Eigentlich wollten Giovana (Renata de Lélis) und Yago (Eduardo Mendonça) nur unverbindlichen Sex. Ein bisschen Spaß miteinander haben und danach wieder getrennte Wege gehen. Doch es kommt anders: Aus heiterem Himmel erscheint eine rosafarbene Wolke, die den Menschen den Tod bringt, wer sich längere Zeit draußen aufhält. Die Regierung spricht sofort eine Warnung aus, dass alle im Inneren Schutz suchen sollten. Und so sind Giovana und Yago erst einmal gezwungen, noch ein wenig länger zusammenzubleiben. Was nur eine einzelne Nacht hätte sein sollen, wird auf diese Weise zu Tagen. Aus Tagen werden Wochen. Und auch wenn die Menschen daheim dank ausgeklügelter Technik versorgt werden, müssen sie sich irgendwann der Frage stellen: Was wenn sie nie wieder die Wohnung verlassen können?
Unheimlich bekannte Gefahr
Wenn ein Ereignis die Menschheit in einem derart starken Maße beeinflusst wie das der Corona-Pandemie, ist es nicht wirklich eine Überraschung, wenn sich weltweit Filmschaffende dieses Themas annehmen. Manche versuchen das auf eine vergleichsweise realistische Weise wie etwa die Komödie 8 Rue de l’Humanité um die Leute, die in einem Mehrfamilienhaus gefangen sind und dabei kräftig aneinander geraten. Songbird versuchte, aus der Weltuntergangsstimmung Kapital zu schlagen und betonte die dystopischen Elemente der Situation. Noch unheimlicher sind aber die Titel, die eigentlich überhaupt keinen Bezug zu Corona hatten, da sie bereits zuvor entstanden sind – wie etwa die deutsche Killer-Virus-Serie Sløborn. Und auch bei The Pink Cloud sind die Parallelen zu der Außenwelt so offensichtlich, dass vorab ein Textkasten darüber informiert, die Geschichte sei bereits 2017 geschrieben, der Film 2019 gedreht worden.
Den Film zu beurteilen, ohne dabei an die eigenen Erfahrungen denken zu müssen, ist nahezu unmöglich. Zu sehr ähnelt der Alltag der beiden dem, den praktisch alle in den vergangenen Jahren durchgemacht haben: die Videokonferenzen, die Lockdowns, die Monotonie, die Einsamkeit. Anhänger und Anhängerinnen von Verschwörungstheorien werden allein schon wegen der Gemeinsamkeiten ihre helle Freude an The Pink Cloud haben. Zumal man hier auch immer wieder das Gefühl hat, dass die Regierung etwas mit der Sache zu tun haben könnte. Die Kommunikation mit der Bevölkerung ist lausig, die Regeln teils willkürlich. Außerdem: Irgendwo her muss die Wolke ja gekommen sein. Was wenn wir alle kontrolliert werden sollen? Immerhin lässt der Film keinen Zweifel daran, dass die Wolke tatsächlich tödlich ist.
Mehr Drama als Mystery-Thriller
Ihr Ursprung wird hingegen nie wirklich verraten. Wer sich von The Pink Cloud angesichts des Szenarios einen spannenden Mystery-Thriller erhofft, bei dem finstere Geheimnisse gelüftet werden, der ist hier an der falschen Adresse. Vieles bleibt bewusst vage. Anstatt sich um die äußeren Umstände zu kümmern, konzentriert sich die brasilianische Regisseurin und Drehbuchautorin Iuli Gerbase ganz aufs Private. Von der Außenwelt erfahren wir nur noch durch Nachrichten, alternativ durch Gespräche mit anderen. Es ist die Welt des Paares, das eigentlich keins ist, welches die Nachwuchsfilmemacherin interessiert. Wie gehen zwei Leute damit um, aneinander gefesselt zu sein? Umso mehr, wenn sie eigentlich nicht viel gemeinsam haben, von der anfänglichen sexuellen Lust aufeinander einmal abgesehen.
Gerbade hat dabei auch einiges zu sagen und zu hinterfragen. Ein Thema ist beispielsweise das von Geschlechterrollen, wenn Giovana – auch hier zeigt sich eine Parallele zur Corona-Pandemie – wieder in die traditionelle Frauenrolle gedrängt wird. Dennoch: So ganz befriedigend ist das Drama, welches 2021 bei Sundance Premiere feierte und anschließend auf zahlreichen anderen Festivals zu sehen war, nicht. Die Monotonie, mit der sich die beiden herumplagen, überträgt sich mit der Zeit auch auf den Film selbst. Die mäßige deutsche Synchro macht die Sache nicht unbedingt besser. Dass The Pink Cloud kein Interesse an der Auflösung hat, ist zwar legitim. Das Thema im weiteren Verlauf aber derart beiseite zu schieben, ist schon schade, der Film ist gegen Ende nicht mehr als das Porträt eines Paares, das nicht zusammenpasst. Das kommt natürlich vor, andauernd sogar. Dieses hier ist aber nicht so spannend, dass es allein einen ganzen Film tragen kann.
OT: „A Nuvem Rosa“
Land: Brasilien
Jahr: 2021
Regie: Iuli Gerbase
Drehbuch: Iuli Gerbase
Musik: Caio Amon
Kamera: Bruno Polidoro
Besetzung: Renata de Lélis, Eduardo Mendonça
Sundance Film Festival 2021
Filmfest München 2021
Toronto International Film Festival 2021
Sitges 2021
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)