Als eine ältere Patientin in einem Krankenhaus einen Herzstillstand erleidet und kurze Zeit später stirbt, ist der Schock groß. Und die Verwunderung: Zuvor hatte es keine Hinweise darauf gegeben, dass eine Herzschwäche vorliegt. Dr. Vaculik (Ivan Trojan) kommt die Geschichte eigenartig vor, weshalb er weitere Untersuchungen anordnet. Als dabei weitere Ungereimtheiten entdeckt werden, zögert Karel Kriz (Petr Lnenicka), der Leiter des Krankenhauses, nicht lange und schaltet die Polizei ein. Was wenn es vorsätzlicher Mord war? Tatsächlich findet sich auch schnell eine Verdächtige: Krankenschwester Hana Kucerová (Klara Meliskova) hatte in jener Nacht Dienst und irritierte mit ihrer distanzierten, gleichgültigen Art …
Ein vermeintlich versteckter Mord
Es liegt natürlich ein wenig in der Natur der Sache, dass Krankenhäuser oder auch Altersheime Orte sind, an denen die Menschen selbst bei bester Pflege sterben. Das bringt der Zustand der Menschen, die dort unterkommen, so mit sich. Das wiederum macht sie zu besonders perfiden Schauplätzen von Krimis: Nirgends lassen sich Todesfälle leichter verstecken als an einem Ort, an dem Menschen sowieso sterben und wo viele keinen Verdacht schöpfen werden. Man muss erst einmal merken, dass überhaupt ein Verbrechen begangen wurde. Das kam dem Krankenpfleger Niels Högel zugute, der mindestens 80 Morde begangen hat und als Inspiration für den TV-Film Das weiße Schweigen diente. Nun wird auf arte mit Die Verdächtige eine Serie ausgestrahlt, die zumindest anfangs sehr an den Vorfall erinnert.
Und doch ist der deutsche Film und die tschechisch-französisch-deutsche Coproduktion inhaltlich nicht ganz miteinander zu vergleichen. Wo beim genannten Das weiße Schweigen von Anfang an klar ist, dass der Krankenpfleger ein Serienmörder ist, der für Anerkennung über Leichen geht, da weiß man bei Hana nicht, woran man ist. Damit verbunden ist eine deutliche Unterscheidung der zwei Hauptfiguren. Anders als der überzeugte Killer, der alle mit seinem Charme in den Bann zieht, da ist die ältere Pflegerin in Die Verdächtige nicht unbedingt eine Sympathieträgerin. Sie ist wortkarg, schaut ständig grimmig drein, scheint sich für niemanden zu interessieren. So jemandem traut man dann doch ohne Weiteres einen Mord zu. Es gelingt Hauptdarstellerin Klara Meliskova an der Stelle sehr gut, die notwendige Ambivalenz aufrechtzuerhalten.
Eine Schuld ohne Beweis
Stärker als der besagte Kollege ist das hier deshalb durchaus auch ein Krimi, bei dem das Publikum rätseln darf: War sie es oder war sie es nicht? Damit einher geht ganz klassisch ein Geschichtsdrama, das die Schuldfrage offiziell klären will. Wenigstens juristisch wird auf diese Weise für eindeutige Antworten gesorgt. Nur ist diese Schuldfrage lediglich ein Teilaspekt von Die Verdächtige. Bei der Miniserie, die auf der Berlinale 2022 lief, geht es einerseits darum, was geschehen ist. Vor allem geht es aber darum, was geschehen wird. Wie geht ein Mensch damit um, den alle für eine Mörderin halten? Was bedeutet dies für die Familie? Und ist es bei einem derart schrecklichen Verdacht überhaupt möglich, neutral und voreingenommen zu bleiben?
Zum Teil zumindest erinnert Die Verdächtige an Titel wie Die Jagd, bei denen Menschen vorverurteilt wurden, ohne dass es zu dem Zeitpunkt eindeutige Beweise gab. Die Serie gewinnt auf diese Weise auch eine gesellschaftliche Relevanz, die weit über die Frage nach der Schuld oder Nicht-Schuld hinausgeht. Das Publikum darf einerseits vier Episoden à rund 50 Minuten lang gespannt sein, was am Ende rauskommt. Es darf aber auch über den Abspann des Finales hinaus kräftig diskutieren. Darüber wie wir mit Menschen umgehen und wie sehr unsere Wahrnehmung beeinflusst wird. Sogar kleinere Passagen zum Gesundheitssystem gibt es, wenn mal wieder lauter Beschäftigte in dem Sektor über eine Überbelastung klagen. Nur eines gibt es nicht: Gewinner. Denn am Ende des Dramas haben alle großen Schaden davongetragen, ohne dass Vergleichbares in Zukunft verhindert werden könnte.
OT: „Podezrení“
IT: „Suspicion“
Land: Tschechische Republik, Frankreich, Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Michal Blasko
Drehbuch: Stepan Hulík
Musik: Jonatan Pastircak
Kamera: Adam Mach
Besetzung: Klara Meliskova, Denisa Baresova, Ivan Trojan, Jan Nedbal, Petr Lnenicka, Marek Pospichal, Miroslav Hanus, Johana Matouskova
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