Leonard Kraditor (Joaquin Phoenix) hat genug von allem, mal wieder, als er von der Brücke springt. Zwar versucht er später, den Vorfall als blöden Unfall abzutun. Doch seine Eltern Reuben (Moni Moshonov) und Ruth (Isabella Rossellini) wissen es besser, hat er doch schon zuvor versucht, sich das Leben zu nehmen. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, überreden sie ihn, sich mit Sandra Cohen (Vinessa Shaw) zu treffen, der Tochter eines befreundeten Paares. Leonard lässt sich darauf ein, wenngleich ohne großen Enthusiasmus. Da gefällt ihm die neue Nachbarin Michelle Rausch (Gwyneth Paltrow) schon deutlich besser. Dummerweise hat die aber schon eine Affäre mit dem verheirateten Anwalt Ronald Blatt (Elias Koteas) …
Ein vergessenes Star-Drama
Zuletzt machte James Gray mit mehreren Genre-Beiträgen auf sich aufmerksam: 2016 erschien das von ihm gedrehte biografische Abenteuer Die versunkene Stadt Z, drei Jahre später ging es in Ad Astra – Zu den Sternen ins Weltall. Dabei ist der US-amerikanische Regisseur eigentlich mehr auf kleine Dramen spezialisiert, die viel über ihre jeweilige Zeit und die Menschen erzählen. Dummerweise will die aber nie jemand sehen. Obwohl die beiden vorangegangenen Filme The Immigrant und Two Lovers mit zahlreichen Stars protzen konnten und prädestiniert für die Award Season waren, gingen sie an den US-amerikanischen Kinokassen unter. Bei uns schafften sie es nicht einmal in die Lichtspielhäuser. Ein reiner DVD-Start, mehr war bei den beiden Werken nicht drin.
Bei Two Lovers ist das besonders schade, einer der besten Filme im Gesamtwerk von Gray. Aber es ist auch irgendwo nachvollziehbar. Trotz des bekannten Ensembles, trotz des immer wieder gut zu verkaufenden Themas Liebe, das Drama ist nicht so ganz für die Massen geeignet. So verzichtet es beispielsweise auf eine eindeutige Einteilung in „richtig“ und „falsch“, wie es die meisten Liebesfilme tun. Wo sonst dem Publikum immer klar vorgegeben wird, welche von zwei Optionen die bessere ist, da ist dieses hier ebenso unschlüssig wie der Protagonist. Ist Michelle, der er so sehr verfallen ist, wirklich eine Traumfrau? Kann Sandra, die ihm mehr oder weniger aufgeschwatzt wurde, mehr sein als ein Trostpflaster? Das Motiv der falschen Liebe, die doch eine echte ist – siehe zuletzt etwa Wedding Season –, es bleibt hier deutlich ambivalenter.
Die Geschichte verlorener Menschen
Das liegt auch an dem Protagonisten an sich. Leonard ist ein Mensch, der durch die Welt irrt, nie so wirklich weiß, was er tun soll oder wohin er gehört. So wird er teilweise durch seine Familie fremdbestimmt, die sowohl privat wie beruflich den Weg vorzugeben versucht. Die Begegnung mit Michelle ist jedoch ein Blick in eine andere Welt, größer, aufregender. Aber sie ist auch nicht heiler als die, die Leonard selbst kennt. Bei ihr spielt sich auch viel an der Oberfläche ab – etwa die Affäre mit dem verheirateten Anwalt. Two Lovers handelt von Sehnsüchten und Einsamkeit, von verlorenen Menschen. Sie hangeln sich durchs Leben, sind dabei oft Getriebene, die nicht selbst darüber entscheiden können, wer sie sind und was mit ihnen geschieht.
Das Drama, das 2008 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes debütierte – der dritte Film von Gray, dem diese Ehre zuteilwurde –, tut dies aber ohne große Aufregung. Wichtiger ist es dem Regisseur, der gemeinsam mit Richard Menello das Drehbuch schrieb, mehr über das gesellschaftliche Umfeld zu erzählen, in dem sich Leonard bewegt. Two Lovers ist damit nicht nur ein Liebesdrama und das Bild eines orientierungslosen Mittdreißigers, sondern auch das Porträt einer Gesellschaftsschicht. Das ist sehenswert, allein schon wegen der nuancierten Darstellung von Joaquin Phoenix als labilem Mann, der sich nach dem Glück sehnt und dabei selbst nicht weiß, was dieses überhaupt bedeutet. Ein Mann, der mit offenem Blick durch die Welt geht, diese in Fotos festhält – und dem doch vieles verborgen bleibt.
OT: „Two Lovers“
Land: USA
Jahr: 2008
Regie: James Gray
Drehbuch: James Gray, Richard Menello
Musik: Dana Sano
Kamera: Joaquín Baca-Asay
Besetzung: Joaquin Phoenix, Gwyneth Paltrow, Vinessa Shaw, Moni Moshonov, Isabella Rossellini, John Ortiz, Bob Ari, Julie Budd, Elias Koteas
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Cannes | 2008 | Goldene Palme | Nominierung | |
César | 2009 | Bester ausländischer Film | Nominierung | |
Film Independent Spirit Awards | 2010 | Beste Regie | James Gray | Nominierung |
Beste Hauptdarstellerin | Gwyneth Paltrow | Nominierung |
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