Eigentlich hat der Auftragsmörder Ladybug (Brad Pitt) ja irgendwie genug von seiner Arbeit. Ständig nur andere Menschen ermorden, das zehrt an der Substanz. Zumal er auch immer ein wenig vom Pech verfolgt wird. Aber der neue Job soll ganz einfach sein, so heißt es zumindest: in einen Schnellzug einsteigen, der auf dem Weg von Tokio nach Kioto ist, und dort einen Aktenkoffer mitnehmen. Was kann da schon schief gehen? Jede Menge, denn die beiden Kollegen Tangerine (Aaron Taylor-Johnson) und Lemon (Brian Tyree Henry) sollen eben diesen Aktenkoffer zum Gangsterboss White Death (Michael Shannon) bringen, zusammen mit dessen Sohn (Logan Lerman). Außerdem treibt sich noch der japanische Killer (Yuichi Kimura) an Bord des Zuges herum, der seinen eigenen Sohn rächen will und dabei auf ein geheimnisvolles Schulmädchen (Joey King) stößt …
Ein Zug voller Spannung(en)
So ein Zug ist je nach Perspektive ein sehr bequemes oder ein sehr umständliches Fortbewegungsmittel, das einen theoretisch in kurzer Zeit an weit entfernte Orte bringen kann. Er ist aber auch ein dankbares Setting für Filme. Ob nun der Agatha Christie Klassiker Mord im Orient-Express, das Zombie-Spektakel Train to Busan oder auch der Actionthriller The Commuter, immer wieder dienten die Fahrzeuge als Hintergrund für spannende Geschichten. Insofern steht Bullet Train in einer durchaus vorzeigbaren Tradition, wenn hier ein japanischer Schnellzug zum Schauplatz zahlreicher Verbrechen wird. Tatsächlich erinnert der Film in mehrerer Hinsicht an die oben genannten Werke – so wie viele andere auch. Vor allem Quentin Tarantino scheint Pate gestanden zu haben. Aber das muss ja erst einmal nicht verkehrt sein, solange gut geklaut wurde.
Das darf man Bullet Train durchaus zugestehen. Dabei waren die Erwartungen trotz des Star-Ensembles im Vorfeld eher bescheiden gewesen. „Zu generisch“ lautete ein häufiger Kritikpunkt, basierend auf dem Trailer. Auch an den Spezialeffekten ließ man kein gutes Haar. Beides ist nach Sichtung des Films zwar nach wie vor nicht von der Hand zu weisen. Es fällt aber nicht so sonderlich stark ins Gewicht. Die Spezialeffekte kommen beispielsweise größtenteils nur ganz zum Schluss zum Einsatz, wenn es Regisseur David Leitch so richtig krachen lassen will. Da ist so manche Entgleisung drin. Und natürlich ist praktisch nichts an dem Film wirklich originell. Das meiste hat man in der einen oder anderen Form doch schon mal gesehen. Wenn hier ein halbes Dutzend Killer und Killerinnen unterwegs ist, dann kommt einem das nicht nur wegen der Prominenz der Schauspieler und Schauspielerinnen bekannt vor.
Harte Kämpfe, überdrehte Figuren
Dass dies dennoch aufgeht, ist zu einem guten Teil eben diesem Ensemble zu verdanken, das sich völlig in seine gnadenlos überzeichneten Figuren stürzt. Ob es die ständigen Streitereien der „Zwillinge“ Lemon und Tangerine sind oder Running Gags wie Ladybugs Auslassungen zu Glück und Pech, hier haben sie praktisch alle irgendwelche Macken. Zu den Höhepunkten in Bullet Train zählen dabei die ständigen Wandel des vermeintlichen Schulmädchens, verkörpert von dem Shootingstar Joey King (The Princess, The Kissing Booth), das auf zynisch-brutale Weise Leute manipuliert. Abgerundet wird der gut aufgelegte Haufen durch eine ganze Reihe von Gastauftritten, die oft nur wenige Sekunden dauern und dennoch durch die diversen absurden Einfälle positiv in Erinnerung bleiben.
Dabei ist Bullet Train aber keine reine Blödelkomödie um bescheuerte Auftragsmörder. Stattdessen geht es hier ganz ordentlich zu Sache. Es dauert eine Weile, bis die ganzen Figuren in dem Mikrokosmos Zug positioniert sind, sodass es wirklich losgehen kann mit dem Kleinkrieg. Zumal im weiteren Verlauf immer wieder neue hinzukommen. Wenn sie dann aber endlich mal den Kampf aufnehmen dürfen, bleibt keine Kleidung ohne fiese Blutflecken – und kein Auge trocken. Die Art und Weise, wie Regisseur David Leitch (John Wick, Atomic Blonde) banalste Einrichtungsgegenstände zu tödlichen Waffen umfunktioniert, ist gleichermaßen unterhaltsam wie beeindruckend. Gerade auch weil Hollywood inzwischen Action mit Greenscreen und Schnittgewitter gleichsetzt, tun solche tatsächlich körperbetonten Kämpfe ganz gut.
Zwischen Stillstand und Höchsttempo
Ohne Fehler ist der Film dabei nicht. Zum einen ist er mit über zwei Stunden dann doch etwas lang geraten, zwischendurch kommt es zu der einen oder anderen Länge, auch weil man sich von den Figuren nie trennen mag. Da fühlt man sich manchmal in einer Endlosschleife gefangen. Dafür werden andere Punkte sehr abrupt abgebrochen, wenn manche Themen oder Handlungsstränge auf einmal verschwinden, ohne dass es zu einem Abschluss gekommen wäre. Doch trotz dieser kleinen Schwächen ist Bullet Train gleich in mehrfacher Hinsicht eine schöne Überraschung. Das gleichzeitig weitläufige, fast labyrinthartige und doch sehr beengte Setting in Verbindung mit einem Wust unterschiedlicher Parteien, die alle ihre eigene Agenda verfolgen, sorgt für Abwechslung, Spannung und Kurzweil. Sofern man sich nicht daran stört, dass bei der Adaption eines Romans von Kōtarō Isaka viele japanische Figuren durch US-amerikanische ersetzt wurden, kann man hiermit seinen Spaß haben.
OT: „Bullet Train“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: David Leitch
Drehbuch: Zak Olkewicz
Vorlage: Kōtarō Isaka
Musik: Dominic Lewis
Kamera: Jonathan Sela
Besetzung: Brad Pitt, Joey King, Aaron Taylor-Johnson, Brian Tyree Henry, Andrew Koji, Hiroyuki Sanada, Michael Shannon, Sandra Bullock
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