In Das Pfauenparadies (Kinostart 7. Juli 2022) spielt Alba Rohrwacher eine Frau namens Adelina, die mit ihrem Mann zu einem Familientreffen anlässlich des Geburtstages ihrer Schwiegermutter geht. Zunächst ist die Feier sehr schön. Doch mit der Zeit müssen sie alle feststellen, dass vieles in der Familie nicht wirklich stimmt und sie zahlreiche Geheimnisse haben. Wir haben uns mit der italienischen Schauspielerin zu einem Interview beim Filmfest München 2022 getroffen, wo sie mit dem CineMerit Award gewürdigt wurde, und haben sie über die Arbeit an dem Film und das Arbeiten mit geliebten Menschen unterhalten.
Was hat dich an Das Pfauenparadies interessiert? Warum wolltest du diesen Film drehen?
Da gab es eine Reihe von Gründen. Zunächst einmal ist es ein Film von Laura Bispuri, mit der ich schon mehrfach zusammengearbeitet habe. Außerdem ist es ein Ensemble-Film mit lauter interessanten Figuren, darunter auch die, die ich selbst spielen durfte. Laura ermuntert die Schauspieler und Schauspielerinnen immer, mit ihr die Filme zu erarbeiten. Wir fangen zwar immer mit dem Drehbuch an, können uns aber auch selbst einbringen. Und das finde ich sehr schön. Deswegen arbeite ich immer wieder gern mit ihr zusammen und würde wohl selbst dann zusagen, wenn sie nur ein leeres Blatt vorzeigen würde. Und das gilt allgemein für meine Filme. Ich verfolge damit keine Strategie. Oft sind es die beteiligten Menschen, die mich dazu veranlassen, bei einem Film mitzuspielen. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Wenn ich dem Regisseur oder der Regisseurin vertraue und weiß, welche Vision sie verfolgen, ist es mir fast schon egal, wie meine Figur ist oder wie groß die Rolle angelegt ist. Wobei es aber auch Fälle gibt, wo das Drehbuch ausschlaggebend ist. Als ich vor zwei Jahren das Buch zu Skies of Lebanon gelesen habe, wusste ich sofort, dass ich bei dem Film mitspielen wollte, obwohl ich damals eigentlich zu beschäftigt mit anderen Projekten war.
Bei Das Pfauenparadies hat deine Familie einen Pfau als Haustier. Wie kommt das? Als Haustier ist das schon sehr ungewöhnlich.
Das stimmt. Aber ist die Familie selbst auch nicht gerade gewöhnlich. Eigentlich ist die sogar ziemlich seltsam. Das gilt gerade auch für Adelina, die Figur, die ich spiele. Sie ist nicht so wirklich Teil der Realität. Für sie ergibt es deshalb Sinn, der Tochter einen Pfau zu kaufen. Ich fand es sehr poetisch und symbolhaft. Die Familie versucht sich am Anfang ebenfalls, von ihrer besten Seite zu zeigen. Wie der Pfau, der mit seinen imposanten Federn beeindrucken möchte. Doch mit der Zeit müssen sich alle der Realität stellen, denken über sich nach und fangen an, ihre wahre Seite zu zeigen.
Warum ist es für die Familie so schwierig, offen miteinander umzugehen?
Es gibt eine Menge Familien, die damit ihre Schwierigkeiten haben. Bei meiner ist das zum Glück anders. Aber ich kenne viele, bei denen es ähnlich ist und die ähnliche Erfahrungen machen wie die Familie in dem Film.
Wie macht man es denn besser? Was ist das Geheimnis einer glücklichen Familie?
So genau weiß ich das selbst nicht. Aber ich wurde dazu erzogen, die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu akzeptieren. Das macht dich nicht automatisch glücklich. Aber Ehrlichkeit ist der erste Schritt, um miteinander glücklich sein zu können. Für mich ist das auch sehr wichtig, egal ob nun mit meiner Familie, in einer Partnerschaft oder meiner Arbeit. Nur wenn du ehrlich mit dir selbst bist, kannst du Zufriedenheit erreichen und dich mit dir selbst wohl fühlen.
Du hast eben schon gemeint, dass du gerne mit Leuten arbeitest, die du kennst und denen du vertraust. Sind Filmdrehs damit für dich so etwas wie Familientreffen?
Oh ja, und das ist das Beste für mich! Zumal diese Familie immer größer wird. Mit jedem Film lerne ich gleichzeitig neue Leute kennen. Und so ist meine filmische Familie inzwischen ziemlich groß geworden. Es ist für mich immer wieder schön, wenn wir uns wiedersehen und gemeinsam neue Figuren und Geschichten entdecken, die wir zusammen erzählen können. Wenn ich mit einem neuen Regisseur zusammenarbeite, dann ist das für mich, als müsste ich ein neues Alphabet lernen. Ein Alphabet, das einzigartig ist und nur zwei Menschen betrifft, die damit miteinander kommunizieren. Begegnest du diesem Menschen ein zweites Mal, kannst du auf diesem Alphabet aufbauen und etwas Neues damit machen. Wenn wir uns zum Beispiel noch einmal für ein zweites Interview treffen würden, dann hätten wir unser Alphabet bereits. Das ist viel leichter, als wenn du von vorne anfangen musst.
Aber ist es nicht auch ein Risiko, sich so sehr auf andere einzulassen und damit das Berufliche und das Private miteinander zu verknüpfen?
Sicher. Aber du musst im Leben immer Risiken eingehen. Außerdem bedeutet das nicht, dass es nicht doch eine Trennung gibt. Nur weil ich mit jemandem arbeite, den ich liebe, heißt das nicht, dass ich die Arbeit an sich nicht mehr respektiere. Die Arbeit steht da immer noch an erster Stelle und es ist mir sehr wichtig, die bestmögliche Arbeit abzuliefern. Das Filmemachen ist mir heilig, während die Liebe zu den Menschen darüber schwebt. Der Respekt vor dem Beruf verhindert, dass es zu den Verstrickungen kommt, die man sonst aus zwischenmenschlichen Beziehungen kennt. Die Liebe wird zu einer Unterstützung, anstatt ein Hindernis zu sein.
Du hast eingangs gesagt, dass Das Pfauenparadies ein Ensemble-Film ist. Üblicherweise hat ein Film so drei bis vier Hauptfiguren. Bei euch sind es ein knappes Dutzend. Ist ein solcher Film einfacher oder schwieriger als ein gewöhnlicher Film?
Das war schon nicht ganz einfach, weil wir alles sehr unterschiedliche Leute waren und jeder seine eigene Vorgeschichte mitgebracht hat und seine eigene Art zu spielen. Die Szene mit dem Mittagessen war ein einziger Alptraum! Wir hatten da sehr lange Dialoge und mussten sichergehen, dass die alle funktionieren und alles zusammenpasst. Drei Tage hat es gedauert, bis wir die Szene fertig hatten. Kurze Zeit später war ich selbst als Gast auf einem Familienessen eingeladen und habe dabei festgestellt, wie wahr der Film ist. Sie waren alle so falsch, haben eine Show versucht, niemand hörte aufeinander. Das war wie bei uns!
Letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte?
Ich habe zwei Filme in Italien gedreht. Einen mit Roberta Torre, einer italienischen Regisseurin, die ich sehr schätze. Unser Film wurde von dem Leben der Schauspielerin Monica Vitti inspiriert, auch wenn es kein Film direkt über sie ist. Der zweite ist von Ginevra Elkann, mit der ich vor drei Jahren Magari gedreht habe.
Vielen Dank für das Gespräch!
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