Japon
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Japón

Japon
„Japón“ // Deutschland-Start: 5. Juni 2003 (Kino)

Inhalt / Kritik

Trotz einer Fülle an Motiven findet ein junger Maler (Alejandro Ferretis) in der Stadt keine Ruhe und Muße, um zu arbeiten, sodass er mehr und mehr in eine existenzielle Krise gerät. Um dieser zu entfliehen, geht er in die Berge Mexikos, auf der Suche nach einer kleinen Gemeinde, die ihn für ein paar Tage aufnehmen kann. Nach einer Begegnung mit einem Bauern, dessen Sohn er beim Jagen hilft, kommt er in ein Dorf, dessen Vorstand ihn zunächst freundlich aufnimmt und an Ascen (Magdalena Flores) verweist, eine Witwe, die in einer Hütte, weit abgelegen vom eigentlichen Dorf, lebt. Diese begrüßt ihn ebenso freundlich und bietet ihre Scheune als Obdach an, auch wenn das Leben bei ihr alles andere als einfach ist, sie kein fließend Wasser haben und vieles über den steinigen Pfad hin zum Dorf erst angeschafft werden muss. Der Maler freundet sich mit der Einsamkeit und der Kauzigkeit der alten Frau an, deren tiefe Religiosität ihn amüsiert und zugleich abstößt. Im Verlaufe der nächsten Tage macht er viele Ausflüge in die Berge, die meist entweder zurück an Ascens Hütte enden oder in der einzigen Kneipe des Dorfes. Die erforderliche Ruhe für seine Malerei findet er jedoch nicht und so bleibt es bei einiges wenigen Versuchen, die eher zum Frust des Künstlers beitragen und seine tiefe Krise noch verschärfen.

Darüber hinaus sieht er schon bald seinen Fehler ein, denn das Leben im Dorf und bei Ascen ist fern jeder Ablenkung und jeglicher Inspiration, sodass er sich in Tagträumen verliert. Immer mehr vermischen sich in diese auch tiefe Sehnsüchte, nicht nur nach künstlerischen Arbeit, sondern zudem sexuelle Wünsche, die sich auf seine Gastgeberin konzentrieren. Als deren Leben durch ihren Neffen bedroht wird, der die tragenden Steine ihres Hauses und damit ihre Lebensgrundlage für sich beansprucht, entsteht ein Konflikt, denn der Maler sieht sich als Verteidiger der Rechte der alten Frau.

Geschichten menschlicher Widersprüche

Mit seinem Spielfimdebüt Japón legte der mexikanische Regisseur Carlos Reygadas (Nuestro Tiempo) ein Werk vor, welches in seiner Heimat wie auch im Ausland von Kritik und Publikum gefeiert wurde, auch wenn sich einige Zuschauer bis heute an jenen Szenen stören, die Gewalt gegen Tiere zeigen. Darauf angesprochen betont Reygadas immer wieder, dass sein Film, wie auch die, welche danach kamen, letztlich etwas sehr Alltägliches zeigen, was in der Region, in der er filmte, nichts Widernatürliches darstellt und nichts zeige, was nicht sowieso passiert wäre. Eben diese Diskussionen sollten aber nicht den Blick verdecken, wenn es darum geht, Japón als ein Werk zu sehen, welches, wie der Filmemacher selbst erklärt, auf menschliche Widersprüche verweist und wie sie unser Handeln und Denken beeinflussen.

Neben diversen Filmpreisen und den schon beschriebenen Kontroversen brachte Japón seinem Regisseur und Drehbuchautor auch in die Gesellschaft von Filmemachern wie Lav Diaz, Béla Tarr und Pedro Costa, als ein weiterer Vertreter des „slow cinema“. Dabei geht es weniger, wie man annehmen würden, um die Laufzeit eines Filmes, sondern vielmehr um andere Aspekte, wie beispielsweise lange, oft statische Einstellungen oder den Wegfall anderer Komponenten wie der Filmmusik. Im Kontext von Japón treffen diese Kriterien nur zu einem Teil zu, dafür betonen sie eben jene Punkte, welche Reygadas mit diesem, wie auch vielen anderen Werken in seiner Filmografie, immer wieder aufgreift. Die langen Einstellungen und Szenen erfassen keinesfalls den Charakter, im Gegenteil schaffen sie immer mehr Distanz zu dem Protagonisten, was ironisch sein mag, fehlt diesem doch jegliche Form der Distanz zu seiner Umwelt und seinen Mitmenschen, was immer wieder zu Missverständnissen oder Fehlentscheidungen führt. Anders als die Reizüberflutung, wie man sie aus dem Mainstreamkino her kennt, kommt es, sofern man sich auf diese Herangehensweise als Zuschauer einlässt, zu überraschenden Erkenntnissen über diese Welt und ihre Probleme, aber eventuell auch zu einer Form der Ablehnung, die als Ergebnis dieser Beschäftigung hervorgeht. Reygadas sucht diese Form der Auseinandersetzung, provoziert sie gar, sodass Japón zu einem wahrhaft interessanten Seherlebnis wird.

Barbarei und Spiritualität

Selbst wenn es in der Tat einige interessante und in gewisser Weise schöne Einstellungen von den Kameramännern Diego Martínez Vignatti und Thierry Tronchet gibt, ist es doch alles andere als idyllisch, was Reygadas in seinem Film zeigt. Bereits nach wenigen Minuten wird der Protagonist mit der Ödnis dieses Landstrichs und des besonderen Menschenschlags, der dort lebt, konfrontiert, und sogleich impliziert, wie sehr er ein Teil davon ist. Der Akt des Tötens, in diesem Falle eines Vogels, wird als Akt der Barbarei, einer von vielen gezeigt, einer ohne jegliche Beschönigung oder Epiphanie. Es ist nur eine von vielen solcher Szenen, die zu betonen scheinen, inwiefern die tiefe Sinnkrise und Depression des Hauptcharakters nicht selbst verursacht ist und keinesfalls ein Ergebnis seiner Umgebung ist, oder inwiefern sie nicht ein Element eines allumfassenden Zustandes ist, der keine anderen Handlungen zulässt und der das Zwischenmenschliche wie auch das Körperliche umfasst.

Die grobkörnigen Bilder, die öden Landschaften wie auch die naturalistischen Darstellungen betonen den Ansatz, den Reygadas mit Japón zu verfolgen scheint, und welcher, wie bei vielen seiner anderen Werke, durchaus eine Herausforderung darstellt. Hier geht es nicht um Schönheit oder Ästhetik, sondern vielmehr um eine Krise der Welt und jene Ironie oder Verblendung, die es Figuren wie dem Protagonisten unmöglich macht, zu verstehen, wie man sich aus dieser befreien kann.

Credits

OT: „Japón“
Land: Mexiko
Jahr: 2002
Regie: Carlos Reygadas
Drehbuch: Carlos Reygadas
Kamera: Diego Martínez Vignatti, Thierry Tronchet
Besetzung: Alejandro Ferretis, Magdalena Flores, Yolanda Villa, Martín Serrano, Rolando Hernández, Bernabe Pérez

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Japón
Fazit
„Japón“ ist ein existenzialistisches Drama über menschliche Widersprüche, Barbarei und Spiritualität. Carlos Reygadas erschafft einen Film, der es seinem Zuschauer nicht einfach macht, der aber auch an sich keine einfachen Wege gehen will, welcher die Konfrontation sucht und gerade deswegen wahrscheinlich noch lange nachhallen wird, sofern man sich auf ihn einlässt.
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