In der Amazon Prime Video Serie Damaged Goods (Start: 11. Juli 2022 ) treffen wir fünf junge Menschen, die alle auf irgendeine Weise gerade eine Krise durchmachen oder sich entscheiden müssen, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Zum Glück sind sie Krisensitzungen aber schon gewohnt, haben sie sich doch als Jugendliche bei gemeinsamen Therapiesitzungen kennengelernt und sind seither eng miteinander befreundet. Wir haben uns auf dem Filmfest München 2022, wo die Serie ihre Premiere feierte, mit Tim Oliver Schultz getroffen, der einen der fünf aus dieser Freundesclique spielt, und ihn ihm Interview zu Freundschaften und einem Leben in der Öffentlichkeit befragt.
Was hat dich an Damaged Goods gereizt? Warum wolltest du die Serie drehen?
Wegen der Bücher. Ich musste viel lachen, als ich die gelesen habe. Außerdem war es für mich eine Herausforderung, jemanden zu spielen, der so anders ist als ich gerade auch beim Umgang mit Frauen. Ich war mein Leben lang immer in Beziehungen, bin also ein klassischer Beziehungstyp. Mads überhaupt nicht. Er ist der Typ Fuckboy. Ein Begriff, von dem ich bis vor kurzem gar nicht wusste, dass es ihn wirklich gibt. So jemanden zu verkörpern und trotzdem als sympathisch und liebenswert darzustellen, mit all seinen Abgründen, Ängsten und auch Leidenschaften, das war für mich spannend. Deswegen habe ich sehr schnell zugesagt.
Warum fällt es ihm denn so schwer, eine längere Beziehung mit einer Frau einzugehen? Wir lernen Mads auch im Freundeskontext kennen und sehen dort, dass ihm längerfristige zwischenmenschliche Beziehungen schon wichtig sind und er diese auch pflegt.
Das stimmt. Bei ihm ist es so, dass seine Eltern früh schon Probleme hatten. Der Vater hatte sich nicht gebunden und hat das an seinen Sohn weitergegeben. Wir alle haben Eigenschaften unserer Eltern mitbekommen, die uns bis heute beeinflussen, beeindrucken und prägen. Bei Mads ist es die Schwierigkeit sich zu binden. Er will sich Frauen gegenüber nicht öffnen, aus Angst dabei verletzt zu werden.
Eure Serie trägt den Titel Damaged Goods. Würdest du denn sagen, dass die fünf Figuren kaputt sind?
Nein, so weit würde ich nicht gehen. Sie haben aber alle Damaged Goods in sich. Es geht in unserer Serie darum, sich mit diesen auseinanderzusetzen: Was ist in mir drinnen los? In Friends oder How I Met Your Mother treffen wir Leute, die alle doch recht glücklich sind, selbst wenn sie ihre Macken haben. Bei uns geht es damit erst richtig los. Die Figuren werden aus der Uni geschmissen oder haben Chlamydien und müssen einen Weg finden, mit diesen Situationen umzugehen. Die Herausforderung bei der Serie war, solche Situationen, aber auch Themen, die Millennials heute umtreiben wie Diversität und queere Themen, aufzugreifen und die Comedy darin zu finden.
Kennengelernt haben sich die fünf bei Therapiesitzungen, die sie vor Jahren gemacht haben. Der Begriff Therapie impliziert bei vielen immer noch: Da ist etwas verkehrt mit jemandem. Da ist etwas nicht normal. Dabei sind die Themen der fünf eigentlich recht alltägliche.
Total! Ich weiß auch nicht, wie viele Menschen es gibt, die von sich wirklich behaupten würden, normal zu sein oder normal sein zu wollen. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren die Angst vor einer Therapie immer mehr gesunken ist. Das würde ich auch sehr begrüßen, dass die Leute das nicht mehr als Tabu ansehen und dass sie erkennen: Es ist völlig selbstverständlich, dass wir alle unsere Probleme haben. Und natürlich kann es sehr helfen, sich mit jemandem zu unterhalten, der sich mit der Psyche auskennt, anstatt allein in seinem dunklen Kämmerlein damit zu kämpfen.
Die gemeinsamen Therapiesitzungen liegen in Damaged Goods bereits Jahre zurück. Dennoch sind die fünf enge Freunde geblieben. Was hält sie zusammen?
Wenn man sich in einer Therapie so sehr öffnet und miteinander und voreinander über die inneren Vorgänge spricht, dann schweißt das total zusammen. Die Figuren waren 14, 15, als sie sich über den Weg gelaufen sind, und sie haben sich gegenseitig während einer sehr schwierigen Phase in ihrem Leben kennengelernt. Sie haben sich auch durch diese Phase geholfen und dabei ihre Sympathie füreinander entdeckt. So etwas bleibt, selbst Jahre später. Das merke ich auch an Filmdrehs: Wenn man sein Inneres so sehr nach außen kehrt und seinen inneren Dämon hervorholt und mit diesem am Set herumläuft, wächst man als Filmcrew zusammen. Natürlich müssen die Persönlichkeiten aber auch passen. Und das tun sie in der Serie: Sie alle haben Eigenschaften, die sich ergänzen und ihre Freundschaft bereichern.
Welche wären das bei Mads? Was trägt er zu der Clique bei?
Er kann motivieren. Er hat sehr viel Energie und macht aus lauter Kleinigkeiten das Beste. Seine Qualität ist, etwas zu nehmen und daraus eine wunderschöne kleine Vase zu schaffen. Er braucht insgesamt nicht viel im Leben. Eine große Karriere ist ihm ebenso wenig wichtig wie Geld. Das, was er hat, reicht ihm auch. Die Sache mit der Work-Life-Balance hat er schon ziemlich raus, was heute immer weniger selbstverständlich ist.
Ganz allgemein: Was braucht es für solche langjährigen Freundschaften?
Dass man sich sein lässt, würde ich sagen. Dass man sich akzeptiert, sich zuhört und sich Raum gibt. Ich finde es auch immer wichtig, dass man sich traut, nach Hilfe zu fragen, und es ein Gleichgewicht aus Geben und Nehmen gibt. Ehrlichkeit ist wichtig, gerade auch dann, wenn es schwieriger wird, und man nicht einfach so tut, als wäre alles in Ordnung. Ich habe einen besten Freund, den ich kenne, seitdem wir ein Jahr alt sind. Klar lebt man sich zwischendurch auch mal auseinander. Aber wir haben immer wieder zusammengefunden, weil wir auf diese Weise komplett sind. Das heißt nicht, dass wir ohne einander nur halbe Menschen wären. Aber wir ergänzen uns ziemlich gut und können es wertschätzen, wie gut wir uns gegenseitig tun.
Wir kennen das alle aus unserer Schulzeit, dass Freundschaften oft entstehen, indem man viel von seinem Alltag miteinander verbringt. Dein Beruf als Schauspieler bringt es aber mit sich, dass du viel unterwegs bist und diesen Alltag so dann gar nicht mehr hast. Wie funktionieren Freundschaften, wenn man ein solches Leben führt?
Du brauchst Freunde, die das verstehen und die damit umgehen können. Du musst dich selbst auch darauf verlassen können, dass dieses Verständnis da ist. Bei mir ist es so, dass ich Schauspieler bin, seitdem ich zwölf bin. Ich war schon zur Schulzeit viel unterwegs. Nach der Schule dann sowieso. Das ist schwierig ehrlich gesagt. Ich habe da nie drüber nachgedacht, dass das einfacher ist Freundschaften zu pflegen, wenn man immer einen Arbeitsort und einen Wohnort hat. Es kann schon sein, dass mein Beruf seinen Anteil daran hat, dass vieles bei mir etwas anders läuft, weil eben dieser Alltag fehlt.
In Damaged Goods ist es so, dass Nola diesen Alltag mit der Clique für ihren Podcast benutzt. Als Schauspieler ist es bei dir ja auch so, dass Außenstehende großes Interesse an deinem Privatleben haben. Hattest du je die Befürchtung, dass Leute aus deinem Umfeld das ausplaudern könnten?
Nein, hatte ich nie. Ich habe ein gewisses Urvertrauen anderen Menschen gegenüber. Mir hat ein älterer Kollege vor Kurzem geraten, niemals eine Home Story zu machen, zu verraten, wo ich wohne, oder meine Telefonnummer zu geben. Ich solle immer skeptisch bleiben. Das will ich aber nicht. Ich will niemand sein, der bei anderen immer das Schlechte erwartet. Ich bin bei meinem Beruf angetreten, um mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten. Und dafür braucht es Vertrauen. Ich muss dir vertrauen, dass wenn ich dir nach dem Interview noch etwas Persönliches aus meinem Privatleben erzähle, das nicht morgen in der Zeitung steht. Wie furchtbar muss ein Leben sein, wenn du auf kein Date mehr gehen kannst, ohne zu befürchten, dass im Anschluss alles ausgeplaudert wird? Ich gehe lieber davon aus, dass mir die Menschen etwas Gutes wollen, und riskiere, dass es anders ist, als von vornherein davon auszugehen, dass alles schlecht laufen wird. Da bin ich von meiner Art her wohl zu sehr Optimist.
Wie fühlt es sich allgemein an, wenn ständig irgendwelche wildfremden Leute etwas aus deinem Leben wissen wollen?
Ich bin das inzwischen gewöhnt. Da sind manchmal natürlich schon auch komische Fragen dabei, die von wenig Empathie zeugen. Wenn die Leute wirklich interessiert sind, bin ich auch bereit, wie mit dir zu reden. Aber ich kann schon auch genervt sein, wenn man mir irgendwelche blöden Fragen stellt. Ganz seltsam sind auch Leute, die auf dich zugehen und dir sagen, wie schlecht sie dich oder deine Arbeit finden. Die unbedingt wollen, dass du weißt, wie schlecht sie dich finden.
Letzte Frage: Welche Projekte stehen bei dir als nächstes an?
Ich drehe gerade Manta Manta 2, wo ich den Sohn von Bertie und Uschi spiele. Das ist für mich eine wirklich große Sache, die mir auch sehr viel Spaß macht. Ich bin mit dem Film groß geworden und ein Freund hatte die VHS-Kassette des Films, die wir ständig geschaut haben. Deswegen habe ich mich schon sehr gefreut, bei der Fortsetzung mitmachen zu dürfen und war am ersten Drehtag total aufgeregt. Im August bin ich außerdem in Der junge Häuptling Winnetou zu sehen. Da freue ich mich auch sehr, ihn endlich in der fertigen Fassung zu sehen und ihn dem Publikum zeigen zu dürfen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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