Die französische Controllerin Alexandra Pacquart (Karin Viard) ist es gewohnt, der Arbeit wegen immer wieder umzuziehen und woanders von vorne anzufangen – sehr zum Leidwesen ihres Mannes Bertrand (Charlie Dupont) und der beiden Kinder Camille (Nola Blossom) und Victor (Simon Ayache), die lieber in Hongkong geblieben wären. Stattdessen steht nun Tokio auf dem Reiseprogramm. An Arbeit mangelt es ihr dort nicht. Trotz der tatkräftigen Unterstützung ihrer Assistentin Kimiko (Yumi Narita) und des Praktikanten Amani Sassou (Stéphane Bak) ist sie so sehr eingespannt, dass für Privates kaum Zeit bleibt. Hinzu kommt, dass die Bank selbst schon länger kriselt und ihr Vorgesetzter Dominique Besse (Philippe Uchan) nur für die eigene Karriere arbeitet. Dabei wäre bald Zusammenhalt sehr wichtig, als im März 2011 die Erde bebt und sich eine Katastrophe anbahnt …
Eine folgenreiche Katastrophe
Auch wenn es natürlich rein auf die Zahl der Todesopfer bezogen noch verheerendere Katastrophen gab als das Erdbeben und der daraus entstehende Tsunami, welche Japan im März 2011 bis in die Grundfesten erschütterten, kaum eine war folgenreicher. Weltweit war man sich plötzlich der Gefahren der Kernkraft wieder bewusst, nachdem das Jahrzehnte lang kein wirkliches Thema mehr war. In vielen Ländern, darunter eben auch Deutschland, stieg man aus dieser Form der Energieerzeugung aus, so schnell es nur eben ging. Kein Wunder also, dass es in den Jahren danach immer wieder Filme gab, welche die Ereignisse aufgriffen. Vor allem Japan musste das Trauma irgendwie verarbeiten: Neben einer ganzen Reihe von Dokus erschien beispielsweise das Drama Fukushima über die Männer, welche die Katastrophe im Reaktorraum zu verhindern versuchten.
Eine ganz andere Perspektive liefert das im ZDF ausgestrahlte Tokio bebt. So wird das französisch-belgische Drama aus Sicht einer Ausländerin geschildert, die während eben jener Katastrophe in der japanischen Hauptstadt war. So etwas kann schnell etwas heikel sein, wenn der Eindruck vermittelt wird: Eine Katastrophe ist erst dann relevant, wenn jemand aus dem Westen direkt betroffen ist. The Impossible fällt einem da beispielsweise ein. Regisseur und Co-Autor Olivier Peyon umgeht diese Falle aber und holt stattdessen zum Rundumschlag aus. So ist eine der schockierendsten Erkenntnisse aus seinem Film, dass sich die französische Bank in erster Linie für die französische Belegschaft interessiert. Als es darum geht, die Menschen zu evakuieren, sollen die japanischen Angestellten ebenso wie andere Nationalitäten doch sehen, wo sie bleiben.
Die Suche nach der richtigen Antwort
Überhaupt kommt hier fast niemand gut weg. Ob es nun das Unternehmen ist, die Finanzwelt im Allgemeinen oder auch die japanische Politik, die alles unter den Teppich kehren möchte: Man darf bei Tokio bebt schon an der Menschheit verzweifeln. Natürlich gibt es Ausnahmen. Diese lassen sich aber eher in der zweiten Reihe finden. Und auch Alexandra ist zumindest bemüht, das Richtige zu tun, selbst wenn sie keine Ahnung hat, was dieses Richtige sein soll. Damit einher gehen diverse interessante ethische Fragen, an denen sich das Publikum abarbeiten kann. Es gelingt der bekannten französischen Schauspielerin Karin Viard (Dann schlaf auch du, Der Ursprung der Welt) auch gut, diese Zerrissenheit aufzuzeigen, wenn ihre Figur zwischen der Verantwortung für sich und ihre Familie sowie der zu anderen Menschen schwankt.
Richtige Antworten oder anderweitige tatsächlich neue Erkenntnisse gibt es darauf zwar nicht. Vieles bleibt da eher allgemein und schematisch. Von der Katastrophe selbst sollte man sowieso nicht zu viel erwarten. Da Tokio bebt, wie der Titel bereits verrät, allein in Tokio spielt, ist keine der Figuren direkt betroffen. Auch vom Ausläufer des Erdbebens, welches die Metropole erreicht hat, blieb nicht viel zurück. Dennoch ist das Drama sehenswert. Zum einen erinnert es an die dramatischen Stunden, als die ganze Welt voller Angst in den fernen Osten blickte. Zum anderen werden in der größten Not ganz alltägliche menschliche Verhaltensweisen offenbar, wie so oft in Katastrophenfilmen, die fast noch erschreckender sind als die gleichgültigen Naturgewalten, die über uns hinwegfegen und plötzlich wieder ganz klein fühlen lassen.
OT: „Tokyo Shaking“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2021
Regie: Olivier Peyon
Drehbuch: Olivier Peyon, Cyril Brody
Musik: Manuel Roland
Kamera: Alexis Kavyrchine
Besetzung: Karin Viard, Stéphane Bak, Yumi Narita, Philippe Uchan, Jean-François Cayrey, Emilie Gavois-Kahn, Charlie Dupont, Nola Blossom, Simon Ayache, Yoshi Kuremura
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