Ihr ganzes Leben lang hat sich Edie (Sheila Hancock) um andere gekümmert und sich nach deren Wünschen gerichtet. Nun ist sie 83 und von ihrem bisherigen Leben ist nicht mehr viel übrig. Ihr Mann ist verstorben, die Tochter hat sie in ein Altersheim gebracht. War das jetzt schon alles? Was ist mit ihren eigenen Träumen und Wünschen? Zumindest einen will sie sich aber noch erfüllen: den Berg Suilven in den schottischen Highlands erklimmen. Also packt sie ihre alte Wanderausrüstung zusammen und will sich noch einmal auf den Weg machen. Unterwegs trifft sie auf den jungen Johnny (Kevin Guthrie), der ihr dabei helfen soll, sich auf das Abenteuer vorzubereiten. Einfach ist das nicht, hat die alte Dame doch einen ausgeprägten Dickkopf …
Die Freuden eines späten Lebens
Mit der steigenden Lebenserwartung und einer damit einhergehenden längeren Fitness der Menschen wurde in den letzten Jahren ein älteres Publikum als neue Zielgruppe für Filme entdeckt. Klar, zum Teil gab es die natürlich vorher auch schon. Das hiesige öffentlich-rechtliche Fernsehen wurde schließlich nicht ganz grundlos als Rentner TV verunglimpft. Neu war jedoch, dass in diesen neuen Produktionen die ältere Zielgruppe aufgemuntert werden soll, noch einmal rauszugehen, die Welt zu entdecken und sich selbst zu verwirklichen. Bei Tanz ins Leben und Britt-Marie war hier ging es um ältere Damen, die sich neu erfinden, nachdem sie jeweils ihren Ehemann beim Fremdgehen erwischten. Edie – Für Träume ist es nie zu spät geht in eine ähnliche Richtung, mit dem Unterschied, dass der Gatte hier sterben muss, damit die Frau an sich selbst denkt.
Und auch bei der Wahl der Selbstverwirklichung geht der britische Film in eine etwas andere Richtung. Statt Tanzen bzw. Fußballtraining ist hier Wandern angesagt. Jedoch nicht das gemütliche Kaffee-und-Kuchen-Wandern durch nette, hübsche Wald- und Wiesen-Landstriche. Stattdessen wird hier der Protagonistin einiges abverlangt. Wenn sie sich in Edie – Für Träume ist es nie zu spät durch die raue Gegend schleppt, dabei Wind und Gezeiten ausgesetzt ist, dürften schon jüngere Wandernde gefordert sein. Ein Mensch jenseits der 80? Das ist ein fast schon absurdes Unterfangen, ohne realistische Aussicht auf Erfolg. Entsprechend skeptisch ist dann auch Johnny, der zwar das Geld gern entgegennimmt, jedoch wie alle erwartet, dass die Seniorin es ohnehin nicht schafft.
Konventionell, aber schön bebildert
Oder besser: fast alle. Die Zuschauer und Zuschauerinnen gehen natürlich schon davon aus, dass die Titelheldin es allen anderen zeigt und den Wahrscheinlichkeiten trotzt. Warum sonst sollte man diese Geschichte erzählen wollen? Und warum sollte man sie sich anschauen wollen? Edie – Für Träume ist es nie zu spät entspricht an diesen Stellen brav den Erwartungen. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Der Film hält sich schon sehr an das dramaturgische Regelbuch. Größere erzählerische Ambitionen hatte hier niemand. Auch bei der Inszenierung ist das hier alles nicht erwähnenswert. Wenn der Film in der Hinsicht auffällt, dann durch eher ärgerliche Elemente wie die aufdringliche Musik, wenn es besonders dramatisch werden soll. Da wird es mal wieder richtig plump.
Es wird auch kontraproduktiv, da ein wesentlicher Reiz des Films in der rauen Natur liegt, durch die Edie wandert. Die Illusion, beim Zuschauen wirklich vor Ort zu sein, wird aber, wie beispielsweise zuvor auch bei Everest, durch diese Manipulationen zunichtegemacht. Es ist schwer sich vorzustellen, isoliert in einer Wildnis zu sein, wenn über allem ein Musikteppich liegt. Dennoch, da sind immer wieder sehenswerte Passagen dabei. Und auch die schauspielerische Klasse der Veteranin Sheila Hancock entschädigt für das zum Teil mäßige Drumherum. Die überwiegend als Theaterschauspielerin bekannte Engländerin ist in der Rolle der starrköpfigen Seniorin eine echte Entdeckung. Es macht einfach Spaß ihr dabei zuzusehen, wie sie die Leute umherscheucht, was auch immer wieder für humorvolle Momente gut ist, welche das Wohlfühl-Drama auflockern.
OT: „Edie“
Land: UK
Jahr: 2017
Regie: Simon Hunter
Drehbuch: Elizabeth O’Halloran
Musik: Debbie Wiseman
Kamera: August Jakobsson
Besetzung: Sheila Hancock, Kevin Guthrie, Wendy Morgan, Amy Manson, Paul Brannigan, Donald Pelmear
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