So ein Leben im Rampenlicht bringt schon einige Schattenseiten mit sich. Diese Erfahrung macht zumindest Marvin Bosch (Elyas M’Barek) in Anika Deckers Komödie Liebesdings. Schließlich wird der Schauspieler von allen begehrt und belagert, wird von den Medien und den Fans regelrecht verfolgt. Doch zu seinem Glück gibt es noch seine Clique, mit der er seit vielen Jahren befreundet ist und die ihm Halt gibt. Und dann wäre da noch Frieda (Lucie Heinze), die er eines Tages auf der Flucht in einem kleinen feministischen Theater kennenlernt. Anlässlich des Kinostarts am 7. Juli 2022 unterhalten wir uns mit dem Hauptdarsteller über seine eigenen Erfahrungen im Filmgeschäft, einen sich wandelnden Humor und was wir aus der Geschichte lernen können.
Warum hast du Liebesdings gedreht? Was hat dich an dem Film gereizt?
Zum einen wollte ich wieder einen Film mit Anika Decker arbeiten, die eine langjährige Freundin von mir ist. Zum anderen fand ich die Idee des Films richtig cool: ein Star, der sich auf der Flucht vor den Medien in einem feministischen Theater versteckt, um andere Seiten des Lebens kennenzulernen. Das ist als Szenario einfach witzig. Ausschlaggebend war für mich am Ende, dass der Film so viele moderne Punkte anspricht wie Diversität, Feminismus und queere Themen. Das fand ich sehr wichtig und als Message unterstützenswert.
Können solche Messages in Filmen beim Publikum etwas bewirken? Es soll bei Liebesdings schließlich nicht nur um den Lernprozess von Marvin gehen, sondern auch den der Zuschauer und Zuschauerinnen.
Der Film ist natürlich vor allem dazu da zu unterhalten. Aber es ist schön, wenn man daraus noch etwas mitnehmen kann. Ich habe zum Beispiel gelernt, was ein Cis-Mann ist. Ich glaube, auch ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass Filme etwas bewirken können, ohne mir das jetzt allein auf die Fahnenstange schreiben zu wollen. Filme wie Fack ju Göhte, wo die Hauptfigur einen Migrationshintergrund hat, haben bestimmt für manche da draußen eine Vorbildfunktion. Hätte ich als Jugendlicher einen Film gesehen mit jemanden, der aussieht wie ich, einen solchen Namen trägt und dabei so erfolgreich ist, hätte mir das damals ziemlich viel Kraft gegeben. Das hätte mir gezeigt, dass man nicht besser oder schlechter ist, wenn man anders aussieht oder woanders herkommt.
Was hat dich trotz dieser fehlenden Vorbilder dranbleiben lassen?
Ich wollte einfach unbedingt zum Film. Als ich das erste Mal am Set stand, hatte ich sofort Blut geleckt. Ich habe mich davon nicht abbringen lassen und hatte das Gefühl, dass ich unbedingt dorthin gehöre, auch wenn die Chancen damals alles andere als gut aussahen.
Die Filmwelt, wie ihr sie in Liebesdings beschreibt, ist dabei alles andere als erstrebenswert. Marvin macht darin jede Menge schlechter Erfahrungen. Wie sehr kannst du dich mit diesen identifizieren?
Da sind schon einige Situationen dabei, die ich ähnlich selbst erlebt habe. Aber natürlich ist das alles überspitzt und findet in der Form in meinem Leben nicht statt. Ich bin total happy mit dem, was ich tun darf und bin froh über meine Karriere. Das Star-Dasein ist aber nicht für jeden gemacht, ganz klar. Für den einen oder anderen ist der Druck, der damit verbunden ist, bestimmt kaum auszuhalten. Die Gefahr ist da groß, dass man sich selbst verliert oder nicht mehr selbstbestimmt lebt. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich bin mir Gott sei Dank sehr darüber bewusst, was ich tue, und habe nie das Gefühl, dass mich das negativ beeinträchtigt. Aber es ist definitiv keine normale Situation, derart in der Öffentlichkeit zu stehen.
Was braucht es denn, um ein solches Leben führen zu können?
Ein gutes Umfeld vor allem. Es ist wichtig, dass man Leute um sich herum hat, denen man wirklich vertrauen kann. Die es gut mit einem meinen und nicht nur aus eigenem Interesse handeln. Die einem auch schon mal die Meinung sagen. Außerdem braucht es einen gesunden Abstand, dass man sich nicht nur durch diesen Beruf und das Berühmtsein identifiziert. Das ist für viele ein Problem, dass sie sich so sehr an alles gewöhnen, an die ganzen Privilegien, und dann ziemlich abstürzen, wenn diese Aufmerksamkeit und Bewunderung irgendwann ausbleibt. Die dann vielleicht auch gar nicht mehr wissen, wer sie selbst sind. Dem habe ich früh vorgebeugt, indem ich mir sehr viel Zeit für mich nehme. Ich bin mir der Endlichkeit von dem Allen bewusst und habe mir immer ein ganz normales Leben bewahrt.
Du hast gerade die Wichtigkeit des Umfelds genannt. In Liebesdings fangen die Medien an, auch dort herumzuschnüffeln beim Versuch, irgendwelche Geschichten zu entlocken, die sie nutzen können. War das etwas, das du je in deinem Leben selbst befürchtest hast, dass jemand, der dir nahe steht, irgendwelche Sachen ausplaudert?
Habe ich nicht, nein. Wenn ich Leuten mein Vertrauen schenke, dann tue ich das nicht ohne Grund. So etwas gab es nie und ich habe mir tatsächlich auch nie Gedanken darüber gemacht. Anders als Marvin habe ich keine dunklen Geheimnisse, die ich für mich bewahre und die nicht an die Öffentlichkeit geraten sollen. Ich bin da ein Mensch wie jeder andere, mit Ecken und Kanten, und mache manchmal auch Fehler. Aber da ist nichts dabei, bei dem ich befürchten müsste, dass andere davon erfahren.
Und wie sieht es aus mit Leuten, die du neu kennenlernst? Ich stelle es mir schwierig vor, wenn jedes Date potenziell am nächsten Tag in der Zeitung stehen kann.
Nein, darüber mache ich mir wie gesagt keine Gedanken. Ich bin total extrovertiert und lerne ständig neue Leute kennen. Ich schließe auch immer noch neue Freundschaften. Ich habe glaube ich ein gutes Gefühl dafür, ob jemand an mir selbst als Mensch interessiert ist oder an der öffentlichen Person.
Eine Schlüsselszene in Liebesdings ist, wie deine Figur in einem Interview sitzt und lauter unangenehme Fragen beantworten soll. Was war bislang die dümmste oder schlimmste Frage, die du selbst in einem Interview beantworten musstest?
Eine dümmste Frage fällt mir so nicht ein. Was mich aber immer wieder genervt hat, waren Fragen zu meinem damaligen Sixpack. Das fand ich immer albern und oberflächlich. Oder auch Fragen zu meiner Herkunft. Es sollte im Jahr 2022 vielleicht dann doch langsam mal normal werden, dass man einen Migrationshintergrund und einen Namen hat, der nicht biodeutsch ist. Ich komme aus München und muss da nicht ständig die Herkunft meiner Eltern thematisieren oder bewerten. Aber ich bin zum Glück in der Lage, immer noch selbst entscheiden zu dürfen, welche dieser Fragen ich beantworte und welche nicht.
Deine Figur findet in Liebesdings durch das kleine Theater einen neuen Sinn im Leben. War für dich Theaterspielen je eine Option?
Nicht wirklich. Ich hatte mal die Idee, auf eine Schauspielschule zu gehen. Aber auch da gab es keine Vorbilder, an denen ich mich hätte orientieren können. Ich habe bei meinen ersten Vorsprechen schnell gemerkt, dass das überhaupt nicht meine Welt ist. Auf die Bühne zu gehen, stand für mich nie zur Debatte.
Was war es denn, was dich an der Filmwelt so gereizt hat?
Das Rock’n’Roll-Artige. Es ist völlig egal, wo du herkommst, du musst nur deine Arbeit gut machen. Du brauchst im Grunde nicht einmal einen Schulabschluss. Jeder arbeitet in einem Team an so einem Projekt, mit den ganzen Leuten, die hinter der Kamera irgendwas machen. Die auch alle dieselbe Leidenschaft mitbringen. Das ist wie ein Wanderzirkus: Eine Zeit lang hast du diese Schar von Leuten um dich, mit denen du ganz intensiv zusammenarbeitest und mit denen du im Idealfall am Ende einen guten Film produzierst. Das fand ich schon immer eine tolle Vorstellung. Ich wollte auch immer irgendwann an dem Punkt ankommen, an dem ich mir meine Rolle aussuchen darf und nur die Filme drehe, auf die ich auch wirklich Lust habe.
Du hast am Anfang erwähnt, dass du wieder mit Anika Decker zusammenarbeiten wolltest. Was zeichnet sie für dich aus?
Wir sind gut miteinander befreundet und ich finde, sie beweist immer wieder einen guten Geschmack und einen guten Blick dafür, wie Filme gesellschaftsrelevant sein können. Ihre Geschichten beinhalten Themen, die sehr modern sind, und haben immer starke Frauenfiguren.
Du sagst selbst, dass Liebesdings in erster Linie unterhalten soll. Welche Filme unterhalten dich denn? Über welche Filme kannst du lachen?
Mein All Time Classic ist immer noch Der Prinz aus Zamunda. Ich liebe aber auch Forrest Gump.
Nachdem du mit Regisseurinnen und Regisseuren Komödien gedreht hast: Denkst du, dass es einen Unterschied zwischen weiblichem und männlichem Humor gibt?
Das kann ich so nicht beantworten. Ich denke aber, dass sich der Humor insgesamt sehr gewandelt hat in den letzten Jahren. Es ist nicht mehr zeitgemäß, Männerfiguren zu zeigen, die möglichst viele Frauen flachlegen. Die coolen Machos, die lauter tolle Bräute abbekommen. Und auch die Dinge, die man sagen darf und soll, haben sich zurecht verändert. Diskussionen um #MeToo und Diversität haben dazu geführt, dass mehr Sensibilität und Gefühl zugelassen wird. Das begrüße ich sehr.
Nun gibt es aber noch eine lautstarke Gruppe, die sich dieser Veränderung verweigert. Wie erreicht man diese Leute? Kann man sie überhaupt erreichen?
Ich weiß gar nicht, ob man alle Leute erreichen muss. Ich kann nur für meine Werte stehen und das transportieren, wie ich die Welt sehe. Was die Leute am Ende daraus machen, liegt nicht in meiner Hand.
Neben diesen modernen Themen habt ihr in Liebesdings auch ein sehr klassisches: das der Freundschaft. Wie würdest du eine gute Freundschaft beschreiben? Was macht sie aus?
Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Ich muss mich auf einen Freund verlassen können und umgekehrt.
Als Schauspieler bist du viel unterwegs. Wie schwierig ist es da Freundschaften zu pflegen? Wie pflegt man überhaupt Freundschaften?
Du musst anderen das Gefühl geben, dass du für sie da bist und dich für sie und ihr Leben interessierst. Das gilt für Schauspieler wie für andere auch. Da unterscheidet sich mein Leben nicht von dem anderer. Da ich meistens nur etwa einen Film pro Jahr drehe, habe ich sogar mehr Zeit als meine Freunde, die wirklich jeden Tag arbeiten müssen und von Montag bis Freitag ins Büro gehen.
Letzte Frage: Was sind deine nächsten Projekte? Worauf können sich deine Fans freuen?
Im September kommt schon mein nächster Film „Tausend Zeilen“, den ich mit Bully gedreht habe. Da geht es um Skandal um den Journalisten Claas Relotius, der viele seiner Beiträge frei erfunden hat.
Vielen Dank für das Gespräch!
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