In seiner Jugend war er Zeuge eines homophoben Verbrechens, was Malik (Jeffrey Bower-Chapman) bis heute, im Jahre 1995, traumatisiert und beschäftigt, und weshalb es ihm schwerfällt, seinen Mitmenschen zu trauen. In Aaron (Ari Cohen) hat er jedoch einen Partner gefunden, dem er dieses Vertrauen schenken kann und den er liebt, sodass die beiden schließlich heiraten und beschließen, zusammen mit Aarons 16-jähriger Tochter Kayla (Jennifer Laporte), in einer kleinen Gemeinde einen Neustart zu beginnen. Auch für Maliks Partner ist dies eine Chance, denn seine letzte Ehe endete in einem Rosenkrieg und in der Entfremdung zwischen Kayla und ihrer Mutter, die sich abgesetzt hat mit ihrer Abfindung und von ihrer Tochter nun nichts mehr wissen will. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das Städtchen, in das es die drei verschlägt, und die ersten Eindrücke sind mehr als positiv, denn nicht nur hat Aaron eine gute Verbindung zu seiner alten Arbeitsstätte, auch Malik kann seine Tätigkeit als Journalist von Zuhause aus durchführen und hat die dafür nötige Ruhe. Kayla hat schon bald nicht nur einen Job gefunden, sondern in dem attraktiven Tyler (Ty Wood), dem Sohn ihres Nachbarn Marshal (Lochlyn Munro), jemanden, der sie das Stadtleben in New York City vergessen macht.
Jedoch täuscht die Ruhe, denn nachdem Malik eine seltsame Gestalt in ihrem Garten beobachtet hat, kommt es zu einem Einbruch in ihrem Haus, in dessen Folge die Einbrecher homophobe Beleidigungen an den Wänden hinterlassen. Mit ein wenig Farbe und einer Ausrede gelingt es Mailk, Aaron und Kayla gegenüber dieses Ereignis zu verbergen, doch seine Angst vor einem ähnlichen Übergriff wie in seiner Jugend kommt wieder hoch und Erinnerungen sowie Albträume machen ihn zunehmend nervös. Als im dann auch noch jener seltsame Besucher im Garten eines Nachts eine mysteriöse Notiz zukommen lässt, ist Malik vollends beunruhigt. Zugleich beginnt sich Malik für die Vergangenheit der Gemeinde, in der sie leben, zu interessieren und macht hierbei erschreckende Entdeckungen. Weder Aaron noch Kayla hingegen scheinen ihm zu glauben, meinen, dies hänge lediglich mit seinem Trauma und der damit verbundenen Paranoia zusammen. Schon bald hingegen wird die Homophobie der Gemeinde mehr als deutlich und Malik meint, eine Verbindung gefunden zu haben zu einem Ritual, in dessen Zentrum er, sein Partner und Kalya stehen.
Was real ist und was nicht
Bereits 2019 konnte Spiral – Das Ritual auf dem Arrow Frightfest seine Premiere feiern und sich in der Folge sowohl vonseiten der Kritik als auch des Publikums über sehr positive Rückmeldungen erfreuen. Abermals geht es dem kanadischen Regisseur Kurt David Harder um das Thema Identität, die eines Menschen, aber auch die einer Kultur oder einer Gemeinde, welche nie festgelegt zu sein scheint und sich immer wieder zu ändern scheint. Bedenkt man zudem, in welcher Weise Spiral sich mit Themen wie Homophobie auseinandersetzt und diese zugleich ins Zentrum der Geschichte stellt, ist es verständlich, wenn Harder trotz all des Lobes für seinen Film hofft, dass dieser in ein paar Jahren als effektiver Horrorfilm in Erinnerung bleiben wird, aber nicht mehr als so relevant.
Diese Hoffnungen des Regisseurs sind wohl leider nicht realisierbar, denn trotz der Tatsache, dass Spiral in den 1990er spielt, wirkt vieles in der Geschichte doch sehr zeitgemäß. Bedenkt man, dass einer der Helden nicht nur schwul ist, sondern auch noch ein Afroamerikaner, ergeben sich zudem noch ganz andere Assoziationen, auf die Harder mit seinem Film anspielt. Während in anderen Produktionen „das Andere“ immer jenes Element ist, was die Helden fürchten oder vor dem sie fliehen, scheinen nun Malik und Aaron jenes „Andere“ zu sein, was einfach nicht in diese konservative Wertegemeinschaft passen will. Die Diskrepanz in den Erfahrungen der beiden Männer, das Trauma Maliks und die etwas naive Gutgläubigkeit Aarons, nutzt das Drehbuch Colin Minihans und John Poliquins für eine sehr interessante Wendung eines bekannten Genre-Narrativs, nämlich der Unsicherheit, ob man sich etwas nur einbildet oder eine Angst durchaus begründet ist. Jeffrey Bower-Chapmans Malik wirkt wie ein Wiedergänger von Daniel Kaluuyas Chris in Jordan Peeles Get Out, der sich, wie auch der Zuschauer, in einem Dilemma wiederfindet, ob bestimmte, als beunruhigend wahrgenommene Dinge nicht viel mehr das Resultat seiner Angst und des Traumas sind.
Ein grausames Ritual
Insgesamt mag man die zeitgemäße Thematik als etwas dick aufgetragen ansehen, doch viel von seiner Effektivität erhält Spiral durch seine Darsteller. Neben dem bereits erwähnten Bower-Chapman ist es auch dessen Zusammenspiel mit Ari Cohen oder Lochlyn Munro, der hier eine der wenigen Gelegenheiten erhält, sein Talent als Darsteller in eben solchen Produktionen und Rollen zu zeigen. Insbesondere der zusehende Verfall des Helden, der sich als Opfer einer Gemeinschaft oder eines grausamen Rituals sieht, oder eben eines Traumas aus der Jugend, ist gut gespielt und dramaturgisch gut umgesetzt. Der Wegfall jeglicher Sicherheiten und Rückzugsmöglichkeiten, betont durch die Bilder von Kameramann Bradley Stuckel, begleitet diesen Auflösungsprozess und macht Spiral, trotz des teils etwas aufgesetzten Metaphorik, sehr spannend.
Eine weitere Komponente der Inszenierung, die bereits angedeutet wurde, sind die Räume. Den Auflösungsprozess des Protagonisten begleitend steht die zunehmende Aggressivität der Gemeinde, die subtil und wenig augenscheinlich am Anfang ist, doch mit der Zeit deutlicher in den Vordergrund tritt. Durch diese visuellen und inszenatorischen Aspekte etabliert Spiral noch viel eher jene Aktualität und diesen Schrecken eines Menschen, der sich in eine Ecke gedrängt fühlt und der immerzu fühlt, dass man er oder sie nicht willkommen ist.
OT: „Spiral“
Land: Kanada
Jahr: 2019
Regie: Kurtis David Harder
Drehbuch: Colin Minihan, John Poliquin
Musik: Avery Kentis
Kamera: Bradley Stuckel
Besetzung: Jeffrey Bower-Chapman, Ari Cohen, Lochlyn Munro, Chandra West, Jennifer Laporte, Ty Wood
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)