Elli (Inka Kallén) ist verheiratet und genießt ein auf den ersten Blick glückliches Leben im finnischen Idyll. Als ihr Mann Mikko (Aku Hirviniemi) eines Tages den langjährigen Bekannten Olavi (Andrei Alén) im Schlepptau hat, erinnert sich Elli an fast vergessene Tage zurück. So dauert es nicht lange, bis die Vergangenheit die Frau im mittleren Alter einholt. Da Corona in der Welt wütet und man kaum Kontakt zu anderen Menschen hat, ist es für das Paar trotzdem eine Wohltat, etwas andere Gesellschaft um sich herum zu haben. Da Ellis bessere Hälfte immer wieder mit dem Auto aufbricht, um Erledigungen zu machen, entwickelt sich schnell eine leidenschaftliche Affäre. Inmitten der wunderschönen finnischen Natur dringen die weiblichen Sehnsüchte als auch der Drang nach Abenteuern Tag für Tag näher an die Oberfläche.
Romantisches Kino mit Klasse
Dass aus romantischen Filmen gern Romcoms gemacht werden, um ein breiteres Publikum anzusprechen, überrascht heutzutage niemanden mehr. Gefühlsbetonte Produktionen, bei denen die Macher höhere Ambitionen verfolgen, sind dagegen schon seltener – ganz geschweige von denen, die eine gleichermaßen ästhetische als auch leidenschaftliche Atmosphäre einfangen. Luca Guadagninos’ Call Me By Your Name, Sebastián Lelios Ungehorsam als auch Porträt einer jungen Frau in Flammen (Céline Sciamma) sind hierbei nur ein paar Beispiele, die man an der Stelle nennen könnte. Aku Louhimies Mittsommerlust landet bei den ganz neuen Produktionen jedoch eine Punktlandung, da sich hier eine fantastische sommerliche Atmosphäre einstellt und Ästhetik als auch Hemmungslosigkeit ganz weit oben steht. Von prüden Produktionen, die selbst ein Wolfgang M. Schmitt in seinen Videos kritisiert, ist die finnische Produktion im besten Sinne Lichtjahre entfernt.
Offen zur Interpretation
Louhimies gehört damit zu der Art Regisseur, die ihr Handwerk meisterlich verstehen, nicht nur aus atmosphärischer Sicht, sondern auch bei dem Spiel mit den Figuren, die eine sehr gelungene Authentizität mitbringen. Obgleich das Drama nicht lange auf sich warten lässt, wird dieses nicht mit einem Hammer breitgeschlagen, sondern mit Fingerspitzengefühl behandelt. Die Entwicklung der Geschichte, die die meiste Zeit auf eine übertriebene Dramaturgie verzichtet, dafür aber das Leiden von Elli in vereinzelten Bildern grandios festhält, stellt sich als die größte Stärke heraus. Dass man im gleichen Atemzug die verborgene Psychologie der Frau kritisieren könnte, tut dem Ganzen jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Durch das Mysterium, inwiefern die Mittsommerlust (ein nebenbei erwähnt perfekter deutscher Titel) bei Elli eine Veränderung bewirkt, resultieren offene Interpretationsmöglichkeiten, die zur Diskussion einladen.
Menschliche Sehnsüchte
Da wenig Bezug zur menschlichen Zivilisation genommen wird, spielt Mittsommerlust in seiner eigenen kleinen Welt. Es geht bis auf ein paar Ausnahmen daher nicht um Themen wie zwischenmenschliche Erwartungen oder Vorschriften, ja nicht einmal um Eifersucht an sich, sondern mehr um Glückseligkeit als großes Oberthema, was sich besonders bei Ellis Alltag bemerkbar macht. Mentale Bedürfnisse wie Meditation oder Musik als auch körperliche, wobei man hier das Sexualleben aber auch die Wohltat beim sommerlichen Nacktbaden erwähnen könnte, bestimmen das feminine Leben. Wie sehr das sexuelle Verlangen aber die Oberhand gewinnt und andere Bedürfnisse in den Hintergrund rücken lässt, vermag Louhimies nicht festzuhalten. Obgleich dies die Kirsche auf der Torte gewesen wäre, so entpuppt sich Mittsommerlust in der Gesamtheit dennoch als ein sehenswertes Portrait über die menschlichen Sehnsüchte.
OT: „Odotus“
Land: Finnland
Jahr: 2021
Regie: Aku Louhimies
Drehbuch: Juhani Aho, Aku Louhimies
Musik: Esa Pekka Salomen
Besetzung: Inka Kallén, Aku Hirviniemi, Andrei Alén
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