Grand Jete
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Grand Jeté

„Grand Jeté“ // Deutschland-Start: 11. August 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Eigentlich wollte Nadja (Sarah Nevada Grether) keine Kinder. Als sie dann doch schwanger wurde, entschied sie, ihren Sohn Mario (Emil von Schönfels) zu ihrer Mutter Hanne (Susanne Bredehöft) zu geben. Sie selbst wollte sich um ihre Karriere als Balletttänzerin kümmern. Jetzt ist Nadja Mitte dreißig und ihre große Zeit auf der Bühne ist vorbei. Der Körper macht nicht mehr wirklich mit, weshalb sie nun andere unterrichtet. Als sie für eine Familienfeier in die Heimat fährt, trifft sie auf den fast volljährigen Mario. Bislang war der Kontakt nicht sehr eng gewesen, sie kennen sich eigentlich kaum. Doch das soll sich nun ändern: Die beiden kommen sich immer näher und beginnen bald Grenzen zu überschreiten …

Annäherung und Grenzüberschreitung

Eigentlich sind Filme über entfremdete Familienmitglieder, die sich nach langer Zeit wieder annähern, echte Crowdpleaser, die beim Publikum die Herzen rühren. Wer freut sich schließlich nicht über ein Happy End? Doch es geht auch anders, wie das Beispiel Grand Jeté zeigt. Ganz anders sogar. Die Voraussetzung für ein tränenreiches Wiedersehen sind eigentlich gegeben. Eine Mutter, die ihr Kind weggegeben hat, das ist schon etwas härterer Stoff, der viel Aufarbeitung nötig macht. Weshalb hat sie das getan? Was hat das mit ihr gemacht? Wie ging es für das Kind selbst weiter? Viel Raum also, innerhalb dessen sich die beiden miteinander befassen können und müssen, wenn sie die Vergangenheit abschließen wollen und die Zukunft begonnen wird.

Nur hat daran in Grand Jeté irgendwie niemand Interesse. Nicht die Figuren, die noch nicht einmal das Bedürfnis verspüren, den Elefanten im Raum anzusprechen und die Vergangenheit aufzuarbeiten. Und eben auch nicht Regisseurin Isabelle Stever (Das Wetter in geschlossenen Räumen). Stattdessen zeigt sie, wie sich die beiden körperlich immer näherkommen. Wer nicht den zugrundeliegenden Roman Fürsorge von Anke Stelling kennt oder im Vorfeld über den Film nachgelesen hat, dürfte an diesen Stellen erst einmal nicht seinen Augen trauen. Inzest ist dann doch nichts, was man allzu oft in Filmen oder Serien sieht – fragwürdige Anime-Produktionen wie Yosuga no Sora einmal außen vorgelassen, die dem Tabubruch etwas Romantisches abzugewinnen versuchen.

Ein Tabubruch ohne Urteil

Bei Grand Jeté hält sich das mit der Romantik sehr in Grenzen. Der Film zeigt zwar, wie sich die beiden zueinander hingezogen fühlen. Er gibt aber keinen Grund dafür, von der Körperlichkeit einmal abgesehen. Es ist einfach so. Bemerkenswert ist aber auch, dass der besagte Tabubruch mit keinem Wort erwähnt wird. Das wird für manche die Geschichte umso verstörender machen. Hier wird nichts verurteilt. Es wird nicht beurteilt. Es wird ja nicht einmal darüber gesprochen, so als wäre es das Normalste auf der Welt, wenn Mutter und Sohn ins Bett steigen. Das Drama, welches auf der Berlinale 2022 Premiere feierte, spielt sich weder als moralische Instanz auf, noch versucht sie anderweitig das Thema auszuschlachten. Stattdessen folgt es zwar neugierig, aber doch mit deutlicher Distanz den beiden Figuren.

Das ist einerseits sehenswert, auch wegen der kunstvollen Inszenierung, die viel mit Distanz und Nähe spielt. Auch das Ensemble nimmt die schwierige Aufgabe, dieses doch heikle Thema zu verkörpern, dankbar und souverän auf. Nur lässt einen Grand Jeté eben ratlos zurück, womöglich auch frustriert. Es wird nie klar, was der Film denn sagen möchte. Ob er etwas sagen möchte. Er ist so zurückhaltend bei der Annäherung an das Thema, dass nicht einmal eine Grundlage für die Diskussion daraus entsteht, die man eigentlich erwarten würde. Obwohl die beiden sehr intim werden, bleiben sie für die Zuschauer und Zuschauerinnen Fremde, aus denen man einfach nicht schlau wird. Diese Verweigerung gegenüber den Erwartungen, die man an den Film haben durfte, ist dabei einerseits spannend. Aber sie bleibt eine Herausforderung, bei der nicht klar ist, ob sie es wirklich wert ist.

Credits

OT: „Grand Jeté“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Isabelle Stever
Drehbuch: Anna Melikova
Vorlage: Anke Stelling
Musik: Jasha Klebe
Kamera: Constantin Campean
Besetzung: Sarah Nevada Grether, Emil von Schönfels, Susanne Bredehöft

Bilder

Trailer

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Grand Jeté
Fazit
„Grand Jeté“ nähert sich dem Tabuthema Inzest an, wenn eine Mutter und ihr entfremdeter Sohn eine sexuelle Beziehung eingehen. Das irritiert auch deshalb, weil der Film sich jeglicher Beurteilung entzieht und die Figuren einem derart fremd bleiben, dass kaum eine Diskussion daraus entstehen kann.
Leserwertung49 Bewertungen
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6
von 10