Der Schock ist groß bei Hélène Berg (Julie Gayet), als sie einen Anruf von ihrer in Paris studierenden Tochter Anya (Eden Ducourant) erhält. Diese erzählt, sie sei in einen Mordfall verwickelt worden und säße nun in Untersuchungshaft. Hélène zögert daraufhin keine Minute. Während ihr Mann Matthias (Andreas Pietschmann) weiter in Berlin bleibt und sich um den gemeinsamen Sohn Lukas (Maxim Driesen) kümmert, reist sie sofort nach Frankreich, um ihrer Tochter beizustehen. Dabei erhält sie Unterstützung von ihrer Jugendliebe Vincent Duc (Tomer Sisley), der inzwischen als Anwalt arbeitet und verspricht, alles in seiner Macht Stehende zu tun. Aber die Aufgabe stellt sich als ziemlich schwierig heraus – umso mehr, da Anya sich bei ihren Aussagen zunehmend in Widersprüche verwickelt …
Die Tochter, das unbekannte Wesen
Ein guter Krimi lebt davon, dass vieles nicht das ist, als was es zunächst erscheint. Alibis lösen sich in Luft auf, Motive erscheinen aus dem Nichts, Figuren haben Geheimnisse, von denen niemand etwas ahnt. Diesem Prinzip folgte auch Nina Darnton bei ihrem 2014 veröffentlichten Roman The Perfect Mother, welcher die Grundlage der gleichnamigen, deutsch-französischen Serie bildet, die im ZDF ausgestrahlt wird. So haben fast alle Figuren irgendetwas, worüber sie nicht reden. Mal kann es sein, dass jemand aktiv etwas verheimlicht, von dem niemand etwas wissen soll. Mal ist es das Ergebnis einer mangelnden Kommunikation, wenn das Vertrauensverhältnis – aus den verschiedensten Gründen – nicht ausreicht, um unangenehme Themen anzusprechen.
Im Mittelpunkt der rund drei Stunden langen Miniserie steht dabei das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, welches nicht so gut ist, wie es sich Hélène immer gedacht hatte. Immer wieder muss sich die Protagonistin fragen, ob sie Anya überhaupt kennt. Der interessanteste Einfall in der Hinsicht ist, dass The Perfect Mother – auf Netflix unter dem Titel Eine perfekte Mutter bekannt – dieses Motiv doppelt verwendet. Denn auch die Mutter des ermordeten Mannes muss sich diese Frage stellen, als die Suche nach dem Motiv beginnt. Beide Mütter sind in der Situation dazu bereit, alles für ihre jeweiligen Kinder zu tun, was sie automatisch zu Gegnerinnen macht. Richtig viel holt die Serie aus dieser Spiegelung aber nicht heraus. Die zweite Mutter ist letztendlich sogar ziemlich unwichtig für die Geschichte und wird irgendwann einfach zur Seite geschoben.
Zu viel begonnen, zu wenig erreicht
Das ist etwas irritierend, aber doch symptomatisch für eine Serie, die ganz viele Figuren und Elemente einfügt, ohne dass es irgendwas davon gebraucht hätte. Ob es nun um die Abi-Probleme von Lukas geht, das Thema illegale Einwanderung, kulturelle Unterschiede oder die frühere Liebesbeziehung zwischen Hélène und Vincent – nichts davon betrifft die eigentliche Geschichte. Natürlich darf eine Geschichte auch Nebenschauplätze einfügen, um das Geschehen lebendiger zu machen und die Figurenzeichnungen ausdrucksstärker. Bei The Perfect Mother ist das jedoch frustrierend, weil da durchaus Material war, das es wert gewesen wäre, etwas ausführlicher zu besprechen. So aber bleibt ein Werk, das gleichzeitig zu lang und aufgeblasen und dabei zu kurz und oberflächlich ist.
Immerhin: Über einen Mangel an Wendungen braucht sich hier niemand zu beschweren. Das ist schließlich der Vorteil, wenn niemand offen miteinander redet. Da ist viel Potenzial für Lügen, Geheimnisse oder falsche Einschätzungen. Allerdings gilt auch hier, dass The Perfect Mother ein bisschen viel Lärm um Nichts betreibt. Da wird manches aufgebauscht, zum Teil ist das auch ziemlich umständlich konstruiert. Insgesamt neigt der Krimi schon zur Seifenoper. Das darf einem natürlich gefallen, die Zuschauer und Zuschauerinnen werden sich im Anschluss kaum darüber beschweren können, dass hier zu wenig los war. Weniger wäre da aber schon mehr gewesen, das erhoffte Highlight ist nicht draus geworden.
OT: „Une Mère parfaite“
AT: „Eine perfekte Mutter“
Land: Frankreich, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Fred Garson
Drehbuch: Carol Noble, Thomas Boullé
Vorlage: Nina Darnton
Musik: Pascal Lafa, Éditions Une Musique
Kamera: Virginie Saintmartin
Besetzung: Julie Gayet, Tomer Sisley, Eden Ducourant, Andreas Pietschmann, Cyril Gueï, Frédérique Tirmont, Sylvain Dieuaide, Maxim Driesen, Julien Lopez
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