In With the Devil Black Bird Apple TV+
Szenenbild aus "In With the Devil" (© Apple TV+)

Dennis Lehane [Interview]

Dennis Lehane ist ein US-amerikanischer Autor. Seit der Veröffentlichung seines ersten Romans Streng vertraulich gilt er als einer der besten Kriminalschriftsteller seines Landes. Seine Figuren wie die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro sind unter Fans des Autors sowie des Genres schon mittlerweile feste Größen geworden. Filmfans ist Lehane spätestens seit der Verfilmung seines Romans Shutter Island von Regisseur Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle ein Begriff. Clint Eastwoods Mystic River, Ben Afflecks Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel und Live by Night sowie Micheël R. Roskames The Drop basieren ebenfalls auf seinen Romanvorlagen. Für seine Werke wurde Lehane bereits mit vielen Preisen, unter anderem mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis, dem Edgar Allen Poe Award (für Live by Night) sowie dem USC Scripter Award (für Mystic River) ausgezeichnet. Neben seiner Karriere als Schriftsteller arbeitet Lehane zudem an zahlreichen Film- und TV-Produktionen mit, zum einen als Drehbuchautor oder als Produzent. Dazu zählen Produktionen wie Mr. Mercedes, Boardwalk Empire oder The Wire.

Für die für Apple+ produzierte Serie In With The Devil fungiert er nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als ausführender Produzent. Die Lektüre von James Keenes Memoiren In With The Devil: A Fallen Hero, A Serial Killer, and A Dangerous Bargain for Redemption bildet die Vorlage zu der Serie, welche bereits auf dem Streamingkanal angelaufen ist. Anlässlich des Starts am 8. Juli 2022 spricht Lehane im Interview über Adaptionen, menschliche Abgründe und die Arbeit mit Ray Liotta.

In In With The Devil spielen Themen wie toxische Männlichkeit und deren Folgen für Menschen, die davon betroffen sind, eine große Rolle. Als du die Memoiren James Keenes adaptiert hast, wie hast du dich diesen Themen angenähert?

Eigentlich hatte ich nicht vor, mich mit diesem Buch oder Themen wie Gewalt und Serienkillern auseinanderzusetzen, denn das habe ich schon oft getan in meinen anderen Werken. Zudem hatte ich das Gefühl, dass diese Themen sich etwas abgenutzt hatten in Serien wie auch in Filmen.

Dennoch sagte mir mein Agent, dass ich Keenes Buch lesen müsse und als ich dies tat, sah ich den Bezug zu dem Thema, dass du in der Frage ansprichst, denn heutzutage scheint toxische Männlichkeit, wenn man dem Internet und den sozialen Medien glaubt, überall zu sein. Der Jimmy Keene, den du in der Serie siehst, ist nicht der echte, denn ich habe keine Ahnung, ob der echte wirklich diese emotionale Entwicklung durchgemacht hat wie der fiktive. Dennoch gibt es einen Moment, in dem er vor die Wahl gestellt wird, einen Job anzunehmen, der von ihm verlangt, eine gemeinsame Basis mit einem vermeintlichen Serienkiller herzustellen und dazu muss er sich auf eine Form der Männlichkeit einlassen, die ihm zuwider ist.

Im Internet findet man eine Liste mit Ratschlägen für junge Autoren, die von dir verfasst wurde, und es heißt dort, dass man Szenen schreiben soll, die einem das Herz brechen. Auf welche Momente trifft dies bei In With The Devil zu?

Mir war klar, dass, wenn ich mich mit diesem Material und dieser Geschichte befassen würde, ich den Toten Respekt zollen würde. Dies tritt in der fünften Episode ein, wenn eines der Opfer ihre Geschichte erzählt.

Das hat mich echt fertig gemacht, denn es geht um ein Leben, das vorbei ist, doch in der kurzen Zeit, in der dieser Mensch auf Erden war, bereits sehr viel reicher und schöner war als das eines Larry Halls, ihres Killers. Als meine Tochter in mein Arbeitszimmer kam und Larrys Foto betrachtete, schrie ich fast, sie soll die Finger davon lassen. So fertig hat mich das Schreiben dieser Episode gemacht.

Interessanterweise erreicht Jimmy in dieser Episode auch seinen emotionalen Tiefpunkt, was ungefähr meine eigene Gefühlslage während und nach dem Schreiben widerspiegelt.

Viele deiner Geschichten sind bereits verfilmt worden, ob als Serie oder als Kinofilm. Wie fühlt es sich an, einen solchen Prozess zu beobachten, wenn die eigenen Kreationen adaptiert wird und man sich mit dem Gedanken abfinden muss, dass sich die Geschichte und ihre Figuren vielleicht verändern?

Ich glaube, als Autor muss man akzeptieren, dass es sich bei der Verfilmung oder der Serienadaption um eine alternative Version der Geschichte handelt, die man geschrieben hat. So ist Clint Eastwoods Mystic River oder Martin Scorseses Shutter Island jeweils eine ganz andere Version einer Geschichte, die ich geschrieben habe.

Im Falle von In With The Devil war das anders, denn hier war ich nicht nur maßgeblich für die Drehbücher verantwortlich, sondern war bei allen Entscheidungen die erste Ansprechperson. Da ich in der Position war, mit Profis aus verschiedenen Bereichen, vom Kostüm- bis hin zum Setdesign, zu sprechen, konnte ich diesen Menschen meine Vorstellungen mitteilen und sie setzten diese um.

Gibt es eigentlich eine bestimmte Philosophie oder einen Regelkatalog, nach dem du eine Geschichte auswählst, die dich als Schriftsteller oder als Drehbuchautor begeistert?

Es gibt nur zwei Regeln, die ich bei meiner Arbeit immer versuche zu befolgen. Dies ist zum einen, dass sich etwas echt und authentisch anfühlen muss, und zum anderen, dass ich mich nicht wiederholen will. Natürlich habe ich gewisse Obsessionen, wenn es um Themen geht, aber ich hasse es einfach, immer wieder dieselbe Geschichte zu erzählen.

Was hat dich bei James Keenes Memoiren so fasziniert und was hoffst du, dass der Zuschauer nach der Serie mitnimmt?

In klassischen Sagen oder Legenden muss ein Held ausziehen, in eine Wüste oder einen Wald, um dort ein Monster zu vernichten. Wenn er dann zurück in der Heimat ist, ist ein anderer Mensch. Dies trifft auf die Entwicklung Jimmys in der Serie zu, denn die Person, die er am Anfang, in der ersten Episode ist, ist eine völlig andere im Vergleich zu der in der letzten Episode. Ich finde es spannend, eine Geschichte zu erzählen, in der jemand zu einem anderen Menschen wird, aber durch diese Entwicklung etwas von sich verliert.

Darüber hinaus hoffe ich, dass die Serie einen Beitrag zu den Diskussionen und Themen geben kann, auf die wir uns bereits in der ersten Frage und deren Antwort bezogen haben.

Ray Liotta spielt in der Serie Jimmys Vater und du hast bereits mehrfach betont, dass er deine erste Wahl für diese Rolle war. Kannst du das etwas genauer erklären?

Ray war ein Darsteller, der mich schon immer begeistert hat und der einem Film eine ganz bestimmte Atmosphäre geben konnte. Jonathan Demmes Something Wild – Gefährliche Freundin ist in der ersten Hälfte eigentlich mehr eine Komödie, doch dann taucht Ray auf und dies verändert den Ton des gesamten Films, der auf einmal sehr viel düsterer wird. Dieser Ray ist eine gefährliche Person, doch er hat einen sehr menschlichen Kern, denn tief innen drin ist er dieser kleine Junge, der Beachtung haben will.

Je mehr ich seine Filmografie bedenke, desto mehr meine ich, dass, wenn er einen guten Typen spielt, man die dunkle Seite dieser Person spürt. Wenn er dann einen Gangster oder einen Bösewicht spielt, bemerkt man das Menschliche dieses Charakters, was man eigentlich nicht vermutet hätte. Sogar in einem Film wie Feld der Träume meine ich immer, dass sein Charakter kurz davor ist, Kevin Costner des Baseball an den Kopf zu werfen.

In Ted Demmes Blow – Der Stoff, aus dem die Träume sind… spielt er den Vater des Protagonisten und es ist eine wirklich tolle Leistung, auch wenn es nur eine Nebenrolle ist. Wenn man an Liotta denkt, verbindet man mit ihm nur die Gangsterrollen, doch ich wollte mit der Besetzung in In With The Devil an jene Qualität dieses Darstellers anknüpfen, die meiner Meinung nach immer wieder, auch nach seinem Tod, unter den Tisch gekehrt wird, nämlich dieses Menschliche und Warmherzige.

Interessanterweise war seine Besetzung die einzige, für die ich wirklich kämpfen musste. Als Ray dann das Drehbuch erhielt, antwortete er in wenigen Stunden und kam ans Set, um wirklich zu arbeiten. Er war neugierig und wollte viel wissen, und es war eine große Freude, mit ihm zu arbeiten. Wenn man ihn bat, eine Szene noch einmal zu drehen, bot er einem eine ganze andere Interpretation an und kollaborierte ganz wundervoll mit den anderen Schauspielern am Set. Seine Beziehung zu Taron Edgerton, der die Hauptrolle spielt, glich wirklich einer zwischen Vater und Sohn.

Ich werde nie vergessen, was Ray mir als letztes gesagt hat, denn er wollte unbedingt in meinem nächsten Projekt sein. Er bestand jedoch darauf, dass es ein größerer Part sein sollte.

Vielen Dank für das tolle Gespräch.



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