Frank (Kiowa Gordon) und Bruno (John Way) sind beste Freunde und tun, was beste Freunde 1870 mitten in Arizona so tun: Sie reisen umher. Ein Ziel haben sie dabei durchaus, sie wollen Blacky wiederfinden, der irgendwo in diesem Nirgendwo stecken muss. Sonderlich erfolgreich sind sie bei der Suche nicht. Dafür aber treffen sie die toughe Linde (Lily Gladstone). Auch sie hat eine Mission, die ihr alles abverlangt. Genauer will sie alles dafür tun, um ihr Land zurückzubekommen. Einfach ist das nicht, schließlich ist sie eine Frau und stammt zudem von der indigenen Bevölkerung ab, was ihr gleich doppelt schlechte Karten bringt. Frank und Bruno beschließen daraufhin ihr zu helfen, müssen sich gleichzeitig vor einigen Schurken in Acht nehmen …
Ein sich selbst zersetzender Sci-Fi-Western
Auch wenn natürlich der Western in den späteren Jahren von Europa gekapert und auf den Kopf gestellt wurde, kein anderes Genre verbinden wir wohl derart stark mit Amerika und traditionellen Heldenbildern. Das weiß natürlich auch Geoff Marslett. Und doch hat er ganz offensichtlich kein Interesse an diesen alten Relikten, zumindest den auf herkömmliche Weise produzierten. Das allein verrät schon der etwas kryptische Titel seines neuesten Films: Quantum Cowboys kombiniert das staubige, ursprüngliche Land, in dem Männer noch Männer waren, mit Quantenphysik. Die Theorie von Parallelwelten und Zeitreisen trifft auf klassische Shootouts und Saloons. Und irgendwo da drin ist auch Schrödingers Katze unterwegs – oder auch nicht, genau nachschauen gilt nicht.
Das ist natürlich nicht ganz einfach, weder beim Anschauen noch dem Versuch, den irren bis wirren Trip im Anschluss in Worte zu fassen. Western mit Science-Fiction zu kreuzen, ist zwar kein neuer Einfall, andere haben das vor Marslett, der auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, bereits getan. Quantum Cowboys geht aber noch einen Schritt weiter. Wo sich andere mit einem Mashup begnügt haben, welches Elemente verschiedener Herkunft miteinander kombiniert, da handelt es sich hierbei mehr um eine Dekonstruktion. Schließlich ist nichts vor dem zersetzenden Blick des Filmemachers sicher. Kein Genre. Kein Gedanke. Auch Zeit und Ort verlieren an Bedeutung, wenn kontinuierlich Grenzen so wild und willkürlich versetzt werden, bis man selbst nicht mehr weiß, wo man sich gerade aufhält. Oder ob man überhaupt noch real ist.
Eine wild animierte Wundertüte
Das hängt auch damit zusammen, dass Marslett immer wieder die Darstellung des Realen durch eine alternative Form ergänzt, manchmal auch ersetzt. So besteht Quantum Cowboys zwar schon aus tatsächlichen Aufnahmen, gedreht mit richtigen Schauspielern. Immer wieder finden sich aber auch animierte Passagen dazwischen, so viele, dass das renommierte Animationsfestival Annecy den Film ins Programm aufnahm. Aber auch hier bewies der Regisseur seine Vorliebe für Mischformen. Manchmal agieren die Schauspieler vor gezeichneten Hintergründen. Manchmal sind sie selbst gezeichnet. Auch Stop-Motion kommt zwischendurch einmal vor, erlaubt ist alles, was möglich ist. Und das Unmögliche natürlich auch.
Der Film richtet sich damit eindeutig an ein Publikum, das ein wenig experimentierfreudiger ist. Das auch gerne Themenbrocken aufsammelt und von verschiedenen Seiten aus begutachtet: Da geht es mal um die Bedeutung von Erinnerungen, um das Konzept verschiedener Welten, um Identität. Also irgendwie alles, was so ein Philosophieseminar hervorbringen kann. Antworten gibt Quantum Cowboys jedoch keine. Es ist nicht einmal so, dass sich eindeutige Fragen aus diesem Fluss aus Bildern, Gedankenfetzen und Genrebruchstücken ergeben würden. Das ist tiefsinnig und oberflächlich zugleich, eine Wundertüte, auf deren Grund man nichts wirklich mehr erkennen kann. Aber eben auch ein Film, an den man sich im Anschluss gut und gern erinnert.
OT: „Quantum Cowboys“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Geoff Marslett
Drehbuch: Geoff Marslett, Howe Gelb
Musik: Howe Gelb, Maciej Zielinski
Kamera: Jon Firestone, Adam J. Minnick
Besetzung: Kiowa Gordon, Lily Gladstone, John Way, David Arquette, John Doe, Alex Cox, Franck Mosley, Walter Anaruk, Triest Kelly Dunn
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