Dass Conny (Anne Zander) und Simon Ebert (Benjamin Piwko) beide nicht hören können, stört sie nicht weiter. Sie haben sich ebenso wie ihre beiden gehörlosen Kinder damit arrangiert und sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Für die gelegentlichen Kommunikationen mit der Außenwelt haben sie immer noch Jette Blankenburg (Laura Lippmann), die Schwester von Conny. Diese brauchen sie auch, als ihnen eines Tages der Arzt Prof. Dr. Theo Rotschild (Kai Wiesinger) sagt, durch eine Operation könnte ihre zweijährige Tochter Mila (Delia Pfeffer) hören lernen. Als die Familie sofort ablehnt, schaltet Rotschild das Jugendamt ein, um den Fall juristisch klären zu lassen. Richterin Jolanda Helbig (Claudia Michelsen) soll entscheiden, ob der Wunsch der Eltern oder das Kindeswohl überwiegt. Keine leichte Entscheidung, zumal dies auch Auswirkungen auf ihre Ehe mit Jonas (Jan Krauter) hat …
Hören oder nicht hören?
Sollten Filme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mehr sein als reine Unterhaltung? Daran scheiden sich immer wieder die Geister. Während die einen es begrüßen, wenn die Sender gesellschaftliche Debatten aufgreifen und Diskussionen anstoßen, fühlen andere sich dadurch unsachgemäß bedrängt und bevormundet. Letztere sollten lieber einen großen Bogen um Du sollst hören machen. Nicht nur dass das ZDF-Drama ein Thema aufgreift, welches mit Sicherheit zu hitzigen Auseinandersetzungen führen wird. Es liefert darüber hinaus auch das Fazit gleich mit, an dem sich das Publikum implizit zu orientieren hat – nur einer von mehreren schwierigen Punkten beim TV-Film.
Grundsätzlich ist das Thema dabei durchaus interessant. So wird hier die immer mal wieder diskutierte Frage aufgegriffen, ob gegen den Willen der Eltern ein medizinischer Eingriff bei Minderjährigen ausgeführt werden darf, wenn diese davon profitieren würden. Kindeswohl hatte sich dazu vor einigen Jahren Gedanken gemacht und ebenfalls eine Richterin in diese schwierige Lage manövriert. Du sollst hören stellt darüber hinaus die Frage, inwieweit Gehörlosigkeit ein tatsächlicher Makel ist, der behoben werden sollte. Die meisten würden an der Stelle sofort ja sagen. Wer die Wahl hat zwischen Hören und Nicht-Hören, wird sich immer für Ersteres entscheiden. Einem diese Möglichkeit zu nehmen, das kann bei Außenstehenden schon mindestens Unverständnis hervorrufen. Vielleicht auch Wut auf die vermeintlich egoistischen Eltern, die einfach nur eine Entfremdung vom Kind befürchten.
Zu viel Drama, zu wenig Diskussion
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, wie sich im Laufe des Films herausstellt. So ist der Eingriff mit Risiken verbunden, wird auch Folgebehandlungen erfordern. Es gibt also auch medizinische Argumente, die man vorbringen kann. Du sollst hören lässt sich jedoch sehr viel Zeit, um mit diesen rauszurücken. Die eigentliche Diskussion, welche die Eltern führen aber, ist dass sie sich diskriminiert fühlen. Sie verbieten sich sowohl jedwede Einmischung wie auch die Vorstellung, dass Gehörlosigkeit ein Makel ist und vertreten diesen Punkt von Anfang an mit einer spürbaren Aggression. Inklusion, so sagt der Film, bedeutet auch, die Wertung dieser körperlichen Besonderheit zu vermeiden. Dem mag man nun zustimmen oder nicht. Aber es ist schon ein spannender Ansatz, zu dem man sich lange austauschen kann.
Bedauerlicherweise tut der Film aber eben das nicht. Die eigentliche Auseinandersetzung mit Pro und Contra, wie man sie bei den Diskussionsdramen wie Ferdinand von Schirach: Feinde oder Ökozid findet, fehlt hier. Statt Nuancen und Abwägungen gibt es nur Schlagworte, die sich beide Seiten um die Ohren hauen. Umso irritierender ist, dass Helbig am Ende dennoch zu einem Urteil kommt und sie urplötzlich einen Schluss zieht, der sich nicht plausibel aus dem Vorangegangenen ergibt. Da wurde beim Drehbuch schon ziemlich geschlampt. Besonders ärgerlich ist in der Hinsicht, dass Autorin Katrin Bühlig (Tatort: Die dritte Haut) ein zweites großes Thema aufmacht, indem die Richterin einen eigenen Schicksalsschlag aufarbeitet. Dieser hat mit dem diskutierten Fall überhaupt nichts zu tun, ist ziemlich dick aufgetragen und führt nur dazu, dass immer wieder Zeit verschwendet wird, die entsprechend bei der Diskussion fehlt. Das ist sehr schade, weil die Grundidee gut ist, der Einsatz für Akzeptanz löblich und mit Anne Zander und Benjamin Piwko zwei tatsächlich Gehörlose agieren. Aber es mangelt dann doch am filmischen Feingefühl, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
OT: „Du sollst hören“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Petra K. Wagner
Drehbuch: Katrin Bühlig
Musik: Helmut Zerlett
Kamera: Peter Polsak
Besetzung: Claudia Michelsen, Anne Zander, Benjamin Piwko, Jan Krauter, Kai Wiesinger, Laura Lippmann
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