Als Teenager hat man ja eigentlich schon genug Probleme. Nach dem Tod seiner Mutter geht es dem 17-jährigen Sam (George Ferrier) aber verständlicherweise besonders schlecht. Nur er und sein Vater (Márton Csókás) wohnen nun noch in dem geräumigen Haus in Neuseeland. Als sein Vater den Besuch von Sams kranker Großmutter aus Großbritannien ankündigt, verschlechtert sich Sams Laune noch einmal. Eigentlich hat Ruth (Charlotte Rampling) weder zu ihrem Sohn noch zu ihrem Enkel ein gutes Verhältnis. Sam kennt seine Großmutter kaum und hat auch keine Lust, sich irgendwie mit ihr zu beschäftigen oder ihr gar im Alltag behilflich zu sein. Für letzteres hat sein Vater die Pflegerin Sarah (Edith Poor) angestellt. Diese hilft der den ganzen Tag über mit gebrochenem Bein im Sessel sitzenden Ruth nicht nur auf die Toilette, sondern muss auch dafür sorgen, dass ständig eine mit Gin und Wasser gefüllte Karaffe neben ihr steht. Sam versucht die Anwesenheit seiner Großmutter so weit wie möglich zu ignorieren, was auf Dauer aber natürlich nicht möglich ist, wenn man im selben Haus lebt. Als sein Vater geschäftlich für eine Weile nach England reisen muss und Sam mit Ruth in Neuseeland zurücklässt, lässt sich eine Konfrontation der beiden jedoch nicht mehr vermeiden.
Die übliche Annäherung
Ein genervter Teenager und eine alte, verbitterte Alkoholikerin – was soll da schon passieren? Nun ziemlich genau das, was man hier als Zuschauer erwartet. Die ersten Szenen, in denen Sam und seine Großmutter gemeinsam zu sehen sind, sind noch von Schweigen und stiller Abneigung geprägt. Anschließend kommt es zur Entladung der Aggressionen in Form von hässlichen Wortgefechten, bevor sich die beiden schließlich doch näher kennen und lieben lernen. Insofern bietet der erste Langfilm von Autor und Regisseur Matthew J. Saville keine Überraschungen. Was hier vor allem heraussticht, ist mit Charlotte Rampling eine der Altmeisterinnen des europäischen und auch Hollywood-Kinos. Ihre verachtenden Blicke und spitzen Bemerkungen treffen bis ins Mark. Während Sam davon verletzt ist, ist man als Zuschauer fasziniert, mit welch geringen mimischen Mitteln Rampling ihrer Figur, die sich nicht einmal alleine aus ihrem Sessel bewegen kann, Charakter verleiht. Überhaupt gibt es keine „großen“ Szenen, in denen so richtig die Fetzen fliegen und sich die Schauspieler austoben können. Stattdessen spielt sich alles in einem wesentlich nuancierteren Rahmen ab, was aber nicht bedeutet, dass man hier keine große Schauspielkunst zu sehen bekommt.
Ein Film der leisen Töne
Wie viel Rampling allein mit ein paar Blicken bewirken kann, stellt sie hier also wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis. Ist ihre Ruth anfangs noch äußerst kalt, einsilbig und bisweilen geradezu sadistisch, zeigt Rampling im späteren Verlauf des Films ihre warme Seite und lässt die Figur offener und empfindsamer agieren. George Ferrier als Sam schlägt sich aber im Vergleich ziemlich gut. Anfangs hat er sowieso nur den verschlossenen, bockigen Teenager zu spielen; später wirken sein Interesse für Ruth und seine Zuneigung zu ihr ehrlich und natürlich. Viel mehr als der Zuschauer weiß auch Sam über die alte Dame zu Beginn nicht. Im Verlauf der Annäherung zwischen den beiden wird Ruths Vergangenheit aufgedeckt und auch die Gründe für den Hass und die Entfremdung zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern kommen zur Sprache. Spektakuläre Enthüllungen sollte man dabei aber nicht erwarten. Auch in dieser Hinsicht ist Juniper eher ein Film der leisen Töne.
Ganz warm ums Herz
Beide Hauptdarsteller machen also die Wandlung ihrer Figuren glaubhaft nachvollziehbar. Als Zuschauer begibt man sich gerne mit ihnen auf diese emotionale Reise, da wie gesagt recht schnell klar ist, welchen Weg der Film einschlägt. Ist man von den meisten Charakteren anfangs noch abgestoßen, schließt man sie im Verlauf der Handlung eigentlich alle ins Herz. Dem einen oder anderen mag Juniper manchmal etwas zu rührselig und sentimental sein. Ganz kalt lassen wird der Film aber niemanden. Neben den Schauspielleistungen kann man sich dabei auch an zahlreichen Aufnahmen traumhafter neuseeländischer Landschaften erfreuen. Einige Szenen mit Charlotte Rampling sind sicherlich die Höhepunkte des Films. Insgesamt erzählt Juniper aber „nur“ eine konventionelle und in ähnlicher Weise schon oft gesehene Geschichte. Das reicht allerdings, um sich gut unterhalten und auch mal ganz warm ums Herz zu fühlen.
OT: „Juniper“
Land: Neuseeland
Jahr: 2021
Regie: Matthew J. Saville
Drehbuch: Matthew J. Saville
Musik: Mark Perkins, Marlon Williams
Kamera: Martyn Williams
Besetzung: Charlotte Rampling, George Ferrier, Edith Poor, Márton Csókás
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