Die Freude ist groß bei Lena (Franziska Machens) und Kurt (Til Schweiger), als sie gemeinsam ein kleines Häuschen kaufen. Zugegeben: Es ist ziemlich heruntergekommen, die Renovierungsarbeiten erscheinen endlos. Wie viel Zeit und Geld sie werden investieren müssen, ist beim besten Willen nicht abzusehen. Aber sie freuen sich darauf, gemeinsam mit Kurts Sohn Kurt (Levi Wolter) aus einer früheren Beziehung ein eigenes Zuhause schaffen zu können. Doch das junge Glück endet eines Tages sehr plötzlich, als Kurt junior beim Spielen auf einem Klettergerüst hinunterfällt und dabei stirbt. Für Kurt senior und seine Ex-Frau Jana (Jasmin Gerat) beginnt eine Zeit der intensiven Trauer. Aber auch Lena muss sich fragen, wie sie mit dieser Situation umgehen soll …
Ein Kassenmagnet auf neuen Wegen
Til Schweiger war über viele Jahre hinweg das natürliche Feindbild all derjenigen, die deutschen Filmen kritisch gegenüberstehen. Nicht nur dass seine Komödien irgendwie alle gleich waren und meistens von einer überschaubaren Qualität. Sie waren auch noch unverschämt erfolgreich. Regelmäßig zogen sie ein Millionenpublikum an, selbst das katastrophale Klassentreffen 1.0 – Die unglaubliche Reise der Silberrücken lockte noch mehr als 1,1 Millionen Menschen in die Kinos. Doch der Trend geht seit einigen Jahren spürbar nach unten. Die Rettung der uns bekannten Welt war 2021 sogar ein heftiger Flop. Ob das bei dem umstrittenen Filmemacher für ein Umdenken gesorgt hat, ist nicht bekannt. Auffällig ist aber, dass seine neue Regiearbeit Lieber Kurt gleich mehrfach mit der Tradition bricht. So startet diese nicht mehr bei einem Major, sondern einem vergleichsweisen kleinen Verleih. Sie wurde auch der Presse vorab zur Verfügung gestellt, was Schweiger rund 15 Jahre lang verhinderte. Außerdem ist das hier mal keine Komödie.
Stattdessen begibt sich der Regisseur und Co-Autor in deutlich dramatischere Gefilde. Das ist bei dem Stoff nicht verwunderlich: Dümmlicher Brachialhumor ist dann doch etwas fehl am Platz, wenn ein Vater seinen Sohn verloren hat. Lieber Kurt handelt dann auch maßgeblich davon, wie Kurt senior irgendwie den Tod seines gleichnamigen Sohnes verarbeiten soll, was ihm mal schlechter, mal noch schlechter gelingt. Er wüsste aber auch nicht, wie es besser gehen soll. Floskeln wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ will er ebenso wenig hören wie gut gemeinte Vorschläge. Die meiste Zeit vegetiert er vor sich hin. Manchmal wird er auch ausfallend und schleudert anderen die hässlichsten Sachen an den Kopf. Schweiger war in seinen Filmen selten für Zurückhaltung bekannt. Das ist bei seinem Drama nicht anders.
Individuelle Trauerarbeit
Da sind schon einige gelungene Szenen dabei. Interessanter sind aber die, bei denen es gar nicht um Kurt selbst geht, sondern seine Freundin Lena. Auch sie ist furchtbar traurig und weiß nicht damit umzugehen. Wie viel darf sie trauern, wenn es gar nicht um ihr Kind geht? Was ist ihre Aufgabe als jemand, der dazu gehört, gleichzeitig aber nicht so richtig? Im Vergleich zum Roman Kurt von Sarah Kuttner (Mängelexemplar), auf dem der Film basiert, haben Schweiger und seine Co-Autorin Vanessa Walder (bayala – Das magische Elfenabenteuer) die Perspektive jedoch in Richtung Kurt verschoben. Ging es in der Vorlage ganz allgemein darum, dass sich die Protagonistin in dieser Figurenkonstellation zu finden versucht, steht beim Film eindeutig die Trauer des Vaters im Mittelpunkt.
Das ist schade, weil die Perspektive der Freundin die interessantere war. So wird Lieber Kurt über längere Zeit doch zu einem „gewöhnlichen“ Trauerdrama. Auch der gelegentliche Hang zum Kitsch, den sich Schweiger nicht abgewöhnen kann oder mag, schmälert den Eindruck. Dennoch, das Drama ist mit Abstand der beste Film, den der oft geschmähte Regisseur seit Langem gedreht hat. Das liegt auch an der Besetzung. Seine Popularität nutzte Schweiger immer wieder, um gute Ensembles um sich zu versammeln, selbst wenn diese nicht immer viel zu tun bekamen. Hier darf es aber durchaus Akzente setzen und Qualitäten zeigen, wenn sich der Film auf mehreren Wegen dem Thema Trauerarbeit annähert und dabei auch das Individuelle beim Trauern betont.
OT: „Lieber Kurt“
Land: Drama
Jahr: 2022
Regie: Til Schweiger
Drehbuch: Vanessa Walder, Til Schweiger
Vorlage: Sarah Kuttner
Musik: Martin Todsharow
Kamera: René Richter
Besetzung: Til Schweiger, Franziska Machens, Levi Wolter, Jasmin Gerat, Heiner Lauterbach, Marie Burchard, Peter Simonischek
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