Seit vielen Tagen haben sich die Einwohner des US-Bundesstaats Louisiana auf den tropischen Sturm Katrina vorbereitet, der laut Auskunft der Meteorologen sowie Katastrophenschutzes in wenigen Tagen das Festland erreichen wird. Viele Familien sind entweder zu Verwandten gegangen oder wurden evakuiert, während die meisten Einwohner dem Ereignis gelassen entgegensehen, hat New Orleans, wie auch viele andere Gemeinden am Golf von Mexiko schon viele solcher Stürme überlebt und überstanden. Auch die Belegschaft des Memorial Krankenhauses im Herzen der Stadt sieht sich gewappnet. Dr. Anna Pou (Vera Farmiga) ist gerade in ihrer ersten Woche an ihrem neuen Arbeitsplatz und ist etwas irritiert ob der Routine ihrer Kollegen und Kolleginnen, die schon viele solcher Stürme mitgemacht haben. Während sie sich einarbeitet, beginnt Susan Mulderick (Cherry Jones), die eine leitende Position im Memorial hat, mit der Kommunikation der Maßnahmen, mit den Ärzten wie auch den anderen Leitern des Hospitals, als schließlich Katrina die Stadt wie auch das Krankenhaus erreicht und das Wasser zu steigen beginnt.
Die Chronik einer Katastrophe
Die Geschichte um die Apple+ Mini-Serie Memorial Hospital beginnt eigentlich mit der Vorlage, dem Sachbuch Five Days at Memorial: Life and Death in a Storm-Ravaged Hospital der Autorin Sheri Fink, welches auf einem mit dem Pulitzer-Preis für investigativen Journalismus ausgezeichneten Artikel der Schriftstellerin basiert. Fink, die zudem als eine der Produzentinnen der Serie agiert, recherchierte für den Artikel wie auch später das Buch viele Monate lang über die Ereignisse in einem Krankenhaus. Dessen Belegschaft und Patienten waren nach dem Hurrikan Katrina ohne Strom und Wasser und dadurch gezwungen, schwerwiegende Entscheidungen über Leben und Tod zu fällen. Erst nach fünf Tagen konnten sie gerettet werden. Dabei geht es Fink nicht allein um eine Chronik der Ereignisse, sondern ebenso um eine Schilderung der sozialen wie auch politischen Konsequenzen, welche die Triage am Memorial nach sich zogen.
Bei der Serie liegt der Fokus tatsächlich auf den Ereignissen, jenen fünf Tagen am Memorial Hospital. Genutzt wird eine multiperspektivische Sicht, die verschiedene Figuren in unterschiedlichen Positionen am Krankenhaus zeigt, von der leitenden Ärztin, einer Krankenschwester bis hin zum Hausmeister. Ebenso sind die Patienten und deren Angehörige Teil des Narrativs, genauso wie jene Menschen, die um das Krankenhaus wohnen oder weit weg sind, aber bereits einen Vorgeschmack auf die weitreichenden Folgen der Ereignisse zu spüren bekommen. Zwar kommt es an vielen Stellen zu einer für die Vorlage eher unüblichen Dramatisierung, jedoch wird dies durch die Inszenierung wie auch die Darsteller insgesamt sehr geerdet, sodass nie der Eindruck von allzu viel Pathos entsteht, sondern man als Zuschauer immer wieder vor der unbequemen Frage steht, wie man wohl selbst in der Situation gehandelt hätte. Neben den Darstellern ist dies letztlich ein Verdienst der Regie und des Drehbuchs, wobei John Ridley und Carlton Cruse für beides verantwortlich waren.
„Wie in der Dritten Welt.“
Anlässlich des bevorstehenden Jahrestages der Ereignisse um Hurrikan Katrina geht es, anders als bei vergleichbaren Projekten, welche sich um menschliche Tragödien oder Katastrophen drehen, ebenso um die Aktualität der Gezeigten. Neben vielen herzzerreißenden Momenten erleben die Figuren (und der Zuschauer genauso) den unaufhaltsamen Zerfall von Strukturen, innerhalb des Krankenhauses an sich wie auch der Stadt New Orleans, in der schon bald Verbrechen und Plünderungen an der Tagesordnung sind, ausgelöst durch die Abwesenheit jeglicher Ordnung nach der Flutwelle. Die Figuren sind keinesfalls Helden, sondern handeln, weil man die buchstäblich alleingelassen hat. Die war das traurige Resultat eines institutionellen wie auch politischen Versagens, bedenkt man, dass die Serie ebenso die Ereignisse außerhalb des Krankenhauses zeigt, untermalt von Nachrichtensendungen vom August 2005.
Wenn eine genervte Anna Pou, gespielt von Vera Farmiga, zu einer ihrer Kolleginnen sagt, man komme sich vor wie in „der Dritten Welt“, fasst dies nicht nur die Tragödie um sie herum zusammen – die Nicht-Existenz eines Notfallplans wie auch die ausbleibenden Einsatzkräfte – sondern wirkt wie ein Verweis auf jenes politische Versagen, welches man unter einem anderen Präsidenten während der Pandemie beobachten konnte. Es sind nicht nur die menschlichen Schicksale und die Entscheidungen, welche die Serie fesselnd und schwer anzuschauen machen. Hinzu kommt noch die Frage, inwiefern sich etwas geändert hat, am System wie auch dem Handeln der Menschen angesichts einer solchen Katastrophe.
OT: „Five Days at Memorial“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: John Ridley, Carlton Cuse, Wendey Stanzler
Drehbuch: John Ridley, Carlton Cuse
Musik: Torin Borrowdale
Kamera: Ramsey Nickell, Marc Laliberté
Besetzung: Vera Farmiga, Adepero Oduye, Cornelius Smith, Julie Ann Emery, Cherry Jones, Molly Hager, Michael Gaston, Joe Carroll
Wer mehr über die Arbeit an Memorial Hospital erfahren möchte: Wir haben zum Start mit den Hauptdarstellerinnen Vera Farmiga und Cherry Jones ein Interview zur Serie geführt.
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