Haarige Angelegenheiten

Seit dem Tod ihres Mannes ist Cristina (Solange Couto) nur der Haarsalon geblieben. Und ausgerechnet diesen droht sie nun zu verlieren. Am mangelnden Einsatz liegt das nicht, der Laden mit dem schönen Namen „Saigon“ ist ihr ganzer Stolz. Das reicht aber nicht aus: Das Geld ist knapp, ihr Vermieter hat bereits angekündigt, sie vor die Tür setzen zu wollen. Das wiederum ruft ihren Sohn Richardsson (Lucas Koka Penteado) auf den Plan, der fest dazu entschlossen ist, den Salon zu retten. Nur wie? Er weiß ja selbst noch nicht, was er nach der Schule mit seinem Leben anfangen möchte. Dabei liegt die Antwort deutlich näher, als er dachte, zeigt er doch selbst Talent darin, anderen Leuten die Haare zu schneiden …

Verspieltes aus Brasilien

Für Liebhaber und Liebhaberinnen des südamerikanischen Kinos führt an Netflix nicht wirklich ein Weg vorbei. Kaum ein Anbieter hat vergleichbar viele Titel im Programm und bringt ähnlich viele Sachen hierher. Wer beispielsweise brasilianische Komödien mag, für den gab es beim Streamingdienst beispielsweise Abenteuer au pair, Carnaval oder Der doppelte Vater. Gut sind diese Filme zwar alle nicht. Es reicht meistens ja nicht einmal für Durchschnitt. Aber es scheint doch genügend zu geben, die Spaß daran hatten. Wer selbst zu denen gehört, die sich an den obigen Beispielen erfreuen konnten, der kann es mit dem neuen Film Haarige Angelegenheiten versuchen. Denn auch diese brasilianische Produktion möchte in erster Linie unterhalten.

Dafür werden die unterschiedlichsten Versuche gestartet. Auffällig ist beispielsweise, wie verspielt der Film ist. Da wird beispielsweise mal die vierte Wand durchbrochen. Figuren werden eingeführt, als wären sie einem Computerspiel entnommen. Allgemein sind sie gern mal etwas überzeichnet. Außerdem gerät Richardsson immer mal wieder in komische Situationen, aus denen er sich irgendwie herauswinden muss. Das Ergebnis überzeugt aber nur zum Teil. An manchen Stellen ist Haarige Angelegenheiten schon irgendwie ganz nett. An anderen wird es eher langweilig, weil zu viele Gags ihr Ziel verfehlen und der Film trotz eines hohen Tempos einfach vor sich hinplätschert.

Zwischen Sinnsuche und leuchtenden Farben

Etwas treffsicherer sind die nachdenklichen Momente in der Geschichte. Von denen gibt es recht viele. So ist Haarige Angelegenheiten beispielsweise über weite Strecken ein Coming-of-Age-Film, der von der Sinn- und Selbstsuche eines jungen Mannes erzählt. Themen wie Selbstbestimmung oder Familienzusammenhalt werden angeschnitten. Auch kleinere Überlegungen zu Geschlechterrollen sind mit dabei. Allzu viel sollte man aber nicht erwarten. Marcelo Andrade, Anderson França und Silvio Guindane, die zusammen das Drehbuch geschrieben haben, gehen bei all dem nicht so wahnsinnig in die Tiefe. Auch die Bedeutung von Haaren und Frisuren wird, gerade im Vergleich zum Netflix-Kollegen Alte Zöpfe, kaum angesprochen, was bei dem Szenario schon eine Verschwendung ist.

Was dem Film an komödiantischer Raffinesse und inhaltlicher Relevanz mangelt, macht er aber zu einem großen Teil durch seine Lebensfreude und Energie wieder wett. Der ernsten Themen zum Trotz sind die Figuren von einem Optimismus gefüllt, der ansteckend ist. Auch inszenatorisch wird da einiges getan, um das Publikum bei Laune zu halten. So setzt der Film auf leuchtende Farben, die quasi automatisch für gute Stimmung sorgen. Das ist sicherlich weder sonderlich subtil noch einfallsreich. Es reicht aber in Kombination mit dem spielfreudigen Ensemble dafür, dass man bei Haarige Angelegenheiten einigermaßen unterhalten wird. Und das ist mehr, als man von so manchem der besagten Brasilien-Importe bei Netflix behaupten konnte.