Eigentlich lief das Leben von Ivie (Haley Louise Jones) in geordneten Bahnen. Ihr Studium hat sie inzwischen hinter sich, jetzt gilt es, eine Stelle als Lehrerin zu finden. Doch dann steht auf einmal Naomi (Lorna Ishema) vor ihr, stellt sich als ihre Halbschwester vor und sagt ihr dann auch noch, dass ihr gemeinsamer Vater, den Ivie nie kennengelernt hat, gestorben ist. Der soll in seiner Heimat im Senegal begraben werden, die gesamte Familie wird dort sein. Während Naomi unbedingt hin will, ist Ivie unsicher, was sie tun soll. Denn weder mit ihrer Mutter Gabi (Anneke Kim Sarnau) noch ihrer besten Freundin Anne (Anne Haug) war ihre afrikanische Herkunft je ein Thema. Dabei macht auch sie ständig Erfahrungen mit Rassismus und beginnt zunehmend, an sich selbst zu zweifeln …
Der ganz normale Alltagsrassismus
In Folge des Mordes an George Floyd war das Thema Rassismus wieder in aller Munde. Die Protestaktionen im Rahmen von Black Lives Matter gingen um die Welt. Dabei geht es nicht allein darum, dass gewaltbereite Polizisten ihre Grenzen nicht kennen. Rassismus beginnt im Alltag. Beginnt mit herabwürdigenden Beschimpfungen. Oder vielleicht auch mit nett gemeinten Kosenamen? Das zumindest ist es, was Ivie wie Ivie vor Augen führt, wenn wir hier zwei Halbschwestern folgen, die sich notgedrungen mit all dem beschäftigen müssen. Denn auch wenn zumindest Ivie gut integriert ist und sich als vollständige Deutsche fühlt: Andere sehen das zum Teil ganz anders und machen das auf die eine oder andere Weise klar.
Ivie wie Ivie ist deshalb gleich in zweifacher Hinsicht ein Lernprozess für die Titelfigur. Der eine Teil betrifft den Umgang mit dem besagten Rassismus und wie sich der manifestieren kann. Naomi ist es, die sie darauf aufmerksam macht, dass auch ein liebevoll gemeintes „Schoko“ problematisch sein kann. Gleiches gilt für den positiven Rassismus, den Ivie bei der Suche nach einer Arbeit erfährt. Leider neigt der Film an der Stelle manchmal zum Plakativen. Beim Kampf gegen Vorurteile wird da selbst auf Klischees zurückgegriffen. So wichtig das Thema ist, so gut die Absicht, an manchen Stellen wird das schon ein bisschen sehr pädagogisch. Ein bisschen mehr Subtilität und Natürlichkeit wäre da nicht verkehrt gewesen.
Die Suche nach den Wurzeln
Besser gelöst ist die Suche nach den Wurzeln. Wenn die zwei darüber sprechen, zur Beerdigung ihres Vaters nach Afrika zu fliegen, dann bedeutet das gleichzeitig herauszufinden, wer sie selbst sind. Bei Naomi ist das einfacher, sie steht bereits selbstbewusst im Leben. Ivie sitzt hingegen als Tochter eines Schwarzen und einer Weißen zwischen den Stühlen, gehört nirgends so ganz hin. Ivie wie Ivie erinnert dabei ein wenig an Toubab letztes Jahr. Dort wurde ein junger Mann mit afrikanischen Wurzeln ausgewiesen, obwohl er sein Leben lang in Deutschland war und überhaupt keinen Bezug zu Afrika hatte. Das war in dem Fall dann mit komödiantischen Versuchen verknüpft, das Unheil abwehren zu können. Die Frage nach Identität wurde dabei aber durchaus gestellt und inwieweit wir von einer Kultur geprägt sind, die wir selbst nicht kennen.
Leider wird der Punkt bei Naomi nicht so sehr verfolgt. Regisseurin und Drehbuchautorin Sarah Blaßkiewitz nutzt sie, um die Entwicklung von Ivie in Gang zu setzen, hat ansonsten aber keine wirkliche Verwendung für sie. Und auch die anderen Nebenfiguren gehen in Ivie wie Ivie etwas unter, wenn deren Handlungsstränge nicht zu Ende erzählt werden. Insgesamt ist das Drama, welches auf dem Filmfest München 2022 Premiere hatte, aber durchaus sehenswert. Die guten schauspielerischen Leistungen in Verbindung mit dem wichtigen Thema sorgen dafür, dass einem der Film positiv in Erinnerung bleibt und den einen oder anderen Denkanstoß mitgibt, der über den Abspann hinaus wirkt.
OT: „Ivie wie Ivie“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Sarah Blaßkiewitz
Drehbuch: Sarah Blaßkiewitz
Musik: Jakob Fensch
Kamera: Constanze Schmitt, David Schmitt
Besetzung: Haley Louise Jones, Lorna Ishema, Maximilian Brauer, Anne Haug, Anneke Kim Sarnau
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