Scott Voss (Kevin James) war vor Ewigkeiten einmal Lehrer des Jahres, ist mittlerweile aber einfach nur noch im Unterricht anwesend – wenn er nicht gerade zu spät kommt – und überlässt die Schüler sich selbst, während er Zeitung liest. Als aus Budgetgründen unter anderem das Musikprogramm gestrichen werden soll und Marty (Henry Winkler) dadurch seinen Job verlieren würde, setzt er sich allerdings dafür ein, Geld zu sammeln – auch, um seinen Schwarm Bella (Salma Hayek) zu beeindrucken. Dafür lehrt er zusätzlich in einer Abendschule, welche Immigranten auf ihren Einbürgerungstest vorbereitet, wo er den niederländischen Niko (Bas Rutten) trifft. Als er diesen für Nachhilfeunterricht zu Hause besucht und ein UFC-Fight im Fernsehen läuft, erfährt er, dass der Gewinner stattliche 50.000 Dollar bekommt – und der Verlierer immer noch ansehnliche 10.000. Verlieren kann er, und da der Zusatzjob nicht einmal annähernd genug einbringt, um die erforderlichen 48.000 zu bezahlen, lässt Scott sich von Niko in dessen Gym im MMA unterweisen …
Wenig glaubwürdig, aber egal
Kevin James war lange Zeit dafür bekannt, ein kleiner fetter Mann zu sein, der hinfällt. Diese überspitzte Reduzierung seiner Fähigkeiten ging so weit, dass sich im Internet kleinere Subkulturen bildeten, in denen darüber debattiert wurde, welche Filme besser gewesen wären, wäre der verstorbene Chris Farley noch am Leben und hätte James‘ Rolle übernommen. Wenn eine Komödie mit Kampfbezug den Titel Das Schwergewicht trägt, könnten in diesem Kontext also Assoziationen zu Beverly Hills Ninja – Die Kampfwurst geweckt werden, in welchem Farley als übergewichtiger und inkompetenter Ninja durch Japan und Beverly Hills stolperte, und durch Zufall oder geheime Hilfe siegreich aus seinen Auseinandersetzungen hervorging. Da liegt die Vermutung zunächst eben nahe, James würde sich auf zumindest halbwegs ähnliche Weise durchs Octagon rollen. Weit gefehlt.
Dass ein 40-Jähriger, der erst vor kurzer Zeit mit MMA angefangen hat, ein Debüt in der UFC absolviert, kann natürlich nur in einer Komödie passieren; zumindest aus heutiger Sicht ist es völlig undenkbar. Von allen Genres bietet dieses jedoch die meisten Freiheiten bei solchen Dingen, zumal es zwar unrealistisch ist, aber in gewisser Hinsicht gibt es doch so etwas wie Präzedenzfälle, die sich zugunsten von Das Schwergewicht heranziehen ließen. Legende Randy Couture etwa absolvierte sein MMA-Debüt (ebenfalls in der UFC, als diese noch ganz anders strukturiert war) mit 34 Jahren, ein Alter, in welchem manche schon ans Aufhören denken. Solche Athleten sind definitiv Ausnahmen und nur bedingt mit Scott Voss zu vergleichen, aber es reicht doch, um dem Film keine unnötigen Minuspunkte in Sachen Glaubwürdigkeit zu verpassen.
Gelungene Kämpfe
Die Kampfszenen in Das Schwergewicht sind unglaublich gut – für eine Komödie sowieso, aber auch ein ernsthafter Film müsste sich ihrer nicht schämen. Das betrifft vor allem die Choreographie und den Realismus, gerade unter letzterem Aspekt ist der Film besser gelungen als etwa Cagefighter: Worlds Collide. Es ließe sich einwenden, dass Cagefighter eher ein Indieprojekt war, während Das Schwergewicht die volle Unterstützung der UFC hatte. Das ist sicher ein fairer Punkt. Das Schwergewicht ist in dieser Hinsicht aber auch besser als Bruised, und da gehen die Gegenargumente ziemlich schnell aus. Wir kommen noch zu den Kämpfen an sich, aber rein bezogen auf die ausgeführten Moves für sich genommen sowie darauf wer sie ausführt und gegen wen sie ausgeführt werden, ist das hier alles absolut authentisch, auch wenn manches für Laien vielleicht überzogen wirken mag. Es ist gut, dass Voss‘ Vorgeschichte beinhaltet, ein NCAA Division I Ringer gewesen zu sein; Ringen und Grappling sind im Alter eher schwierig zu erlernen, während alles was mit Schlägen und Tritten zu tun hat auch später noch angefangen werden kann. So wird eine glaubwürdige Grundlage für Scotts defensiven Kampfstil geschaffen.
Wenn Scott das erste Mal in ein Octagon steigt, in welchem der Gegner schon auf ihn wartet (was nicht so sein sollte, derselbe Fehler wie in Real Steel – Stahlharte Gegner), zum Takedown ansetzt und direkt mit einem Knie ins Gesicht zu Boden geschickt wird, wird das von einigen sicher als blöder Gag abgetan werden. Erstens ist der Gag nicht blöde, sondern absolut solide. Zweitens ist er ein klassisches Beispiel von „it’s funny because it’s true“ (anscheinend hat noch niemand diesen Vergleich gezogen, aber es ist, in abgeschwächter Form, so ziemlich das, was 2019 bei Jorge Masvidal versus Ben Askren passierte). Der Finalkampf ist sicher das Highlight des Films und wird von beiden Beteiligten getragen. Halle Berry konnte in Bruised zwar gut mit Valentina Shevchenko mithalten, aber es war doch klar, wer das Ding geschaukelt hat. Hier profitieren James und der Film davon, dass der übergewichtige Komiker in seiner Jugend der beste College-Ringer seiner Schule war, bevor er verletzungsbedingt ausschied.
Zu viel Nebensächliches
Es gäbe für Fightfans noch so viel mehr Positives über den Film zu sagen (allein die ganzen Gastauftritte, Joe Rogan, Mike Goldberg, Jim Miller, Chael Sonnen …), aber wir sind hier ja nicht auf Kampfszene-rezensionen.de. Das Schwergewicht ist entweder 15 Minuten zu lang oder zu kurz. Der Film versucht, viele Nebenhandlungsstränge unterzubringen, mehr noch als der zweistündige Real Steel. Das ist manchmal schön subtil, lässt oft aber Raum für weitere Ausarbeitung. Hayeks Rolle hingegen hätte rein auf ihre wichtige Tätigkeit als Schulkrankenschwester fokussiert sein sollen, welche Voss nach seinen Kämpfen wieder zusammenflickt. Die forcierte Liebesgeschichte fühlt sich fehl am Platze an und nimmt Laufzeit in Anspruch, welche für anderes genutzt werden könnte. Gegen Ende driftet der Streifen in Feel-Good-Territorium ab, und auch wenn manche Sachen vielleicht ein wenig übertrieben sind oder Fragen nach Plotholes aufwerfen, ist es doch alles noch im Rahmen. Jede beliebige Comedyszene hier ist lustiger als Der Zoowärter, Der Kaufhaus Cop und Der Kaufhaus Cop 2 zusammen; Das Schwergewicht 2 wäre 2015 so viel angebrachter gewesen als der Werbefilm, den wir stattdessen bekamen. Scott Voss ist der bestgeschriebene Charakter, den Kevin James je auf der großen Leinwand protraitiert hat und der Film ist grundsätzlich gut konstruiert, kann in der Ausführung aber leider nicht sein volles Potenzial ausschöpfen.
OT: „Here Comes the Boom“
Land: USA
Jahr: 2012
Regie: Frank Coraci
Drehbuch: Allan Loeb, Kevin James, Rock Reuben
Musik: Rupert Gregson-Williams
Kamera: Phil Meheux
Besetzung: Kevin James, Salma Hayek, Henry Winkler, Greg Germann, Joe Rogan, Gary Valentine, Jake Zyrus, Bas Rutten
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)