Auch wenn sich die bisherigen Dokumentarfilme von Florian Heinzen-Ziob thematisch deutlich unterscheiden, so geht es bei ihnen doch oft um eine Form des kulturellen Austausches und internationale Begegnungen. In Klasse Deutsch nahm er uns mit in eine spezielle Schulklasse, in der Immigrantenkinder auf das Leben in einer deutschen Schule vorbereitet werden sollen. Original Copy – Verrückt nach Kino wiederum, damals noch mit seinem Vater Georg Heinzen umgesetzt, stellt uns die Menschen in einem kleinen indischen Kino vor, welche sich ebenso tapfer wie vergeblich gegen die Gentrifizierung wehren und dabei auf handgemalte Kinoplakate setzen. Bei Dancing Pina wird nun die Kunstform gewechselt. Dieses Mal dreht sich alles um das Thema Tanzen.
Das Erbe einer großen Choreografin
Der Titel bezieht sich dabei auf Pina Bausch, die über viele Jahre als Choreografin eine Größe der internationalen Tanzszene war. So entwickelte sie in den 1970ern das Konzept des Tanztheaters maßgeblich mit, das 1973 von ihr gegründete Tanztheater Wuppertal trägt bis heute ihren Namen. Dancing Pina ist jedoch kein reiner Rückblick auf das Leben und Wirken der 2009 verstorbenen deutschen Künstlerin. Stattdessen ist der Film fest im hier und jetzt verankert, wenn Heinzen-Ziob zwei Ensembles folgt, die viele Jahre nach dem Tod die Arbeit von Bausch fortsetzen wollen. Da wäre zum einen die bekannte Semperoper in Dresden. Aber auch der École des Sables in einem Fischerdorf in der Nähe von Dakar stattet der Regisseur einen Besuch ab und blickt den Tänzern und Tänzerinnen über die Schulter.
Auf der einen Seite eine imposante, renommierte Oper, auf der anderen ein Fischerdorf – das klingt schon sehr nach Culture Clash. Dancing Pina geht es aber weniger darum, die Unterschiede zwischen den beiden Orten und den dortigen Menschen herauszuarbeiten. Schließlich eint beide Ensembles, dass sie die Choreografien von Pina Bausch fortsetzen und in ihrem Sinne weiterentwickeln wollen. Als Kontrast ist das spannend, da sie alle verschiedene Einflüsse mitbringen und damit eigene Akzente setzen. So finden Elemente des Streetdance oder traditioneller afrikanischer Tänze Einlass in die Hinterlassenschaften der Tänzerin, verändern diese. Dabei geht es immer darum, das Bewährte und den Gedanken zu bewahren, aber an heutige Zeiten und heutige Menschen anzupassen.
Die Menschen hinter dem Tanz
Für das Publikum ist es interessant, bei diesen Entwicklungsprozessen dabei zu sein und die einzelnen Schritte zu sehen auf dem Weg zur neuen Choreografie. Zu sehen gibt es in Dancing Pina ohnehin genug. Da wären einerseits die Tänze an sich, die zwischen filigran und kraftvoll wechseln. Aber selbst wer sich nicht unbedingt zu den großen Tanzfans zählt, bekommt einiges für die Augen geboten. Gerade zum Ende hin sind Florian Heinzen-Ziob und seinem Kameramann Enno Endlicher einige umwerfende Aufnahmen gelungen. Der Dokumentarfilm, der unter anderem auf dem DOK.fest München 2022 lief, ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein sehenswerter Einblick in diese Welt.
Er hat aber auch inhaltlich einiges zu bieten. Pina Bausch setzte bei ihren Tänzen immer auf das Individuelle und Persönliche, anstatt sich rein der technischen Perfektion zu unterwerfen, wie man das zuweilen aus dem Ballett kennt. Ebenso neugierig begegnet Dancing Pina den Tänzern und Tänzerinnen, die hier etwas Neues und Eigenes erschaffen wollen. Natürlich ist es kein innovativer Ansatz, die Tanzszenen mit Interviews abwechseln zu lassen, bei denen die Mitwirkenden zu Wort kommen. Aber es trägt doch dazu bei, dass die Dokumentation in ihrem Streben nach künstlerischem Ausdruck die Menschen unterwegs nicht vergisst. Auch wenn sie alle ein gemeinsames Ziel verfolgen und zu dem Zweck zusammenarbeiten, so haben sie doch die unterschiedlichsten Geschichten zu erzählen.
OT: „Dancing Pina“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Florian Heinzen-Ziob
Drehbuch: Florian Heinzen-Ziob
Musik: Igor Stravinsky, Christoph Willibald Gluck
Kamera: Enno Endlicher
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