Sweetheart
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Sweetheart

Sweetheart
„Sweetheart“ // Deutschland-Start: 21. Oktober 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

AJ (Nell Barlow), eigentlich April Jane, aber so will sie künftig nicht mehr genannt werden, ist 17 Jahre alt und von ihrer Familie in den Urlaub verschleppt worden. Mit ihrer frisch alleinerziehenden Mutter Tina (Jo Hartley), den Schwestern Dayna (Tabitha Byron) und Lucy (Sophia Di Martino) sowie Lucys Freund Steve (Samuel Anderson), die zusammen das erste Kind erwarten, sitzt AJ die nächsten Tage in dem Caravan Ferienpark an der britischen Küste fest. Ein Albtraum, der mit den gemeinsamen Abendveranstaltungen und ihrer Mutter, die noch immer nicht ganz einsehen will, dass AJ sich nicht mit dem weiblichen Stereotyp identifizieren kann und will, nur schlimmer zu werden droht. Verschanzt unter Sonnenbrille und weiten Hemden, rebelliert die Jugendliche gegen jegliche Zukunftspläne. Dann allerdings lernt sie die gleichaltrige Isla (Ella-Rae Smith) kennen, die in dem Ferienpark als Rettungsschwimmerin arbeitet. Ganz plötzlich steht die Welt von AJ Kopf …

Konflikte einer jungen Generation

„Manchmal habe ich keine verdammte Ahnung, wer ich bin.“, meint AJ frustriert, als sie fast vergeblich versucht, sich über ihre Klamotten auszudrücken und ihr Outfit kritisch im Spiegel betrachtet. Nichts scheint zu passen, weder im Pulli noch im Kleid fühlt sie sich wohl und eigentlich stimmt ja sowieso nichts mit ihr. Die bildgewordene Suche nach sich selbst und der eigenen Persönlichkeit, das Zurechtfinden in einer sich verändernden Welt auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Im Coming-of-Age Genre spielen Jugendliche die Hauptrolle, die mit ihrem Gefühlschaos, ihren Unsicherheiten und ihrem Drang zum Ausbruch aus Regeln in die erste Liebe hineinschlittern, neues Selbstbewusstsein formen und einen Lebensabschnitt mit neuen Herausforderungen meistern müssen. Regisseurin und Drehbuchautorin Marley Morrison, die mit Sweetheart ihr Langfilmdebüt feiert und auf dem Glasgow Filmfest dafür bereits den Publikumspreis entgegen nehmen durfte, findet in ihrem Film eine gelungene Balance aus leichtem Drama und romantischer Komödie, das mit einem Funken Originalität gespickt, die die Konflikte einer jungen (queeren) Generation ausleuchtet.

Charmant und nahbar

Dabei geht es Morrison nicht mal darum, gleichzeitig eine Coming-Out in ihre Geschichte mit einzuflechten. Vielmehr geht es in Sweetheart um das, was danach kommt. Da ist Tina, die Mutter, die AJ unterstützt, aber trotzdem im Umgang mit ihr nach wie vor in Fettnäpfchen tritt und in vielen Situationen einfach ziemlich unbeholfen wirkt. Es wird deutlich, dass sie eben noch lernen muss, dass ihr Kind nicht mehr mit dem Mädchennamen „April“ angesprochen werden will oder sich nicht weiblich kleiden möchte. Auch wenn ihre Mutter es im Grunde nur gut mit ihr meint, führt kurz nach der Ankunft im Ferienpark ein umgepackter Koffer und ihre beiläufige, neckende Bemerkung „nur, weil du jetzt lesbisch bist, musst du dich nicht wie ein Junge anziehen“ zu einer mittelschweren Katastrophe, weil sich AJ missverstanden und bevormundet fühlt. Ein zusätzlicher Ballast, mit dem sich der Teenager auseinandersetzten muss, obwohl sie doch schon mit sich selbst den schwierigsten Kampf auszutragen hat und versucht herauszufinden, wer sie ist und wo sie hingehört. Nell Barlow, die die Hauptrolle spielt und zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen ist, schafft es charmant und nahbar in ihrer Figur das jugendliche Chaos aus Verwirrung, Unbeholfenheit, Einsamkeit, emotionalem Schmerz und Rebellion zu vereinen.

Lockere Atmosphäre und leichte Dynamik

Und selbst wenn AJ dabei des Öfteren schüchtern wirkt und sich mit Schlapphut, weiten Hemden oder ihrer orangegetönten Sonnenbrille sowie einem Buch und Kopfhörern von der Welt abzukapseln versucht, verbirgt sich hinter dem unscheinbaren Auftreten eine schlagfertige und clevere Jugendliche, die am liebsten die Schule schmeißen würde, um in Indonesien für Elefanten Pullover zu stricken. Mit bissigen und oft humorvollen bis sarkastischen Voice-overs eröffnet die Regisseurin nicht nur den Blick in die Gedankenwelt ihrer Hauptfigur, sie etabliert damit auch eine angenehm lockere Atmosphäre und leichte Dynamik, die am Ende (sehr erfreulich und erfrischend) nicht durch ein hartes Trauma oder schwermütiges Drama verdrängt werden. Und das, obwohl für AJ selbst der Familienurlaub der gefühlte Traum und Albtraum zugleich ist.

Sie muss sich nämlich nicht nur mit ihrer Familie und ihrer älteren Schwester, der „schwangeren Prinzessin von Darnstable“ (wie sie sie anfänglich noch genervt betitelt), rumschlagen, mit Isla in ihrem Leben macht die Jugendliche ganz plötzlich eine merkliche Entwicklung durch, die ihre Abwehrhaltung ein Stück weit zu Fall bringt. Auch das Verhältnis zu ihrer Mutter steht auf dem Prüfstand, wodurch beide Generationen feststellen müssen, dass es an der Zeit ist sich freizuschwimmen, um am Ende wieder gemeinsam im sicheren Hafen zu sitzen.

Credits

OT: „Sweetheart“
Land: UK
Jahr: 2021
Regie: Marley Morrison
Drehbuch: Marley Morrison
Musik: Toydrum
Kamera: Emeliy Almond Barr, Matthes Wicks
Besetzung: Nell Barlow, Jo Hartley, Ella-Rae Smith, Sophia Di Martino, Samuel Anderson, Tabitha Byron, Steffan Cennydd, Spike Fearn

Bilder

Trailer

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Sweetheart
Fazit
Die Regisseurin Morrison bringt mit ihrem Debüt „Sweetheart“ ein modernes, Queer-romantischs Coming-of-Age Komödien-Drama auf die Leinwand, das mit einer charismatischen Hauptdarstellerin besticht, die das turbulente Gefühlsleben einer Jugendlichen, die sich nicht in Schubladen pressen lassen will, in stimmige Bilder projiziert.
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