Marvin Bosch (Elyas M’Barek) hat es geschafft: Der Schauspieler wurde zu einem der größten Stars Deutschlands. Die Kamera liebt ihn, die Frauen sowieso. Leider aber auch die Boulevardmedien, etwa Bettina Bamberger (Alexandra Maria Lara), die für eine publikumswirksame Schlagzeile alles tun würde. Nach einem verpatzten Interview verschlägt es Bosch in das von Frieda (Lucie Heinze) geleitete feministische Off-Theater „3000“, das kurz vor dem Aus steht. Die Künstlerinnen und Künstler dort können nur wenig mit dem Publikumsmagnet anfangen, gewähren ihm letzten Endes aber Asyl – im Austausch für das dringend benötigte Geld. Gleichzeitig versuchen Sammy (Peri Baumeister) und Hakan (Denis Moschitto) die Geschichte irgendwie zu retten. Einfach ist das nicht, ist ihnen Bamberger doch nach wie vor auf der Spur …
Die Schattenseiten des Ruhms
Kaum ein Beruf ist mit derart vielen idealisierten Bildern verbunden wie der des Schauspielers bzw. der Schauspielerin. Noch immer träumen viele davon, diesen Weg einzuschlagen, in großen Filmen mitzuspielen, dabei berühmt und reich zu werden. Die Realität sieht aber anders aus. Die meisten scheitern bei dem Versuch oder hangeln sich mühselig von einem Engagement zum nächsten. Und selbst wenn man es geschafft hat sich durchzusetzen und wirkliche Karriere zu machen, ist das Ergebnis nicht unbedingt erstrebenswert. Das zumindest zeigt uns Liebesdings, wenn wir hier einem umjubelten Schauspieler durchs Leben folgen, der im Blitzlichtgewitter aus dem Tritt gerät und tief abzustürzen droht.
Dabei geht es jedoch weniger darum, tatsächliche Abgründe aufzuzeigen und von zerstörerischen Schattenseiten des Ruhms zu erzählen, wie es beispielsweise A Star Is Born getan hat. Regisseurin und Drehbuchautorin Anika Decker (Traumfrauen, High Society) will sich der Sache lieber mit Humor annehmen. Genauer legt sie mit Liebesdings eine Komödie vor, die in eine stärker satirische Richtung geht, als man es von der deutschen Filmemacherin gewohnt ist. Dabei nimmt sie nicht nur selbstverliebte Stars ins Visier, die verzweifelt der Anerkennung hinterherlaufen, auch die Medien müssen daran glauben. Vor allem die eiskalte Boulevardjournalistin Bamberger dient als ideales Feindbild, wenn sie skrupellos das Leben von Marvin für sich nutzt, manipuliert ohne Ende und gerne auch mal die Wahrheit verdreht, wenn es der Quote dient.
Aus Spaß wird Ernst
Das ist streckenweise ganz amüsant. Zwar ist das mit der Glaubwürdigkeit so eine Sache. Dass ausgerechnet Anika Decker und Elyas M’Barek das zynische Geschäft mit den Bildern kritisieren, welches sie selbst gezielt bedienen, irritiert. Den Einsatz für ein kleines alternatives Theater nimmt man Leuten nun einmal nicht unbedingt ab, deren Werke selbst auf unbedingten kommerziellen Erfolg geeicht sind. Trotzdem kann man mit Liebesdings schon seinen Spaß haben, zumal das Ensemble sich als sehr spielfreudig zeigt. Klar ist das an den Stellen einiges überzogen, diverse Figuren sind nicht mehr als Karikaturen. Aber der Einsatz der Schauspieler und Schauspielerinnen ist so groß, dass das in der Hinsicht eher genügsame Drehbuch in den Hintergrund rückt.
Dafür zeigt sich Decker an anderen Stellen umso ambitionierter. Nicht nur dass sie ein bisschen krampfhaft versucht, gesellschaftliche Aussagen rund um Diversität und Geschlechterrollen in die Geschichte zu integrieren. Vor allem der Dramateil, der im späteren Verlauf von Liebesdings plötzlich überhandnimmt, wirkt wie ein Fremdkörper, der eigentlich gar nicht dazugehört. Natürlich ist die Liebeserklärung an Freundschaften für sich genommen sympathisch, etwa in den gemeinsamen Szenen von Marvin, Sammy und Hakan, wenn das Gefühl von Vertrautheit entsteht. Auf Teufel komm raus das mit einer tragischen Vorgeschichte verbinden zu wollen, ist jedoch kaum hilfreich. Da fehlte das Auge und das Gespür für eine Balance.
Unentschlossener Mischmasch
Das ist dann auch das größte Problem von Liebesdings: Der Film ist völlig überfrachtet. Bei dem Versuch, alles auf einmal zu erzählen, wird unentwegt zwischen Tonalitäten gewechselt. Es gibt viel zu viele Themen auf einmal: Mal geht es um Medien, dann die Freiheit von Kunst, Feminismus, Traumata und Ängste. Und natürlich soll das hier trotz allem auch eine Liebesgeschichte sein. Offensichtlich konnte oder wollte Decker sich nicht festlegen, was sie eigentlich erzählen will, weshalb sie die ganzen Stapel an Post-its einfach auf einmal abgearbeitet hat. Das bietet dann für alle etwas, darf niemandem weh tun, weshalb ein Erfolg an den Kinokassen mehr oder weniger eine reine Formalität ist. Dennoch ist es schade, dass so viele wichtige Punkte, die hier durchaus angesprochen werden, so lieblos abgearbeitet und am Ende trotz aller progressiver Ansprüche nur Konventionen bedient werden.
OT: „Liebesdings“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Anika Decker
Drehbuch: Anika Decker
Musik: Jean-Christophe Ritter
Kamera: Moritz Anton
Besetzung: Elyas M’Barek, Lucie Heinze, Peri Baumeister, Alexandra Maria Lara, Denis Moschitto, Linda Pöppel, Maren Kroymann, Rick Kavanian, Anna Thalbach, Lucas Reiber, Jochen Schropp, Simon Pearce
Wie sind seine eigenen Erfahrung im Filmgeschäft? Und was können wir aus Liebesdings lernen? Diese und weitere Fragen haben wir Elyas M’Barek im Interview zu seiner neuen Komödie gestellt.
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