Die Arbeit in einer kleinen Fabrik ist für Fausto (Walter Giroldini) genauso wenig erquicklich wie die Abende mit seiner Mutter und Schwester, die kein gutes Haar an ihm lassen können und ihn bereits kurz nach dem Betreten der Wohnung mit Kritik bombardieren. Dieses Wochenende soll es jedoch anders sein, denn unter heftigem Protest seiner Mutter packt er einige Sachen und macht sich auf zu dem kleinen Haus außerhalb der Stadt. Vorher holt er noch Ivan (Diego Pagotto) vom Bahnhof ab, mit dem er die nächsten Tage in der abgelegenen Behausung verbringen will. Bereits kurz nach der Ankunft kommt es zu ersten Konflikten zwischen den beiden Männern, denn Ivan moniert, dass ihm die Messer im Haus nicht scharf genug seien, für das, was die beiden geplant haben. Abermals müssen sie losziehen, zunächst in einen Heimwerkermarkt und dann zurück in das Haus von Faustos Mutter, die Ivan schließlich sogar zum Essen einlädt.
Immer deutlicher wird, was die beiden sich für das Wochenende vorgenommen haben, doch immer mehr zeigt sich, dass ihr Plan Lücken aufweist und es beiden an der Entschlossenheit mangelt, die sie eigentlich bei sich vermutet hatten. Nach einem Drogentrip sowie einer seltsamen Begegnung in einer Gaststätte des Ortes, rückt der Moment der Wahrheit näher, in dem sich die beiden fragen müssen, ob sie wirklich den Mut haben, ihr Vorhaben bis zum Ende zu bringen.
Kannibalismus, anders betrachtet
Eine Begegnung in einer Gaststätte in seiner Heimat gab Regisseur Francesco Sossai die nötige Inspiration für seinen Spielfilm Other Cannibals, der aktuell im Programm des Fünf-Seen-Filmfestivals vertreten ist. Nachdem er sich bereits im Rahmen einer Dokumentation mit dem Thema Kannibalismus auseinandergesetzt hatte, beschloss er, das Thema nochmals aus einer anderen Perspektive zu betrachten, die fernab der Konventionen beispielsweise des Horrorgenres ist. Herausgekommen ist dabei ein Film, der mehr wirkt wie eine Mischung aus Drama und Komödie, und bei der die Begegnung der Figuren zugleich eine Begegnung mit dem Dilemma ihres eigenen Lebens ist.
Es ist nicht einfach, einen Film wie Other Cannibals zusammenzufassen oder einen Eindruck von diesem zu vermitteln, ohne dabei zu viel vorwegzunehmen. In diesem Kontext sollte man auf die Idee Sossais verweisen, die im letzten Absatz beschrieben wurde, denn im Falle des Themas Kannibalismus verbinden er und Koautor Adriano Candiago immer wieder Bekanntes mit mehr als deutlichen Andeutungen, nur um dann wieder in eine ganz andere Richtung zu gehen. Der Kannibalismus wird von einer fixen Idee schnell zu einer Metapher auf das Leben und die Welt, in der sich die beiden Hauptfiguren wiederfinden, was noch verstärkt wird durch die nüchternen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Kamerafrau Giulia Schelhas. Andererseits meint man hin und wieder, dem Regisseur mit dieser Annahme auf den Leim gegangen zu sein, denn immer mehr wähnt man, dass diese Perspektive auf die Kargheit der Welt, die ewig nörgelnde Mutter oder die Gesellschaft, die einen ablehnt, nicht mehr eine Überstilisierung ist, in die sich die beiden Männern hineingesteigert haben.
Schicksalsgemeinschaft
Man merkt ziemlich schnell, dass in Other Cannibals weitaus mehr passiert als die Oberfläche zunächst vermuten lässt. Dies mag auch am Spiel von Walter Giroldini und Diego Pagotto liegen, die nicht nur eine gute Chemie miteinander haben, was man sogleich am ersten Dialog am Bahnhof bemerkt, sondern die ihre Figuren mit einer solchen Feinfühligkeit und so viel Humor spielen. Von einem hysterischen Drama mit der eigenen Familie, die das ewige Fehlen Faustos beim Tische beklagen, kommen wir dann zu einem Bild, welches die Traurigkeit dieses Charakters zeigt, der sich nach etwas mehr sehnt, ohne genau zu wissen, was dies überhaupt bedeutet. Von daher ist Other Cannibals besonders in der zweiten Hälfte sehr dialoglastig und bring immer deutlicher den inneren Konflikt der Figuren zutage, den sie beide in der Gesellschaft des anderen erörtern wollen und dadurch erst recht zu einer Schicksalsgemeinschaft werden.
OT: „Altri Cannbali“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Francesco Sossai
Drehbuch: Adriano Candiago, Francesco Sossai
Musik: Sebastian Pablo Poloni, Davide Rizzardi
Kamera: Giulia Schelhas
Besetzung: Walter Giroldini, Diego Pagotto
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