O Melissokomos Der Bienenzüchter

Der Bienenzüchter

O Melissokomos Der Bienenzüchter
„Der Bienenzüchter“ // Deutschland-Start: 10. September 1987 (Kino)

Inhalt / Kritik

Nach der Scheidung von seiner Frau und der Heirat seiner Tochter steht der ehemalige Lehrer Spyros (Marcello Mastroianni) allein da in seiner Wohnung und der kleinen Gemeinde, in der nur noch wenige seiner alten Freunde leben. Der Hobbyimker beschließt daraufhin, seine zahlreichen Bienenkörbe in seinen Lastwagen zu laden, um im Umland die Blüten des Frühlings zu genießen, wo sich die Insekten vermehren und die einzelnen Kolonien sich erholen können. Ihn zieht es in den Süden Griechenlands, wo der Frühling besonders schön ist und er hofft, noch einige andere Imker zu treffen, von denen es ebenfalls leider nicht mehr viele gibt. Auf seiner Reise begegnet ihm eine junge Anhalterin (Nadia Mourouzi), die mit ihrer wilden Art, den wesentlich älteren Spyros zwar irritiert, aber dennoch erreicht, dass er sie mitnimmt für eine Weile. Mit der Zeit beginnt sich Spyros für seine Mitfahrerin zu interessieren. Doch diese ist ihm ebenso rätselhaft wie anderen, ist launenhaft und schleppt bereits am ersten gemeinsamen Abend einen fremden Mann mit ins Hotelzimmer. Immer wieder trennen sich so die Wege der beiden, bis sie sich durch einen Zufall wiedersehen.

Während seiner Fahrt führt Spyros Buch über seine Bienenkolonien, verzeichnet deren Entwicklung sowie den Zerfall einiger, was er sich nicht erklären kann. Schließlich zieht es ihn sogar nach Athen, wo er mit einem alten Freund, der im Krankenhaus liegt, sowie seiner Ex-Frau Kontakt aufzunehmen, was ihn aber noch mehr darin bestärkt, dass er einsam ist und der Vergangenheit hinterher trauert. Lediglich sie Beziehung zu der jungen Anhalterin scheint etwas Abwechslung zu versprechen, sodass er sich in dieser verliert, ohne zu ahnen, ob dies wirklich der erhoffte Ausweg aus seinem Lebenstief ist.

Über das Atmen eines Bildes

Zusammen mit Die Reise nach Kythira und Landschaft im Nebel bildet Der Bienenzüchter die Trilogie des Schweigens des griechischen Filmemachers Theo Angelopoulos, der mit diesen drei Spielfilmen die politische und gesellschaftliche Landschaft seiner Heimat in den 1980er darstellen wollte. Mit diesen festigte Regisseur seinen Ruf als Angehöriger des „slow cinema“, was insbesondere an der Struktur der einzelnen Einstellungen festgemacht wird, die sich durch ihre Langsamkeit sowie die statische Kamera auszeichnen. Zudem stellt Der Bienenzüchter eine der ersten Kollaborationen des Regisseurs mit einem etablierten Schauspieler, in diesem Falle Marcello Mastroianni dar, der für seine Darstellung des Spyros in der Kritik mehrfach gelobt wurde.

Wie auch im Falle von Lav Diaz oder Carlos Reygadas ist das Label des „slow cinema“ eher irreführend, konzentriert es sich doch auf eine Äußerlichkeit ohne dessen Kontext zu berücksichtigen. In Interviews hat Angelopoulos beschrieben, dass der Rhythmus einer Einstellung nicht von ihm selbst beeinflusst werden könne, was er mit dem Prozess des Atmens beim Menschen vergleicht. Die langen Einstellungen in Der Bienenzüchter, beispielsweise jene im Anschluss an die Hochzeitsfeierlichkeiten oder die Strandszene, scheinen die Figuren im Kontext ihres Umfelds und ihrer Emotionen zu verstehen, und ihnen einen Raum zu lassen, sich zu entfalten. Immer wieder wird die Wichtigkeit besonders der Landschaft betont, welche als Spiegelbild des Zustands der Gesellschaft ebenso herhalten mag wie auch als Reflektion der Hauptfigur, deren Niedergeschlagenheit und Nachdenklichkeit zu jenen langen, kontemplativen Einstellungen passt. Dieses Gesamtkunstwerk, sofern man diesen Begriff nutzen will, soll auf den Zuschauer wirken, den Blick schärfen für die Prozesse des Zerfalls sowie der Auflösung, die begonnen haben und nicht mehr aufzuhalten sind.

Verpasste Chance, vertane Zeit

Dabei lässt es Angelopoulos offen, ob diese Zustände oder Emotionen abhängig von der Gefühlshaltung des Protagonisten oder ob sie Teil der objektiven Realität sind. Dieses Rätsel findet sich ebenfalls im Spiel Mastroiannis wieder, der Spyros als einen Mann zeigt, der von allen verlassen und ebenso desillusioniert zu sein scheint, wie die Landschaft um ihn herum. Immer mehr drehen sich die Tagebucheinträge weniger um den Zustand der Bienenkolonien und mehr noch um seine eigene Verfassung, die zwischen Nostalgie und Verlust zu schwanken scheint. Die Anhalterin ist davon losgelöst, versprich eine Art Heilung, wenn man es so nennen will, steht sie doch außerhalb der Vergangenheit und erinnert sich, wie sie selbst sagt, an nichts mehr, weiß noch nicht einmal, wohin ihre Reise überhaupt hingehen soll, wobei dies im Falle Spyros vorgegeben ist. Der Zustand der eigenen Auflösung wird betont durch die Bienen, die ihm noch Halt geben, aber deren Sein er ebenso wenig durchschaut wie das der Welt an sich.

Wie in den anderen Teilen der Trilogie tragen die Kompositionen von Kameramann Giorgos Arvanitis ihren Teil dazu bei, wenn es um die Wirkung der Geschichte und der Landschaft geht. Auch wenn es schwierig ist, anhand der Motive mit Konzepten wie Schönheit zu arbeiten, betonen diese doch Aspekte wie Verlassenheit, Nostalgie und Bedauern.

Credits

OT: „O Melissokomos“
Land: Griechenland, Frankreich
Jahr: 1986
Regie: Theo Angelopoulos
Drehbuch: Theo Angelopoulos, Dimitris Nollas, Tonino Guerra
Musik: Eleni Karaindrou
Kamera: Giorgos Arvanitis
Besetzung: Marcello Mastroianni, Nadia Mourouzi, Serge Reggiani, Jenny Roussea, Dinios Iliopoulos

Trailer

Filmfeste

Venedig 1986
Locarno 1987
International Film Festival Rotterdam 1989

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Der Bienenzüchter
Fazit
„Der Bienenzüchter“ ist eine Mischung aus Drama und Roadmovie, in dem es um Abschied und Zerfall geht. Theo Angelopoulos beweist sein Gespür für Figuren und Landschaften, zeigt ein Bild seiner Heimat, die sich von Konzepten wie Familie zu trennen scheint und ebenso orientierungslos wirkt wie der Protagonist seines Filmes.
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