Als ihr Mann bei einem Unfall ums Leben kommt, steht für Lorna Blackledge (Kayli Carter) fest, dass sie über kurz oder lang Unterstützung für sich und Sohn Jimmy brauchen wird. Am Ende fällt die Wahl auf Donnie Weboy (Will Brittain), für den sie zwar nicht viel empfindet, von dem sie aber denkt, dass er sie versorgen wird. Doch es kommt anders. Nicht allein dass er sich als brutal herausstellt und sie sowie den Jungen schlägt. Er zwingt sie auch, gemeinsam mit ihm fortzugehen und fortan bei seiner Familie zu leben. Margaret (Diane Lane) und George Blackledge (Kevin Costner), die Eltern von Lornas verstorbenem Mann, kämpfen währenddessen noch immer mit dem Verlust, den sie einfach nicht überwinden kommen. Als sie erfahren, dass die drei die Gegend verlassen haben, reisen sie ihnen hinterher, in der Hoffnung, das Kind zurückholen zu können. Dabei haben sie jedoch die Rechnung ohne Blanche (Lesley Manville) gemacht, die Mutter von Donnie und Anführerin des Weboy-Clans …
Kampf gegen eine skrupellose Matriarchin
Lass ihn gehen ist einer der vielen Filme, die in den letzten beiden Jahren eigentlich einen Kinostart hätten bekommen sollen, dann aber – wohl in Folge der Corona-Pandemie – in der Versenkung verschwunden sind. Nicht nur dass der Gang in die Lichtspielhäuser ausblieb, bis heute ist zudem keine DVD-Veröffentlichung erfolgt oder auch geplant. Selbst ein Verkauf an die großen Streamingdieste war offensichtlich kein Thema. Stattdessen wurde der Film irgendwann ganz versteckt als plattformübergreifendes Video on Demand auf den Markt gebracht, wo nur wenige davon Notiz genommen haben dürften. Dabei hat die Adaption des Romans Let Him Go von Larry Watson einige Argumente zu bieten, die einen Blick mehr als rechtfertigen würden.
Das offensichtlichste ist dabei natürlich die Besetzung. Im Mittelpunkt stehen dabei die Schauspielgrößen Diane Lane (Die Outsider – Rebellen ohne Grund) und Kevin Costner (Der mit dem Wolf tanzt), die als gramgebeugtes Paar einen Sinn im Leben suchen, nachdem sie ihren Sohn verloren haben. Auf ihren Gesichtern spiegelt sich eine Mischung aus Trauer, Wut und Leere wider, die durch den plötzlichen Tod verursacht wurde. Der nicht ganz so heimliche Star von Lass ihn gehen ist jedoch Lesley Manville (Der seidene Faden), die genüsslich ihre Rolle als fiese Matriarchin auskostet. Ihre Blanche ist eine verkommene Hexe, die mit eiserner Hand über die Familie herrscht. Die erwachsenen Söhnen, die alle noch bei ihr leben, haben sich damit arrangiert, folgen ihrer Königin ohne jegliche Widerworte. Dabei geht sie mit einer Lust an der Konfrontation zur Sache, will in jedem Moment wissen lassen, dass sie und auch nur sie das Sagen hat.
Nicht ganz schlüssiger Themen- und Genremix
Die Söhne sind, beeindruckt von der brutalen Mama, dafür ziemlich nichtssagend. Sie werden zu einer kaum voneinander zu unterscheidenden Masse, bei denen man zum Teil nicht einmal weiß, wie sie heißen. Ein wenig besser sieht es bei Peter Dragswolf (Booboo Stewart) aus, einem jungen Mann mit indigenen Wurzeln, den sie eines Tages kennenlernen. An diesen Stellen demonstrierte Watson, dass er noch etwas weitergehende narrative Ambitionen hatte. So mischt sich in die Geschichte ein Ausflug ins Gesellschaftliche bzw. Historische, wenn das Schicksal des jungen Mannes das seines Volkes ist, welches die Invasoren auszulöschen versuchten, sei es mit Gewalt oder auch über Umwege durch die Unterdrückung der Kultur. Das ist ohne Zweifel ein wichtiges Thema. Es hat nur keinen wirklichen Bezug zu der übrigen Geschichte: Hätte man den Part gestrichen, es wäre niemandem im Publikum aufgefallen.
Allgemein hat Lass ihn gehen so seine Schwierigkeiten, die verschiedenen Themen und Genres unter einen Hut zu bekommen. Im Laufe der rund 110 Minuten schwankt der Film zwischen Trauerdrama und Rachethriller, verbunden mit Elementen des Westerns. Die Konfrontation mit dem Verlust wird mit der Konfrontation zweier Familien verbunden, ohne dass beides eine wirkliche inhaltliche Einheit bieten würden. Spannend ist der Mix dennoch, sowohl in den leiseren Momenten, wenn es um Tod, aber auch Akzeptanz geht, wie auch im späteren Verlauf, wenn die Familienfehde zunehmend eskaliert. Gerade die Skrupellosigkeit der Weboys lässt den Ausgang schön offen werden, wenn es für sie keine Grenzen gibt, denen sie sich verpflichtet fühlen. Beim Kampf um den Jungen ist alles möglich – nur kein Frieden.
OT: „Let Him Go“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Thomas Bezucha
Drehbuch: Thomas Bezucha
Vorlage: Larry Watson
Musik: Michael Giacchino
Kamera: Guy Godfree
Besetzung: Diane Lane, Kevin Costner, Lesley Manville, Kayli Carter, Will Brittain, Booboo Stewart, Jeffrey Donovan
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