Eigentlich wollten Adam Dahl (Eloi Christ) und Tomislav Bogunovic (Kai Müller) nur ganz gemütlich mit dem Zug nach Magdeburg fahren, nachdem das Paar zuvor in Berlin gefeiert hat. Sie unterhalten sich, planen ihre Zukunft, reden darüber die Eltern kennenzulernen. Doch als Christof Oschmann (Helge Tramsen) zu ihnen ins Abteil steigt, kippt die Stimmung völlig. In einem plötzlichen unkontrollierten Anfall schlägt Adam auf den Fremden ein und tötet ihn dabei. Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) übernimmt daraufhin den Fall und tut alles dafür, um das Motiv für die Tat herauszufinden. Doch ausgerechnet dessen Eltern Klaus-Volker (Sven-Eric Bechtolf) und Bianca Dahl (Corinna Kirchhoff) blocken ab, wollen am liebsten nicht über den Fall reden …
Die Suche nach dem Motiv
Eines muss man Black Box ja lassen: Der Film startet mit einem Knall. Im einen Moment plaudern die beiden Männer noch fröhlich über die Zukunft und ihre Beziehung. Im nächsten rastet einer von ihnen komplett aus und tötet in einem plötzlichen Anfall einen harmlosen Mitreisenden. Wer dieser ist, bleibt dabei zunächst ein Rätsel. Ebenso was den jungen Mann dazu veranlasst haben könnte, auf einmal so auszuticken. Das unterscheidet den Film auf Anhieb von den meisten anderen der ARD-Krimireihe Polizeiruf 110. Wo diese in den meisten Fällen von der Suche nach dem Täter oder der Täterin handeln, da steht dieser hier bereits fest, noch bevor die Geschichte wirklich anfängt. Die zentrale Frage nach dem „wer“ wird durch eine nach dem „warum“ ersetzt.
Die naheliegendste Vorgehensweise in einem solchen Fall ist natürlich, die betreffende Person einfach zu fragen. Wäre es aber so einfach, hätte der Krimi nichts zu erzählen. Und so muss der Täter dann auch an einer partiellen Amnesie leiden, damit es doch noch zu einer Spurensuche kommt. Polizeiruf 110: Black Box erinnert damit ein wenig an Tatort: Flash neulich, wo es ebenfalls um die Rekonstruktion eines verlorenen Gedächtnisses ging. Nur dass dort eine Demenz den Zugang zur Vergangenheit verhindert, kein Trauma. Dabei ist von Anfang an klar, dass der Zwischenfall in einem Zusammenhang mit einer früheren Geschichte stehen muss, die dann das eigentliche Motiv liefert. Das Publikum darf also doch noch rätseln und grübeln.
Viele Wege führen in den Unsinn
Diese Dopplung zweier Verbrechen, von denen eines noch nicht mal bekannt ist, eignet sich schon für einen spannenden Krimi. Drehbuchautorin Zora Holtfreter (In Wahrheit: Unter Wasser) legt hier wie in einem regulären Genrevertreter viele kleine Hinweise, die in die unterschiedlichsten Richtungen zeigen. Klar ist nur, dass der vermeintliche Fremde auf irgendeine Weise doch bekannt gewesen sein muss und die Eltern von Adam etwas zu verbergen haben. Polizeiruf 110: Black Box lässt an beidem keine Zweifel. Und auch dass Vater Dahl das mit den Regeln und Gesetzen nicht ganz so ernst nimmt, wird früh verraten. Drohungen, dubiose Deals, vielleicht noch ein bisschen Korruption – der ehemalige Polizist wird derart fragwürdig beschreiben, dass eine Mitschuld an dem Verbrechen bereits vorgeschrieben ist.
Dass sich der Film nie wirklich von den Eltern fortbewegt und keine nennenswerten Alternativen anbietet, ist dabei kein wirkliches Problem. Schwerer wiegt die Auflösung an sich: Offensichtlich wollte man bei Polizeiruf 110: Black Box eine möglichst große Überraschung und damit einhergehend zahlreiche Wendungen, Glaubwürdigkeit stand weniger weit oben auf der Prioritätenliste. Das Ergebnis ist nach dem langen, vorsichtigen Aufbau und den stimmungsvollen Szenen zu Beginn recht enttäuschend, weil umständlich konstruiert und inhaltlich kaum überzeugend. Obwohl Claudia Michelsen wieder sehr engagiert mitspielt, vor der TV-Krimi-Sommerpause wäre ein stärkerer Titel schön gewesen.
OT: „Polizeiruf 110: Black Box“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Ute Wieland
Drehbuch: Zora Holtfreter
Musik: Oli Biehler
Kamera: Eeva Fleig
Besetzung: Claudia Michelsen, Felix Vörtler, Pablo Grant, Eloi Christ, Kai Müller, Sven-Eric Bechtolf, Corinna Kirchhoff, Susanne Böwe
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