Der Schock ist groß bei den anderen Nonnen, als Schwester Agnes (Hayley McFarland) Ungeheures von sich gibt und alle mit ihren Obszönitäten beleidigt. Der Fall ist klar: Sie muss besessen sein! Ausgerechnet der ungehobelte Vater Donaghue (Ben Hall) soll mit dem jungen Dekan Benjamin (Jake Horowitz) einen Exorzismus durchführen und sie auf diese Weise von dem Dämon befreien, der von ihr Besitz ergriffen haben soll. Dabei glaubt dieser nicht einmal an diese alten Rituale. Dennoch versuchen sie ihr Bestes, unter den wachsamen Augen der Kloster-Leiterin (Mary Buss), die wenig begeistert darüber ist, dass da zwei Männer bei ihnen sind. Schwester Mary (Molly C. Quinn) hingegen ist froh über deren Anwesenheit, hofft sie doch inständig, dass die zwei ihrer besten Freundin helfen können, wieder zurück auf den rechten Weg zu finden …
Kontroverser Horror
Bei kaum einem Filmgenre gehen die Meinungen des Publikums und die von Kritikern und Kritikerinnen derart auseinander wie beim Horrorfilm. Immer wieder kommt es vor, dass von den professionell Zuschauenden Werke verrissen werden, die sich dennoch großer Beliebtheit erfreuen. Bei der Saw-Reihe gingen die Meinungen beispielsweise weit auseinander. Die Vorstellung davon, was einen guten Film ausmacht, ist da doch sehr unterschiedlich. Während man sich an diese Diskrepanzen gewöhnt hat, gibt es immer wieder interessante Fälle, bei denen Kritikerlieblinge von der Horror-Zielgruppe gehasst werden. Meistens handelt es sich dabei um Titel, die anders sind, als es das Marketing vermuten ließ. It Comes at Night oder The Witch waren solche kontroversen Titel, wo Fans einfach nicht das bekamen, was sie wollten.
Weniger bekannt ist das Beispiel Agnes – Face Your Demons. Aber auch dort kommt es zu einem auffälligen Widerspruch, wenn die Kritikerurteile recht positiv sind, während es auf imdb eine Wertung unterhalb der 5er Marke gibt. Die vielen schlechten Bewertungen sind dabei aber weniger auf eine mangelnde Qualität zurückzuführen. Vielmehr werden viele wütend darüber sein, nicht das bekommen zu haben, was zu erwarten war. Während die ersten Minuten einen noch davon überzeugen, es mit einem beliebigen 08/15-Exorzismus-Abklatsch zu tun zu bekommen, nimmt der Film gerade in der zweiten Hälfte eine überraschende Wende. Das wird nicht wenige irritieren, vielleicht sogar sehr verärgern – oder alternativ langweilen.
Mehr Glaubensdrama als Dämonenschreck
Genauer werden die Horrorszenen sehr selten. Der Film besteht überwiegend aus Dialogen, nicht aus irgendwelchen Demonstrationen dämonischen Treibens. Tatsächlich sind es so wenige, dass man sich fragen darf, ob es sich hierbei überhaupt um einen Horrorfilm handelt. Zwar lief Agnes – Face Your Demons auf mehreren Genre-Festivals und wird hierzulande von einem Verleih veröffentlicht, der wie kaum ein anderer den Horrorbereich bedient. Doch der Film handelt gar nicht so sehr von der besessenen Agnes, auch wenn der Titel das impliziert. Die Hauptfigur ist vielmehr Mary, die in Folge dieser Erfahrungen an Gott und Religion zweifelt. Regisseur und Co-Autor Mickey Reece hat im Grunde ein Glaubensdrama gedreht, das von existenziellen Fragen spricht und der Suche nach Antworten in einer Welt, die keinen Sinn ergibt.
Auch das kann spannend sein. Tatsächlich hat der Film immer wieder sehenswerte Momente. Anfangs sind die überraschend humorvoll, wenn die Priester verschroben sind und die Obernonne eine Karikatur. Auch die nachdenklichen Szenen können sich sehen lassen, gehen teilweise richtig zu Herzen. Was jedoch nicht gut funktioniert: die Mischung aus allem. Hier etwas Horror, dort ein paar Witze, zwischendurch das Drama – Agnes – Face Your Demons wirft irgendwie alles zusammen, ohne dass daraus ein schlüssiges Gesamtkonzept würde. Wer offen ist für Neues, der kann dennoch bei diesem eigensinnigen und gut gespielten Werk vorbeischauen, das nur wenig mit dem zu tun hat, was man aus diesem Bereich gewohnt ist. Selbst wenn das alles nicht ganz passt, ist es doch deutlich interessanter als ein Großteil der Exorzismus-Produktionen, die sich noch immer im B-Movie-Segment tummeln und die man kaum auseinanderhalten kann.
OT: „Agnes“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Mickey Reece
Drehbuch: Mickey Reece, John Selvidge
Musik: Nicholas Poss
Kamera: Samuel Calvin
Besetzung: Molly C. Quinn, Sean Gunn, Hayley McFarland, Chris Browning, Rachel True, Jake Horowitz, Mary Buss, Ben Hall
Tribeca Film Festival 2021
Fantasia Film Festival 2021
Sitges 2021
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