1945, der Zweite Weltkrieg hat endlich ein Ende gefunden. Während die einen damit beschäftigt sind, die zerstörten Städte zu räumen und wieder aufzubauen, kehren die Soldaten nach und nach in ihre Heimatländer zurück. Unter ihnen befinden sich auch Al Stephenson (Fredric March), Fred Derry (Dana Andrews) und Homer Parrish (Harold Russell), die sich auf dem Weg in die gemeinsame Heimatstadt Boone City treffen. Die Freude ist groß, den Schrecken endlich hinter sich lassen zu können und ihr altes Leben wieder fortzusetzen. Doch das ist nicht so einfach wie gedacht. So müssen sie alle auf die eine oder andere Weise feststellen, dass in ihrer Abwesenheit die Zeit nicht stillgestanden ist und dass sie nicht wirklich wissen, wie und ob sie noch in die Welt von damals passen …
Aufarbeitung der Nachkriegsjahre
Filme über Kriege gibt es bekanntlich nicht eben wenige. Vor allem der Zweite Weltkrieg inspiriert bis heute jedes Jahr weltweit Filmschaffende dazu, Geschichten über diese Zeit zu erzählen. Hoch in Kurs stehen dabei noch immer patriotisch gefärbte Heldenepen, gleich ob es sich nun um US-amerikanische oder russische Produktionen handelt. Manche behandeln stärker den Schrecken des Kriegs, zeigen mit schockierenden Szenen, was es bedeutet, Teil eines Krieges zu sein, anstatt diesen einseitig glorifizieren und verklären zu wollen. Was hingegen inzwischen relativ selten ist, das sind Filme, die unmittelbar nach einem Krieg spielen und von dessen Folgen handeln. In Deutschland gab es seinerzeit natürlich die diversen Trümmerfilme wie Die Mörder sind unter uns, die sich früh an eine Aufarbeitung machten. Ein US-amerikanisches Pendant ist Die besten Jahre unseres Lebens aus dem Jahr 1946.
Dass es diesen Film gibt, war alles andere als selbstverständlich. Im Jahr eins nach dem Kriegsende war man schließlich noch berauscht von den eigenen Erfolgen und der Rolle, die man beim Kampf gegen Deutschland und Japan zeigte. In der aufkommenden Aufbruchsstimmung, dass jetzt alles gut würde – gerade auch aus US-amerikanischer Sicht –, waren lebensbejahende Geschichten gefragt. Die dunkle Zeit lag schließlich hinter einem. Der bekannte Regisseur William Wyler (Ben Hur, Wie klaut man eine Million?) setzte dem mit Die besten Jahre unseres Lebens ein Bild entgegen, das deutlich ambivalenter war und auch nicht davor zurückschreckte, die hässlichen Seiten der neuen Gegenwart anzusprechen. Basierend auf einer Novelle von MacKinlay Kantor beschreibt der Film, wie drei ehemalige Soldaten im Frieden verlorengehen. Wie es keinen Platz mehr für sie gibt.
Ein Leben voller Verluste
Die Situationen der drei sind dabei sehr unterschiedlich. Der offensichtlichste Verlierer ist Homer, der während eines Einsatzes seine beiden Hände verlor und sich nun mit Haken-Prothesen durchs Leben schlägt. Darin ist er erstaunlich geschickt, wie Die besten Jahre unseres Lebens bereits früh zeigt, wenn sich der ehemalige Soldat eine Zigarette anzündet und auch sonst keine Hilfe braucht. Doch im weiteren Verlauf zeigt sich, wie oft er an seine Grenzen stößt – allein schon, weil er selbst die Prothesen nicht an- und ablegen kann. Vor allem aber ist auch der Umgang mit anderen Menschen schwierig geworden, selbst mit seiner Freundin Wilma (Cathy O’Donnell), da zu viele ihn auf seine Verletzung reduzieren, ihn entweder anstarren oder verkrampft zu ignorieren versuchen. Ein normales Leben ist so natürlich nicht möglich.
Fred ist im Gegensatz unversehrt geblieben, nur im Kopf sind die Spuren des Krieges noch zu finden. Richtig glücklich ist sein Leben aber auch nicht. So findet er keine Arbeit, da seine Tätigkeit als Bombenwerfer keinen Nutzen mehr hat. Darunter leidet dann auch zunehmend die Ehe mit Marie (Virginia Mayo), die sich von seiner Aufopferung nichts kaufen kann – wortwörtlich. Selbst bei Fred, der weder Familienprobleme noch berufliche Schwierigkeiten hat, ist eine Rückkehr nicht möglich. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben ihn verändert. Er ist gefangen zwischen alten Überzeugungen und einem neuen Gefühl der Sinnlosigkeit, das sich in ihm breit macht. Überhaupt wird in dem Film zwischendurch gefragt, wozu das alles gut war. Den Männern wurde während des Kriegs also nicht nur Zeit, Familie, Beruf und Gesundheit genommen. Diese Verluste werden nicht einmal gewürdigt: Das einzige, was den drei einen Zweck und eine Bedeutung gab, soll nichts mehr wert sein.
Trotz kleiner Mankos noch immer sehenswert
Die besten Jahre unseres Lebens ist deshalb, trotz der gezeigten und angedeuteten traumatischen Kriegserfahrungen, weniger ein Antikriegsfilm als vielmehr einer, der die Gesellschaft hinterfragt und teilweise offen kritisiert. Wyler, der selbst nach seinen Einsätzen Schwierigkeiten hatte, den Alltag wiederzufinden, schildert anschaulich, wie sehr die Soldaten nach getaner Arbeit sich selbst überlassen wurden und stellt Fragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dafür ließ er sich viel Zeit, fast drei Stunden dauert das Epos. Dabei geschieht eigentlich relativ wenig. Die drei Handlungsstränge, die mit dem gemeinsamen Flug beginnen und sich anschließend über weite Strecken voneinander lösen, werden in aller Ruhe aufgerollt. Auch beim Pathos wurde erstaunlich viel gespart. Ganz ohne geht es nicht, zum Ende hin verlässt den Film zudem der Mut, wird plötzlich dann doch sehr versöhnlich. Aber das sind kleine Mankos bei einem noch immer sehenswerten Drama, welches einem den Krieg aus einer anderen Perspektive zeigt und mehr als 70 Jahre später in vielerlei Hinsicht nach wie vor aktuell ist.
OT: „The Best Years of Our Lives“
Land: USA
Jahr: 1946
Regie: William Wyler
Drehbuch: Robert E. Sherwood
Vorlage: MacKinlay Kantor
Musik: Hugo Friedhofer
Kamera: Gregg Toland
Besetzung: Myrna Loy, Fredric March, Dana Andrews, Teresa Wright, Virginia Mayo, Cathy O’Donnell, Harold Russell
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1947 | Bester Film | Sieg | |
Beste Regie | William Wyler | Sieg | ||
Bestes Drehbuch | Robert E. Sherwood | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Fredric March | Sieg | ||
Bester Nebendarsteller | Harold Russell | Sieg | ||
Ehren-Oscar | Harold Russell | Sieg | ||
Beste Musik | Hugo Friedhofer | Sieg | ||
Bester Schnitt | Daniel Mandell | Sieg | ||
Bester Ton | Gordon Sawyer | Nominierung |
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