Vom 7. bis 21. September 2022 gibt es beim Fantasy Filmfest wieder zahlreiche Filme aus den Bereichen Horror, Thriller, Action, Fantasy und Science-Fiction, zusammengetragen aus aller Welt. Schon mehrfach haben wir uns mit dem Team vom Fantasy Filmfest über ihr jährlich durch Deutschland tourendes Genrefestival unterhalten. Nachdem wir 2019 mit Rainer Stefan sprachen und 2020 Frederike Dellert zu Wort kommen ließen, ist dieses Mal Artur Brzozowski an der Reihe, der Dritte im Leitungstrio. Mit ihm reden wir über das Programm der 2022er Ausgabe, die Auswirkungen von Corona, aber auch eine neue Interview-Reihe namens Let’s Talk about … Fresh Blood, die exklusiv zu den Filmen des Newcomer-Wettbewerbs geführt wurden.
Wir befinden uns jetzt im dritten Corona-Jahr. Die Pandemie hatte dabei natürlich auch beim Fantasy Filmfest große Auswirkungen. Wie sehr seid ihr dieses Jahr noch davon beeinflusst oder beeinträchtigt?
Corona-Regeln oder Beschränkungen gibt es dieses Jahr kaum noch. Einige der Kinos dürfen nach wie vor keine volle Besetzung haben. Aber das ist die Ausnahme und auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Inhaltlich spüren wir die Auswirkungen aber nach wie vor. Die Branche stand lange still, was du noch an den Budgets merkst oder auch der Verfügbarkeit von Filmen. Manche Filme wurden mehrfach verschoben, aus verschiedensten Gründen, oder sind bei Streamingdiensten gelandet. Die Zusammenarbeit mit den Lizenzgebern hat sich auch verändert. Viele wissen selbst nicht so genau, was die beste Strategie für sie ist. Es kostet uns dadurch mehr Zeit und Kraft, einen Film zu bekommen, als noch vor der Pandemie.
Hängt damit auch zusammen, dass ihr weniger Filme gezeigt habt? Die White Nights und die Nights wurden zuletzt zusammengelegt, die Sommer-Ausgabe ist kürzer als früher.
Wir haben aufgrund von Corona natürlich verkleinern müssen wie alle anderen Filmfestivals auch. In Zukunft planen wir aber, wieder so viele Filme wie früher zu zeigen. Wir haben dabei aber umstrukturiert. So gibt es im nächsten Jahr wieder die separaten White Nights mit zehn Filmen im Januar. Die Nights im April werden erweitert und sollen in Zukunft weiterhin etwa 20 Filme auf vier Tage verteilt zeigen, weil wir gemerkt haben, dass das sehr gut angekommen ist. Die Hauptausgabe ist dafür kürzer und enthält etwa 35 Filme. Übers Jahr gerechnet hat sich also, was die Anzahl der Filme angeht, nicht viel verändert. Wir haben das nur etwas verschoben und stärker verteilt. Das hilft uns im Hinblick auf die Verfügbarkeit der Filme, weil sich das Veröffentlichungsfenster zwischen Premiere und Streaming stark verkürzt hat. Filme, die im Frühjahr noch superaktuell sind, kannst du im September schon gar nicht mehr zeigen, weil die da einfach durch sind. Durch die Verschiebung können wir also mehr unserer Wunschfilme zeigen.
Auf welche Filme der aktuellen Ausgabe seid ihr besonders stolz, dass ihr sie bekommen habt?
Wir sind natürlich superstolz auf unseren Eröffnungsfilm Don’t Worry Darling, den wir schon kurz nach der Premiere in Venedig zeigen durften. Oder auch die asiatischen Filme, die wir im Programm haben und oft mit großen Budgets arbeiten konnten wie unser Abschlussfilm Emergency Declaration. Aber es sind gar nicht zwangsläufig die großen Filme, bei denen wir stolz sind. Oft ist es sogar gerade bei kleinen Filmen schwierig, die noch nicht nach Deutschland verkauft wurden, weil die sich dann denken: Kauft den Film später noch jemand, wenn wir den jetzt schon in sieben Städten zeigen? Auch das hat sich geändert: Die Rechteinhaber sind sehr vorsichtig geworden und warten oft erst ab, wie die Lage bei den potenziellen Käufern aussieht, bevor sie sich entscheiden. La Pietà, der in Karlovy Vary zuerst gezeigt wurde, ist einer dieser kleinen unverkauften Filme, bei denen wir sehr froh sind, dass wir sie bekommen konnten.
Was wären denn Beispiele für Filme, die ihr aus welchen Gründen auch immer nicht bekommen habt? Es gab diverse heiß erwartete Filme, bei denen Fans gehofft haben, dass sie bei euch gezeigt werden wie zum Beispiel Pearl.
Das ist immer eine schwierige Frage, denn in dem Moment, in dem wir einen Film nicht bekommen, reden wir auch nicht mehr groß darüber. Das Thema ist dann durch. Nur weil ein Film nicht bei uns gezeigt wird, heißt das übrigens nicht automatisch, dass wir ihn nicht bekommen haben. Zum einen haben wir ja noch die Nights im nächsten Jahr, für die wir schon planen und bei denen wir Filme zeigen können, die noch keinen Start in Deutschland hatten. Aber es gibt auch klar Filme, bei denen es einen großen Run gab und über die viel geschrieben wurde, die uns am Ende aber nicht überzeugt haben und bei denen wir deshalb von uns aus absagen.
Du hast gerade die asiatischen Filme angesprochen. Dabei fällt auf, dass es sich ausschließlich um südkoreanische Filme handelt, während es beispielsweise nichts aus China oder Japan gab. Hängt das damit zusammen, dass es um Südkorea einen enormen Hype in den letzten Jahren gab und ihr damit einem Trend folgt?
Das hat sich so ergeben. Wir versuchen bei unserer Programmierung natürlich schon, eine große Breite anzubieten, sowohl im Hinblick auf Genres und Inhalt wie auch auf Produktionsländer. Aber es bringt uns jetzt nichts, irgendwelche Quoten einzuführen, nur damit von allem etwas drin ist. Dieses Mal war es einfach so, dass uns so viele aus Südkorea wirklich begeistert haben. Natürlich haben wir über das Thema intern diskutiert, weil wir selbst unsicher waren, was die beste Entscheidung ist. Im Zweifel wollen wir aber doch die Filme nehmen, die uns besser gefallen.
Ganz allgemein: Welche Trends beobachtet ihr zurzeit in eurem Bereich?
Wir beobachten, dass immer mehr Frauen im Genrekino Regie führen. Außerdem war auffällig, wie viele unbedingt etwas zum Thema Virus machen wollten, wohl um ganz aktuell zu sein. Da stimmt oft aber die Qualität nicht. Ansonsten hat sich inhaltlich nicht so viel verändert. In unserem Programm haben wir dieses Mal eine Reihe von Filmen, die sich irgendwie mit dem Thema Familie auseinandersetzen. Vielleicht ist das auch eine Folge von Corona, weil wir in der Zeit sehr viel mit unseren Familien verbracht haben und das Thema daher allen etwas näher ist.
Eine große Neuerung dieses Jahr bei euch sind die Interviews, die zu den Beiträgen des Fresh Blood Awards geführt wurden. Wie kam es dazu?
Wir nehmen an einem Förderungsprogramm für Filmfeste teil, das vom Goethe Institut geführt wird. Dabei wurden deutsche Festivals aufgerufen, nachhaltige Konzepte zu entwickeln und sich damit zu bewerben. Nachhaltig bedeutet dabei, dass diese Sachen nicht nur während des Festivals aktuell sind, sondern dass man sie auch zwischen den Festivals erleben kann. Wir haben uns dabei überlegt, Interviews zu dem Fresh Blood Wettbewerb zu führen, bei dem wir Debütfilme bzw. Zweitfilme zeigen. Wir wollten die schon immer noch ein bisschen stärker präsentieren, können aber aus verschiedenen Gründen nicht alle als Gäste aufs Festival holen. Also dachten wir, wir führen vorab lauter Interviews und stellen die zehn Filme dadurch noch etwas näher vor. Eine Kurzfassung der Interviews, die etwa fünf Minuten dauert, wird während des Festivals im Anschluss an den jeweiligen Film gezeigt. Die Langfassung findet ihr bei uns auf unserer Homepage und auf unseren Kanälen.
Sind die dort dann dauerhaft zu finden?
Das ist der Plan, ja. Die Seite lebt zwar natürlich von den aktuellen Events. Aber wir wollen auch eine Archivseite anbieten, in der die Interviews dauerhaft verankert sind.
Wie schwierig war es, bei den zehn Filmen auch wirklich ein Interview zu organisieren? Ihr musstet sowohl bei den Kreativen jemanden haben wie auch jemand, der das Interview führt.
Ich kann nicht sagen, dass es keine große Arbeit war. Aber die Resonanz war sehr gut, auf beiden Seiten. Wir mussten da keine große Überzeugungsarbeit leisten, die Beteiligten waren alle sehr schnell dabei. Das hat dann im Einzelfall nicht immer so geklappt wie gedacht, aus zeitlichen Gründen. Beispielsweise war der Regisseur von Freaks Out schon bei den nächsten Dreharbeiten und hatte dort nicht die Möglichkeit, das Interview mit uns zu führen. Manchmal gab es auch sprachliche Barrieren. Im Großen und Ganzen lief es aber super und wir hoffen, dass wir das in Zukunft so auch fortsetzen können.
Und weshalb habt ihr für diese Interviews auf externe Journalisten zurückgegriffen, anstatt sie selbst zu machen?
Das wollten wir nicht. Unser Ziel war es, auch bei den Interviews eine möglichst große Vielfalt zu haben, und haben deshalb die unterschiedlichsten Leute zusammengeführt. Durch unsere Arbeit haben wir glücklicherweise gute Beziehungen zu zahlreichen Journalisten, aber auch Bloggern und Podcastern. Wichtig war uns, dass sie online-affin sind, weil es eben Online-Interviews sein sollten. Ansonsten haben wir uns komplett rausgehalten und uns in keines der Interviews eingemischt, weil die Gespräche von der jeweiligen Persönlichkeit leben. Manche arbeiten sachlich, andere stellen eher provokante Fragen. Und eben diese Mischung wollten wir. Für uns sind die Filme wie unsere Babys. Deswegen war es auch für uns spannend, andere Perspektiven auf sie zu sehen.
Da die Interview-Reihe zu den Fresh Blood Filmen geführt wurden: Hand aufs Herz, wie schwierig ist, tatsächlich noch etwas Frisches zu entdecken? Ihr macht das schon so lange, dass ihr doch inzwischen das Gefühl haben müsst, alles einmal gesehen zu haben.
Das kommt schon vor, ja. Du denkst dann: „nicht noch ein Zombiefilm!“ oder „nicht noch ein Virusfilm!“. An den Stellen müssen wir uns dann selbst daran erinnern, immer offen zu bleiben. Denn manchmal wirst du tatsächlich noch überrascht. Ich lese deshalb vorher auch nach Möglichkeit nicht, was in einem Film geschieht, sondern lasse das auf mich zukommen. Die Schwierigkeit besteht also weniger darin, tatsächlich frische Stoffe zu finden. Die gibt es immer noch. Die Schwierigkeit oder die Herausforderung ist vielmehr, sich von dem eigenen Ballast zu befreien und nicht zu glauben, dass man schon alles gesehen hat. Denn das versperrt dir die Sicht auf die ganzen tollen Titel da draußen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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