In seinem neuen Dokumentarfilm Into the Ice begleitet der dänische Filmemacher Lars Ostenfeld drei Wissenschaftler*innen in die weißen Weiten Grönlands. Ihr Ziel: wissenschaftliche Daten sammeln, um genauere Aussagen über die künftige Eisschmelze treffen zu können. So wird tagein, tagaus der wissenschaftliche Alltag filmisch festgehalten, wobei trockene Arbeiten wie das Untersuchen von Eisproben, aber auch das abenteuerliche Erkunden von Eishöhlen festgehalten werden. Da Ostenfeld ganz konkrete Probleme anspricht, werden die Folgen des Klimawandels und die Hürden in den kommenden Jahren, die unaufhaltsam näher rücken, anschaulich festgehalten.
Zehn vor Zwölf
Filme wie Before the Flood, Chasing Ice oder The last Ice halten schon jahrelang den wissenschaftlichen Stand der Dinge zum großen Thema des Klimawandels fest. Into the Ice erfindet das Rad so nicht neu, fügt sich dafür aber gelungen in die Reihe solcher Dokumentarfilme ein, in dem uns Ostenfeld einmal mehr die Bedeutsamkeit dieses Jahrhundertthemas vor Augen führt. Dabei ist die Naturdokumentation aber keine von diesen Produktionen, die nur mit erhobenen Finger wedeln, um die Panik bis in die entferntesten Winkel der Welt zu tragen – im Gegenteil. Da man die Arbeit von drei Wissenschaftler*innen verfolgt, die den unterschiedlichsten Arbeiten und Erkenntnissen nachgehen, um die Welt von Morgen zu einem besseren Ort zu machen, bleibt Ostenfeld wortwörtlich auf dem Boden der Tatsachen.
Statt einem Leonardo Dicaprio oder Al Gore, die solche Themen unter Umständen dramatischer verpacken, bekommt man dafür eine eher ruhig erzählte Dokumentation, die sich auf eben jenen spektakulären wie unspektakulären Alltag fokussiert. Dadurch ergeben sich multidimensionale Betrachtungsweisen und abwechslungsreiche Bilder, die spielerische Infografiken als auch gigantische Aufnahmen von Eishöhlen umfassen.
Große Bilder
Das Highlight – eine Erkundungsexpedition unter die massiven Eismassen – gleicht dabei schon fast einem blauen Höllenschlund. Einige hundert Meter in der Tiefe ergeben sich so einmalige Aufnahmen, wodurch Into the Ice eine goldene Mitte zwischen Aufklärung und visueller Schönheit findet. Dies einmal in den Hintergrund gerückt, stellt sich das Naturportrait jedoch als eine typische Dokumentation mit dem üblichen Repertoire heraus. Infografiken erklären uns dabei, warum ein zunehmender Niederschlag problematisch für die Eiswüste ist, wohingegen die Interviews wissenswerte Details in expeditionstechnischer Hinsicht festhalten. Ein Gefühl für die Kälte, das bleibt jedoch überraschenderweise eher aus. Da sich Ostfelds Dokumentarfilm mehr auf das Wesentliche fokussiert und die Atmosphäre eher in den Hintergrund rückt, wurde mit Campino, dem Frontmann der Toten Hosen, ein toller Erzähler gefunden, der einen guten Aufhänger abgibt.
Konventionelles Appellieren
Obgleich sich mittlerweile in jedem Jahr etwas tut, sei es eine Verringerung der CO2-Emissionen oder die zunehmende Bedeutung von Solarenergie als auch E-Mobilität, so macht die Naturdoku jedoch ganz klar, dass die Anstrengungen der Menschheit noch zu wünschen übrig lassen. Dass gegen Ende hin auf ganz konventionelle Art auf den gewohnten Idealismus gesetzt wird, mit dem man die Menschen zu mehr Verantwortung zwingen möchte, ist dabei typisch für Dokumentationen über die Zerstörung der Umwelt. Da in der riesigen Eishöhle, die auch als Kathedrale der Natur betitelt wird, neue Erkenntnisse gewonnen werden, die sich alles andere als hoffnungserweckend herausstellen, endet Ostfelds Werk jedoch mit einem recht abrupten Ende. Aufgrund des eher schlichten Fazits „Wir sollten auf die Forscher hören“ und den in der Gesamtheit eher wenigen eindrucksvollen Bildern, hat Into the Ice einige Schwierigkeiten, das Publikum bei der Stange zu halten. Fairerweise muss man im gleichen Atemzug aber schon fragen, welche Dokumentation über den Klimawandel hat das nicht?
OT: „Rejsen til isens indre“
Land: Dänemark, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Lars Henrik Ostenfeld
Drehbuch: Lars Henrik Ostenfeld
Musik: Kristian Eidnes Andersen
Mitwirkende: Jason Box, Dorthe Dahl-Jensen, Alun Hubbard
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