die Nächte auf der Wohnzimmercouch verbringt. Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Ehe der Eltern in der Krise steckt. Solange und ihr sieben Jahre älterer Bruder Romain (Grégoire Montana-Haroche) sind besorgt. Doch während Romain der Situation entkommen kann, indem er zum Studium in eine andere Stadt zieht, bleibt Solange bei den Eltern zurück, gefangen zwischen Kindheit und Erwachsenwerden und im Streit zwischen Vater und Mutter.
Ehekrach aus Sicht des Kindes
Konsequent aus der Sicht eines der Kinder erzählt Regisseurin Axelle Ropert ihre Geschichte hier; wo andere Filme das wahre Drama zwischen den Ehepartnern verorten würden, macht Petite Solange die Eltern zu Nebenfiguren. Dementsprechend interessiert sich der Film nicht für die Details der Trennung. Wie und warum genau sich Solanges Eltern auseinanderleben, wird nicht näher beleuchtet. Stattdessen bekommt der Zuschauer nur das mit, was auch Solange erfährt. Gelegentliche Streitereien der Eltern, den etwas zu vertrauten Umgang, den der Vater mit der Mitarbeiterin seines Fachgeschäfts für Musikinstrumente pflegt – aus Dingen wie diesen muss sich die 13-Jährige allmählich die Hintergründe der Lage zusammenreimen. Zu ihrem Vater hat Solange allgemein ein enges Verhältnis und als er merkt, dass die Situation sie belastet, versucht er nicht, irgendetwas vor ihr zu verheimlichen. Trotzdem herrscht daheim natürlich schlechte Stimmung, die ganze Familie ist genervt und verärgert.
Zwischen Kind und Erwachsenem
Jade Springer als Solange trägt den Großteil des Films allein auf ihren jungen Schultern und beeindruckt dabei mir ihrer ruhigen Natürlichkeit. Zum Teil ist das sicherlich der Anleitung von Ropert zu verdanken, die hier ausnahmslos aus allen Darstellern natürliche, glaubhafte Schauspielleistungen herausholt. Beeindruckend in ihrer Schlichtheit ist etwa eine Szene, in der Solange alleine in einem Café sitzt, weil sie einfach nicht weiß, wohin sie sonst gehen soll. Auch hier wird noch einmal deutlich, dass sie nicht mehr ganz Kind, aber auch noch längst nicht erwachsen ist, wenn der Kellner sich nach ihren Begleitpersonen erkundigt und sie schließlich eine heiße Schokolade bestellt. Gerade weil Solange immer wieder unglaublich reif und erwachsen für ihr Alter wirkt, ist es in anderen Szenen umso irritierender, wie verstört und hilflos sie sich angesichts der Lage zeigt. Noch dazu sind ihre Eltern selbst traurig und gestresst, was sie den emotionalen Zustand ihrer Tochter schon mal übersehen lässt. Wenn sich die verzweifelte Mutter (Léa Drucker) in den Armen der Tochter ausweint, dann dürfte die Situation vielen Zuschauern, die ähnliches erlebt haben, bekannt vorkommen.
Drama ums allmähliche Loslassen
Petite Solange ist in mehrfacher Hinsicht ein Film über den Wunsch, am Status Quo festzuhalten, nur um doch einsehen zu müssen, dass man sich Veränderungen stellen muss. Der Vater hätte gerne, dass seine Tochter für immer seine „Petite Solange“ bleibt, muss am Ende aber gemeinsam mit der Mutter einsehen, dass Solange älter wird und eigene Ideen hat, wie sie ihr Leben gestalten will. Solange und ihr Bruder wünschen sich, die Eltern würden zusammen und die Harmonie des Familienlebens erhalten bleiben. Beide müssen sich aber mit der veränderten Lage arrangieren. Petite Solange ist ein Film über das allmähliche Loslassen der Kindheit, übers erwachsen bzw. reifer werden und darüber, im Guten wie im Schlechten die eigene Meinung zu sagen. Filme über phasenweise dysfunktionale Familien gibt es viele, aber nur wenige erzählen davon mit einer solch unaufgeregten Natürlichkeit. Die etwas zu sentimentale Musik mag gelegentlich stören, insgesamt weiß Petite Solange aber durchaus zu beeindrucken und ragt vor allem aus der Masse ähnlicher Filme heraus, weil er konsequent aus kindlicher und weiblicher Perspektive erzählt ist.
OT: „Petite Solange“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Axelle Ropert
Drehbuch: Axelle Ropert
Musik: Benjamin Esdraffo
Kamera: Sébastien Buchmann
Besetzung: Jade Springer, Léa Drucker, Philippe Katerine, Grégoire Montana-Haroche, Chloé Astor
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