Mehr als zehn Jahre befindet sich Syrien inzwischen im Kriegszustand. Auch wenn viele davon nichts mehr mitbekommen und die Medien inzwischen zugunsten anderer Themen das Interesse verloren haben, für die Menschen vor Ort hat der Alptraum noch immer kein Ende genommen. Umso wichtiger ist es, dass immer wieder Filme erscheinen, die an das Leid erinnern. Vor allem im Dokumentarfilmbereich erscheinen immer wieder sehenswerte Titel. Ob nun das preisgekrönte Für Sama oder Little Palestine, Diary of a Siege, die erschütternden Bilder führen dem hiesigen Publikum vor Augen, wie verheerend die Zustände dort sind und waren. Wie wichtig es ist, den Betroffenen zuzuhören und ihre Geschichten zu erzählen.
Umso irritierender ist Republic of Silence, das erst einmal ohne Bilder beginnt. Wo andere Regisseure und Regisseurinnen von Anfang an das Publikum zu packen versuchen, da lässt es Diana El Jeiroudi dem Titel gemäß sehr ruhig angehen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie sich für ihr Projekt sehr viel mehr Zeit nimmt. Eigentlich sind Dokumentarfilme meist um die 90 Minuten lang. Dann und wann können es auch mal zwei Stunden sein. Hier sind es drei Stunden, in denen sie sich nach und nach dem Thema annähert. Zum Teil zumindest, man weiß hier bis zum Schluss nicht bei allem, was genau der Inhalt war bzw. worin die Querverbindungen bestehen. Der Film ist ein Bekenntnis zum Vagen, zum Ungefähren. Und eben zur Sprachlosigkeit.
Die Fragmente einer Tragödie
Ungewöhnlich ist dabei die fragmentarische Struktur des Films. El Jeiroudi erzählt in mehreren Kapiteln von ihrem neuen Leben in Berlin, erzählt von der Unterdrückung in Syrien, aber auch von Menschen, die auf die eine oder andere Weise zu Opfern wurden. Darunter ist auch Orwa Nyrabia, ihr Lebensgefährte und ebenfalls Filmemacher, von dem zeitweise nicht klar war, ob er noch lebt. Republic of Silence lässt seine und andere Geschichten aufeinanderfolgen, ohne ihnen einen zunächst erkennbaren roten Faden mit auf den Weg zu geben. Dies ist jedoch nicht das Ergebnis einer Nachlässigkeit oder eines mangelnden Konzepts. Vielmehr funktioniert der Film wie ein Mosaik, das sich nach und nach erst zusammensetzt.
Die Bestandteile könnten dabei unterschiedlicher kaum sein, inhaltlich wie inszenatorisch. Mal sind es Videos, mal nur Audioaufnahmen oder Texttafeln. Es geht um das Leben in Syrien wie hierzulande, um die Flucht vor der Gewalt, die Angst vor Verfolgung oder auch den Versuch, sich inmitten des Lärms Gehör zu verschaffen. Das bringt dann keine eindeutigen Antworten mit sich. Der Dokumentarfilm, der 2021 in Venedig Premiere feierte, hat nicht die unmittelbare Emotionalität, wie sie Für Sama hatte, das sehr viel näher an den Figuren und dem Alltag blieb. Sehenswert ist der dokumentarische Essay dennoch. Republic of Silence ist eine kunstvolle und kluge Annäherung an eine Tragödie, die so groß ist, dass sie in keine Worte und Bilder passt – und deshalb umso dringender thematisiert werden muss.
OT: „Republic of Silence“
Land: Deutschland, Frankreich, Syrien, Katar, Italien
Jahr: 2021
Regie: Diana El Jeiroudi
Drehbuch: Diana El Jeiroudi
Kamera: Sebastian Baeumler, Diana El Jeiroudi, Orwa Nyrabia, Guevara Namer
Venedig 2021
DOK Leipzig 2021
International Film Festival 2021
DOK.fest München 2022
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