7 Years heißt einer der großen Erfolge der dänischen Band Lukas Graham. Insofern liegt es nahe, sich sieben Jahre lang mit den Jungs aus dem Norden zu beschäftigen, wenn man eine Musikdoku über sie drehen will. Von 2013 bis einschließlich 2019 hat René Sascha Johannsen die Gruppe um Leadsänger Lukas Forchhammer begleitet, von den ersten Versuchen, auch in den USA Fuß zu fassen, über große Erfolge bis hin zum Versuch, das Familien- mit dem Tourleben unter einen Hut zu bringen. Denn Frontmann Lukas will nicht nur einen Traum leben, sondern zugleich alles dafür tun, dass er nicht zu jenem Alptraum wird, in den man eine ganze Reihe von Stars hat taumeln sehen: Erschöpfung, Zusammenbrüche, Drogensucht. Es ist ein anspruchsvolles Programm. Nicht immer gelingt es, wie der spannende, auf Heldenverehrung verzichtende Film zeigt.
Auf Augenhöhe mit Adele
Los Angeles, 2017. Die Popwelt fiebert dem Highlight des Jahres entgegen, den Grammy-Awards. In der Kategorie „Beste Single“ tummelt sich die Crème de la Crème der Gesangsdiven. Beyoncé, Rihanna und Adele konkurrieren um die höchste Auszeichnung des amerikanischen Musikgeschäfts. Aber auch vier Jungs aus Dänemark haben es unter die fünf Nominierten geschafft. Allein das ist ein ist ein unglaublicher Erfolg, von dem niemand zu träumen gewagt hatte. Und so klopft man sich auf die Schulter, lange bevor die Sieger bekanntgegeben werden. Eigentlich haben die Dänen alles erreicht. Und doch: Als Adele mit „Hello“ gewinnt und die vier wieder unter sich sind, erweist sich Lukas als schlechter Verlierer: „Ich bin nicht Nummer zwei. Ich war nie Nummer zwei“. Er hasse es, vorzugaukeln, man habe hier viel gelernt und fahre zufrieden nach Hause.
Die Bandkollegen sind baff und der Zuschauer ist es auch. Wie kann jemand, der so wenig Wert auf Starkult legt wie Lukas, nur so überehrgeizig sein? Aber gerade deshalb wird die Grammy-Verleihung zur Schlüsselszene des Films. In ihr bündeln sich sämtliche Widersprüche, die den Weg vom Kopenhagener Geheimtipp zum internationalen Star säumen. Anders, als es die Unterhaltungsmedien gern erzählen, ist der Pfad zum Ruhm selbst für Senkrechtstarter wie Lukas Graham steinig, Und zwar auch deshalb, weil sich so mancher Künstler selbst Knüppel zwischen die Beine wirft. Es ist das große Verdienst des Films, sich solchen Widersprüchen zu stellen und sich mit großer Ehrlichkeit auf übertriebene Ambitionen, Anpassungsdruck und das Ringen um Authentizität einzulassen.
Zurück zum Jahr 2013, mit dem die Doku einsetzt. Lukas (Jahrgang 1988) und seine Bandkollegen versuchen, nach ihren Erfolgen in Dänemark auch in den USA Fuß zu fassen. Warner Records zeigt sich interessiert, will eine Platte mit der Band machen, deren Stil Singer-Songwriting mit Soul, Funk, Hip-Hop und Pop kombiniert. Die vier gehen ins Studio irgendwo in den Hügeln von Hollywood, arbeiten hart, werden unterstützt. Aber Lukas ist frustriert. Er spürt, dass die Manager nicht richtig an das glauben, was die Dänen bisher gemacht haben. Man diskutiert über den anderen Geschmack des US-Publikums, redet über Anpassungen. Aber der Film betreibt keine Schwarz-Weiß-Malerei. Er stellt offene Fragen: Führen nur Kompromisse zum Erfolg? Oder bringt es mehr, authentisch zu bleiben? Und: Lassen sich Vaterpflichten und Familienleben mit dem Business vereinbaren? Oder ist die Work-Life Balance nur ein Traum für Loser, die ihre Fans vernachlässigen?
Bis zur Erschöpfung
Ehrlichkeit ist nicht nur das Markenzeichen des Films, sondern auch der Band, die in ihren Songs persönliche Traumata verarbeitet. Etwa den Tod von Lukas’ Vater, der mit 61 Jahren aus dem Leben gerissen wurde. Oder den Zusammenbruch von Lukas im Jahr 2016. Damals hatte er erfahren, dass seine Freundin schwanger war – und musste trotzdem die Tour zu Ende spielen, konnte immer nur mit ihr telefonieren. Als er dann endlich drei Tage bei der werdenden Mutter sein durfte, holte ihn die vorher verdrängte Erschöpfung ein. Nichts ging mehr, die nächsten Tour-Termine mussten abgesagt werden.
Mit seiner bewegten Kamera fängt René Sascha Johannsen Höhen und Tiefen des Bandlebens ein. Er ist praktisch immer dabei, wenn etwas Wichtiges hinter den Kulissen passiert. Aber der Film liebt auch die Bühne. Er feiert es, wenn die Fans schon bei den ersten Takten mitsingen. Er spürt der Heimeligkeit kleiner Clubs und der Gigantomanie großer Stadien nach. Insofern driftet er nicht in einen Problemfilm über die Tücken des Musikgeschäfts ab, sondern feiert die Band, wie ihre Fans es erwarten: mit Konzertaufnahmen, Szenen aus dem Tourbus, dem Besuch von Radiostationen.
OT: „7 Years of Lukas Graham“
Land: Dänemark
Jahr: 2021
Regie: René Sascha Johannsen
Drehbuch: René Sascha Johannsen
Musik: Jens Bjørnkjær
Kamera: René Sascha Johannsen
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