Eigentlich reiste der junge US-Amerikaner Matthew (Michael Pitt) im Sommer 1968 nach Paris, um dort Französisch zu lernen. Stattdessen ist er in erster Linie mit Filmen und Demonstrationen beschäftigt. Dabei lernt er auch die beiden Geschwister Isabelle (Eva Green) und Theo (Louis Garrel) kennen, die selbst sehr filmaffin sind und aus einer wohlhabenden Intellektuellen-Familie stammen. Die zwei finden sofort Gefallen an dem Ausländer, laden ihn zu sich nach Hause ein, wo er bleiben darf, während die Eltern fort sind. Zögernd nimmt er an und lässt sich auch auf die Spiele ein, die sie in der Wohnung veranstalten. Doch je mehr Zeit die drei miteinander verbringen und dabei auch intim werden, umso größer werden die Spannungen untereinander …
Das Kino als Tor zur Welt
In den letzten Jahren hat es bekanntlich viele Diskussionen darum gegeben, ob das Kino noch eine Zukunft hat. Werden die Menschen wirklich noch ihr Zuhause verlassen, um sich woanders einen Film anzuschauen, wenn sie das genauso gut auf Knopfdruck vom Sofa aus tun können? Auf die Antworten werden wir noch warten müssen. Zumindest aber lohnt es sich, ein wenig zurück in die Vergangenheit zu schauen, um sich daran zu erinnern, was Kino eigentlich bedeutete. Die Träumer markiert hier gleich in zweifacher Hinsicht eine Reise zurück. Der Film selbst wird nächstes Jahr bereits zwanzig Jahre alt sein. Außerdem nimmt er einen mit ins Jahr 1968, als die ganze Welt im Aufbruch zu sein schien und Kinos nicht allein zur Bespaßung da waren, sondern das Tor zu einer anderen Welt wurden.
Gilbert Adair, der sowohl die als Inspiration dienenden Romane wie auch das Drehbuch geschrieben hatte, schildert in der Geschichte, wie Proteste gegen die Absetzung von Henri Langlois als Leiter der Cinémathèque française immer größere Ausmaße annahmen und sich verselbständigten. Wo heute der Gang ins Kino oft dem Eskapismus dient, da waren seinerzeit die Bilder auf der Leinwand ein Anlass, sich mit der Welt da draußen auseinanderzusetzen. Dieser stärker intellektuelle Zugang zum Medium Film rückt in Die Träumer in den Mittelpunkt. Das Kulturelle ist hier immer politisch und nur eine von verschiedenen Formen der inhaltlichen Auseinandersetzung. Wenn sich die drei in filmischen Gesprächen verlieren, dann mit dem Anspruch, eine Wahrheit darin zu finden, die weit über den Kinosaal hinausgeht.
Ein Paradies mit Brüchen
Interessant ist dabei, wie dieser Drang nach draußen im Kontrast steht zu der Wohnung, in der sich die drei eine ganz eigene Welt erschaffen. Sie leben in einem in sich geschlossenen Kosmos, der ihnen Schutz bietet vor dem, was sie noch erwartet. Hier können sie sich versuchen, können sich und einander entdecken. Das hat etwas von Coming of Age. Doch während bei solchen Filmen am Ende das Positive überwiegt, eine neue Gewissheit entsteht, da zeigt Die Träumer auch den Verlust von Unschuld. Das paradiesische Miteinander der drei, es wird zunehmend von innen bedroht. Aber auch die Außenwelt trägt dazu bei, dass dieser Schwebezustand, in dem sich die drei befinden, nicht von Dauer ist. Nicht von Dauer sein kann. Geradezu symbolisch ist in der Hinsicht die Rückkehr der Eltern, die zwar für keinen abrupten Wechsel sorgt – dafür sind sie zu diskret. Aber die Szene zeigt doch, dass der Wandel bevorsteht.
Bernardo Bertolucci (Der letzte Kaiser, Der letzte Tango in Paris) begegnet dabei seinen drei jungen Figuren mit viel Einfühlungsvermögen. Er scheut auch – wie zu erwarten – nicht vor zahlreichen Nackt- und Sexszenen zurück, wenngleich diese hier weniger provokativ sind wie bei seinem Skandalfilm aus den 1970ern. Die Wohnung wird in Die Träumer zu einem Garten Eden, in denen es keine Scham gibt, keine moralischen Bedenken. Es ist gerade die Natürlichkeit des Umgangs miteinander, die den Film zu etwas Besonderem macht. Eine Entspanntheit, gekoppelt an eine Neugierde der drei, die sich in Geschichten suchen, im Sex suchen. Dabei wird diese Selbstentdeckung gleichzeitig zum Porträt einer Zeit, in der alles möglich schien – sogar eine Zukunft des Kinos.
OT: „The Dreamers“
Land: UK, Italien, Frankreich
Jahr: 2003
Regie: Bernardo Bertolucci
Drehbuch: Gilbert Adair
Vorlage: Gilbert Adair
Musik: Stuart Wilson
Kamera: Fabio Cianchetti
Besetzung: Michael Pitt, Eva Green, Louis Garrel
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