Die Welt hat keine Bedeutung mehr! Davon ist zumindest Pierre-Anthon (Harald Kaiser Hermann) überzeugt, weshalb sich der Teenager eines Tages auf einen Baum zurückzieht und nicht gedenkt, diesen noch einmal zu verlassen. Seine Mitschüler und Mitschülerinnen wollen das aber nicht einfach so akzeptieren und beschließen deshalb, dem Abtrünnigen zu beweisen, dass es sehr wohl Dinge auf dieser Welt gibt, die etwas bedeuten. Und so beginnen sie alle unter der Anleitung von Agnes (Vivelill Søgaard Holm), jeweils ein Objekt zu bringen, welches für sie eine persönliche Bedeutung hat. Doch der erste Anlauf ist bescheiden. Die eingesammelten Sachen sind dann doch eher Wegwerfware. Erst beim zweiten Mal beginnen sie, tatsächlich etwas zu finden, was für die Einzelnen ein schmerzhafter Verlust bedeutet …
Die Suche nach dem Sinn
Die meisten dürften irgendwann in ihrem Leben einmal an dem Punkt ankommen, an dem sie die große Sinnfrage stellen. Hat das, was ich tue, irgendeine Bedeutung? Wie sieht es mit meinem Umfeld aus? Kann das Leben überhaupt einen Sinn haben? Wenn in Nichts – Was im Leben wichtig ist ein Jugendlicher dem Nihilismus verfällt und ein einsames Dasein auf einem Baum dem inmitten der unten herumwuselnden Lemminge vorzieht, dann lässt sich das bis zu einem gewissen Grad also durchaus nachvollziehen. Die Sehnsucht nach etwas Sinnstiftendem ist etwas, das nicht nur in jungen Jahren immer wieder die Herzen zu tiefer Schwermut verleitetet. Auch als Erwachsener darf es einem so ergehen, da reicht schon der Blick auf die Welt da draußen, wahlweise auf die Nachrichten, die jeden Tag auf einen niederprasseln.
Interessant an dieser speziellen Sinnsuche ist, dass es nicht der Zweifler ist, der sie startet. Der hat sich mit der Sinnlosigkeit abgefunden, scheint in seinem Baum-Asyl nicht übermäßig zu leiden. Ganz anders der Rest der Klasse, den die Vorstellung einer sinnlosen Welt so empört, vielleicht auch ängstigt, dass sie alles daran setzen will, den Aussteiger umzustimmen. Das ist naturgemäß nicht einfach. Wie soll man jemanden davon überzeugen, dass etwas einen Wert hat? Dass die Jungs und Mädchen anfangs nur irgendwelche Gegenstände rausrücken wollen, an denen sie selbst kein wirkliches Interesse hat, ist ebenso bezeichnend wie der allgemeine Fokus auf das Gegenständliche. Nichts – Was im Leben wichtig ist hätte an der Stelle durchaus eine Kritik an einer Welt sein können, die sich über Besitz definiert.
Mehr Schock als Auseinandersetzung
Doch der Bestsellerroman Nichts: Was im Leben wichtig ist der dänischen Schriftstellerin Janne Teller, der dem Film zugrunde liegt, geht in eine andere Richtung. Die Opfer der Jugendlichen entfernen sich vom rein Objektbezogenen. Sie überschreiten auch zunehmend Grenzen. Das ist Stärke und Schwäche des Films zugleich. Auf der einen Seite sind die Eskalationen durchaus in der Lage, das Publikum so richtig zu schockieren. Nicht ohne Grund feiert das Thrillerdrama auf dem Fantasy Filmfest Deutschland-Premiere. Vergleichbar zu Der Herr der Fliegen oder Playground lernen wir Teenager kennen, die in sich eine Grausamkeit entdecken, die in einem starken Kontrast zu unserer vermeintlichen Zivilisiertheit steht. Sie steht auch im Kontrast zu der anfangs guten Absicht der Klasse, die Pierre-Anthon helfen will. Hat die Eskalation erst einmal begonnen, ist die Spannung hoch, wie weit das alles noch gehen wird.
Gleichzeitig führt das aber auch dazu, dass der Film letztendlich nicht wirklich viel zu sagen hat. Anstatt sich tatsächlich mit der Frage nach einem Sinn auseinanderzusetzen, degeneriert Nichts – Was im Leben wichtig ist zu einer Shock-Veranstaltung, deren einziger Zweck darin zu bestehen scheint, eine Brutalität nach der anderen auszupacken. Hinzu kommt, dass der Ablauf der Opfer mindestens fragwürdig ist. Impliziert wird, dass es von Mal zu Mal schlimmer wird, worüber man sich im Einzelfall jedoch streiten kann – gerade bei den Geschmacklosigkeiten. Und auch bei der Auflösung bleibt das hier unter den Möglichkeiten, wenn sich urplötzlich satirische Elemente daruntermischen, die aber kaum konsequent verfolgt werden. Das ist schade, weil das so wichtige Thema damit unbefriedigend bleibt. Dennoch: Die Grundsatzfrage zusammen mit der steigenden Spannungskurve sind Grund genug, warum man sich dieses nahe der Unzumutbarkeit bewegende Thrillerdrama anschauen kann.
OT: „Intet“
IT: „Nothing“
Land: Dänemark
Jahr: 2022
Regie: Trine Piil Christensen, Seamus McNally
Drehbuch: Trine Piil Christensen
Vorlage: Janne Teller
Musik: Brooke Blair, Will Blair
Kamera: Michael Nelson
Besetzung: Vivelill Søgaard Holm, Harald Kaiser Hermann, Mia Lerdam, Shahbaz Sarwar, Peter Gantzler
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