Happiness is £4 Million

In einer Gesellschaft begegnen sich nicht nur verschiedene Persönlichkeiten, sondern auch verschiedene Lebensstile und -sichten, was nicht immer ohne Konflikte bleibt. Während die meisten dies akzeptieren und versuchen, miteinander auszukommen, sind manche solcher Grenzen schlichtweg nicht überbrückbar, sodass man, um eben solche Konflikte zu vermeiden, es erst gar nicht zu solchen kommen lässt. Was auf der einen Seite logisch erscheint, ist für die Gesellschaft nicht selten ohne bleibenden Schaden, denn Schichten, die voneinander nur sehr wenig wissen oder einander gar aktiv meiden, können gefährlich sein. Gerade in der spätkapitalistischen Gesellschaft, unabhängig vom kulturellen Hintergrund, sind es besonders jene Superreichen aus Politik, Wirtschaft oder Kultur, die sich vom Rest der Menschheit absetzen, sich gar in ihre Villen verbarrikadieren und eben jene Angehörigen der unteren Schichten bezahlen, damit man sie und ihre Familien bewacht. In China, wie in jedem anderen Land, sieht man schon seit vielen Jahren diese Entwicklung, in der ein autoritär agierendes System das Volk beherrscht, während die Superreichen nach ihrer eigenen Ideologie leben und sich immer mehr aneignen. Besonders heuchlerisch wird es, wenn diese Vermögenden ihre eigene Lehre entwickeln, nach denen jene unter ihnen einen ebensolchen Luxus genießen können.

Einer der Gründe für diese Entwicklung ist sicherlich der Handel mit Immobilien, welcher derzeit unter anderem die Mieten in Ballungsgebieten und in Großstädten unbezahlbar macht. Viele haben daher starke Abneigung gegenüber jenen Menschen, die mit den Träumen anderer von einem normalen oder geregelten Leben spielen, so auch Cici, eine junge chinesische Journalistin, die nach ihrer Ausbildung für ihre letzte Arbeit einen Auftrag bekam, der ihn sehr zuwider war. Für ein Magazin sollte sie Ou Chengxiao, einen Immobilienspekulanten und Motivationsredner, einige Zeit begleiten und über diesen einen Artikel schreiben. Immer mehr merkt sie während der Arbeit, dass ihre die Recherche, insbesondere aber die Gespräche mit dem Geschäftsmann ungewollt nahe gehen hat dieser doch für ihre Lebensphilosophie nichts übrig und lässt jegliche Versuche, ihn bloßzustellen, einfach abblitzen. In ihrer Dokumentation Happiness is £4 Million begleiten die Regisseure Weixi Chen und Kai Wei die junge Frau bei ihrer Arbeit, bei ihren Treffen mit Ou und scheinen ähnliche Probleme zu haben, diesen Mann fassen oder begreifen zu können.

Begegnung zweier Fremder

Genau betrachtet erzählt Happiness is £4 Million von einem Scheitern. Zwar gelingt es Cici den Artikel letztlich zu schreiben und ihre Ausbildung damit abzuschließen, doch eine wirkliche Annäherung zwischen ihr und Ou gab es eigentlich nie, wie viele der Szenen in der 27-minütigen Kurzdokumentation, die auf dem Sheffield Docfest 2022 zu sehen war, zeigen. Ein Festnageln auf der „simplistischen Philosophie“, nur Geld könne glücklich machen, lässt ihr Gegenüber ebenso wenig zu wie eine Befragung zu seiner Familie, speziell zu seiner Beziehung zu seiner Tochter, für die er ein Maß an Empathie und Verständnis übrig hat, was er seinem Publikum bei seinen öffentlichen Auftritten oder anderen Menschen, auch Cici gegenüber, vermissen lässt. Selbst im Interview mit den beiden Filmemachern gibt die junge Frau freimütig zu, dass sie am liebsten das Projekt beenden würde, es bei einer oberflächlichen Beschreibung zu belassen, während ihre Gestik und Mimik bereits verrät, dass gerade dieses Eingeständnis einer Niederlage gleicht, die sich menschlich und beruflich sehr übel nimmt.

Neben dieser Ebene kann man Happiness is £4 Million zugleich als eine Parabel auf jenes spätkapitalistische China sehen, und dessen Philosophie des Selbst, welche Ou vertritt. Chen und Wei zeigen einen Mann, der glaubt, die Welt verstanden zu haben, indem er sie auf einige sehr simple Formel reduziert hat. Die wenigen Aufnahmen von seinen Auftritten und Begegnungen mit Fans zeigen einen Mann, der wie eine Maschine funktioniert und dessen Glaube an seine Ideologie stark wie ein Panzer ist, der ihn umgibt und deswegen unangreifbar macht. Cicis Scheitern, an diesen Menschen heranzukommen und ihn zu begreifen, wird zum Sinnbild einer Gesellschaft, die immer weiter auseinanderzudriften scheint.