Eigentlich kann Juliane Verbeck (Sophie Marceau) stolz auf sich sein. Sie ist eine angesehene Polizistin in Paris, hat mehrere beachtete Bücher geschrieben, ist glücklich mit Hugo (Johan Heldenbergh) verheiratet. Zumindest dachte sie das. Doch dann stellt sie fest, dass ihr Göttergatte ein mieser Lump ist, der sie nach Strich und Faden betrügt und dabei vor niemandem Halt macht. Die ansonsten so rationale Juliane verliert daraufhin zunehmend die Kontrolle über sich und beginnt Hugo und seiner Geliebten hinterherzufahren. Je mehr sie sieht, umso mehr muss sie erkennen, dass sie jahrelang von ihm belogen wurde, mit fatalen Folgen. In ihrer wachsenden Irrationalität mischen sich Trauer, Enttäuschung und Wut – eine Mischung, für die sie ein Ventil braucht …
Ehebruch mit schlimmen Folgen
Die Filmgeschichte ist voller Beispiele, wie ein Ehebetrug schreckliche Folgen haben kann. Das berühmteste Beispiel ist sicher Eine verhängnisvolle Affäre, bei der eine eigentlich einmalige Geliebte sich als Psychopathin herausstellt. In Liebe für Erwachsene kürzlich war es die betrogene Ehefrau, die auf einmal eine sehr hässliche Seite von sich preisgibt und damit eine gefährliche Kettenreaktion auslöst. A Woman geht thematisch in eine ähnliche Richtung. Auch hier ist es eine betrogene Ehefrau, die letztendlich nicht ganz das ist, was man von ihr erwartete – oder was sie selbst von sich erwartete. Die Konfrontation mit einer ungeheuren Wahrheit löst etwas in ihr aus, bei der offen ist, worauf es hinauslaufen wird.
Interessant ist dabei der Perspektivenwechsel. Im Gegensatz zu anderen solcher Affären-Thriller wird die Geschichte hier aus der Sicht der „Psychopathin“ erzählt, nicht aus der Sicht des Mannes, der sich in eine unmögliche Situation manövriert hat. Wobei Juliane eigentlich keine Psychopathin ist. Sie hat sich immer an Regeln und Gesetze gehalten, ist eine rational denkende Frau, die sich dem Kampf für das Gute verschrieben hat. Bis es ihr zu viel wird. A Woman ist deshalb kein Rachethriller, auch wenn der Film als solcher verkauft wird. Über weite Strecken handelt es sich vielmehr um das Porträt eines Menschen, der in sich zusammenfällt. Immer wieder sehen wir Juliane, die bislang so beherrscht und rational war, wie sie in Heulkrämpfe ausbricht. Da braucht es letztendlich auch nicht viel. Der Film geht viel mehr gleich in die Vollen und zeigt sie als Nervenwrack.
Eine unfreiwillige Parodie
Das hätte bewegend sein können. Stattdessen gehen einem diese Szenen aber selbst bald stark auf die Nerven. Ein Grund dafür ist eine derart übertriebene Musik, die als Dauerbeschallung die ganz großen Momente herausbeschwören soll. Das ist so absurd, als wäre A Woman eigentlich als Parodie angelegt gewesen, vielleicht vergleichbar mit The Woman in the House Across the Street From the Girl in the Window. Nur weniger subtil. Es gibt auch keine nennenswerte Entwicklungen während dieser Passagen, sondern fortlaufende Hysterie und Theatralik. Der französische Export-Star Sophie Marceau, der nun wirklich oft genug in der langen Karriere schauspielerisches Talent bewiesen hat, kann nicht verhindern, dass der Dramapart trotz der zahlreichen Exzesse kein Gefühl hervorruft. Abgesehen von Irritation vielleicht.
Etwas abwechslungsreicher wird es in der zweiten Hälfte, wenn Regisseur und Drehbuchautor Jean-Paul Civeyrac anfängt, das Hamsterrad des Selbstmitleids aufzubrechen und Juliane wieder zu einer agierenden Frau zu machen. Wirklich gut wird das Thrillerdrama, das beim Locarno Film Festival 2022 Premiere feierte, aber auch dann nicht nicht. Eine längere Passage, die eine andere Familie mit ins Spiel holt, ist phasenweise spannend, wirkt jedoch wie ein Fremdkörper. Zwar soll hierbei bereits gezeigt werden, dass es eine Veränderung in der Protagonistin gab. Nur überzeugt diese Passage nicht, weder im Hinblick auf Juliane noch die anderen Figuren oder die Geschichte an sich. Richtig kurios wird es dann im Anschluss, wenn es auf das große Finale und damit die überfällige Konfrontation hinausläuft. Was eigentlich fesselnd hätte sein sollen, wird zu einer unfreiwillig komischen Begegnung, bei der nicht nur die Anwesenden ganz fassungslos sind.
OT: „Une femme de notre temps“
Land: Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Jean-Paul Civeyrac
Drehbuch: Jean-Paul Civeyrac
Musik: Valentin Silvestrov
Kamera: Pierre-Hubert Martin
Besetzung: Sophie Marceau, Johan Heldenbergh, Cristina Flutur, Héloïse Bousquet, Michaël Erpelding
Locarno Film Festival 2022
Filmfest Oldenburg 2022
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