Ach du Scheiße
© Daniel Dornhoefe

Ach Du Scheiße!

„Ach du Scheiße!“ // Deutschland-Start: 20. Oktober 2022 (Kino) // 21. April 2023 (Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Es gibt sicher angenehmere Orte als ein Dixi-Klo – und wenn man schon dort aufwachen muss, dann doch bitte wenigstens ohne Metallstange im Arm und mit unverschlossener Tür. Leider muss Architekt Frank (Thomas Niehaus) die unschöne Erfahrung machen, dass so ein Szenario durchaus vorkommen kann. Außerdem hat er keine Ahnung, wie er in diese Situation geraten ist. Sein Handy steckt fast unerreichbar im Klo fest, weshalb er auf den Anruf seiner Freundin Marie (Olga von Luckwald) nicht reagieren und sich auch bei sonst niemandem melden kann. Als er von draußen die Stimme seines Freundes Horst (Gedeon Burkhard), dem angehenden Bürgermeister, hört, wähnt er sich zunächst der Rettung nahe. Doch dann wird ihm klar, dass Horst ihn nicht wahrnimmt und nichts von seiner Lage weiß – schlimmer noch: Horst spricht gerade vor Publikum über eine demnächst stattfindende Sprengung, die auch Thomas samt seiner Zwangsbehausung ausradieren würde …

Hauptsache nackte Tatsachen

Die Einstiegsszene von Ach du Scheiße! wirft ebenso wie der Titel bereits einen unguten Schatten voraus. Aus irgendeinem Grund fühlt sich die deutsche Independenthorrorszene dazu genötigt, in jedem ihrer Filme barbusige Frauen zu präsentieren. Hier ist das im Gegensatz zu sonst allerdings erst einmal tatsächlich ästhetisch inszeniert, wenn eine als Bauarbeiterin verkleidete erotische Tänzerin den Reißverschluss ihres Overalls herunterzieht und nackte Tatsachen präsentiert. Auch wenn das auf den ersten Blick gut geschnitten erscheint, werfen die aneinander montierten Kameraeinstellungen die Frage auf, ob für die Schauspielerin ein Brustdouble eingesetzt wurde. Falls ja, ist wohl tatsächlich das beste daraus gemacht worden; wenn nein, ist das leider überhaupt nicht gelungen, eben weil dieser Eindruck entsteht.

Die ganze Sache ist sowieso belanglos, lediglich die Überleitung in den eigentlichen Film, wenn Frank aus diesem Traum von ihr aufwacht und nach oben blickt, wo ein Poster des Oberkörpers dieser Dame (Overall nur bis zur Hüfte, dafür immer noch mit Helm) klebt. Das ist dann entweder mit Photoshop erstellt oder es gab eben doch kein Double – auf der Metaebene können wir das Ganze für den unbedarften Zuschauer übrigens auflösen: Bei der Tänzerin handelt es sich um Micaela Schäfer (Tal der Skorpione), die wenn überhaupt eher selbst das Double wäre. So oder so ist das alles zwar technisch gut gemacht, aber leider ohne Verständnis für richtige Inszenierung. Kurz darauf wird Franks Hand in einem Closeup gezeigt, wodurch der Anschlussfehler mit der Einstellung davor noch deutlicher zu Tage tritt.

Verschenktes Potenzial

Ach du Scheiße! macht früh kenntlich, wer für Franks Situation verantwortlich ist, nimmt sich dann aber etwa in der Mitte des Films Zeit für eine Enthüllung, die genau das bestätigt, was sowieso die ganze Zeit klar war, wodurch wiederum unklar wird, ob das denn jetzt überhaupt eine Überraschung sein sollte und einfach nur schlecht vorbereitet wurde. Auch wenn der Film insgesamt die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit einer Laufzeit von 90 Minuten nicht über Gebühr strapaziert, hätte er noch ein wenig straffer erzählt werden können. Die überflüssige Eingangsszene wird um die Sechzig-Minuten-Marke herum gespiegelt, wenn Franks Freundin (vollständig bekleidet) für ihn im Traum tanzt. Das ist schon alles recht falsch verstandene Kunstbeflissenheit. Gegen Ende ist der Film dann zu sehr ins Trash-Genre abgedriftet, was zweifellos eine bewusste Entscheidung war, die auf ihre Weise auch Früchte trägt. Aber das Setup hätte doch eine ernstere Auflösung hergegeben, außerdem ist der Bruch zu abrupt. Generell bedürfte der ganze Plan des Drahtziehers aufgrund seiner Sinnlosigkeit eine eigene Analyse, die hier natürlich nicht geleistet werden kann. Der glücklicherweise nicht oft eingesetzte Humor in Ach du Scheiße! ist zwar nie geschmacklos, aber insgesamt doch eher störend und bemüht.

Wenn das alles nun harsch klingt, dann klingt es genau richtig. Das Ding ist nämlich, dass Ach du Scheiße! im Prinzip ziemlich gut ist. Wenn der Film per se schlecht wäre, könnten wir uns hier schön zusammensetzen und ihn von vorne bis hinten komplett verreißen und uns unseres Lebens freuen. So aber müssen wir uns über das verschenkte Potenzial ärgern, denn das hätte hier alles richtig gut sein können. Als „schwarzhumoriger Escape-Room Horror“ wird der Film beworben, aber eigentlich versteckt sich hier irgendwo ein vernünftiger Thriller.

Spaß für Splatter-Fans

Regisseur Lukas Rinker hat für sein Debüt zwei unterschätzte Schauspielschwergewichte gewinnen können. Gedeon Burkhard, der 1992 in Kleine Haie mit Abstand die beste Darbietung in einem sowieso schon stark gespielten Film ablieferte, hat sich mit der Interpretation seiner Rolle hier jedoch leider keinen Gefallen getan. Es hilft natürlich nicht, dass der Ton schlecht abgemischt ist, wenn er Offscreen rein akustisch agiert, aber auch wenn er direkt präsent ist, bleibt die Performance weit hinter seiner restlichen Filmographie zurück. Über die Schauspielerin Friederike Kempter (Sweet Disaster) kann nicht genug Positives geschrieben werden, obschon wir uns in diesem Rahmen damit begnügen müssen, festzuhalten, dass sie eine Art weibliches Pendant zu Christoph Waltz ist. Ein überragendes Talent, das in irgendwelchen deutschen Fernsehproduktionen versauert und von vorneherein nach Hollywood in die großen Filme gehört hätte. Hier liegt sie die meiste Zeit leider nur bewusstlos herum, aber jeder Film wird automatisch besser, wenn ihr Name auf der Besetzungsliste auftaucht. Der absolute Highlightmoment von Ach du Scheiße! geht erwartungsgemäß ebenfalls auf ihre Kappe (auch wenn er direkt im Anschluss leider wieder zerstört wird).

Star des Films ist natürlich Thomas Niehaus (Tagundnachtgleiche), der als Quasi-One-Man-Show die ganze Sache (er)tragen muss. Niehaus findet sich gut in der Enge zurecht und macht es dem Zuschauer leicht, das Gefühl der Ausweglosigkeit nachzuempfinden. Generell holt Ach du Scheiße! sehr viel aus dem begrenzten Setting heraus, auch wenn jeder gestandene Kinogänger im Schlaf herunterbeten kann, welche Vorbilder hier als Paten fungierten. Die überwiegend handgemachten Effekte werden Splatterfans freuen und obwohl der Titel anderes vermuten ließe, wird es hier nie eklig – was letztendlich jedoch eine Frage der eigenen Toleranz ist, da Frank durchaus das ein oder andere Mal wortwörtlich ins Klo greifen oder Schlimmeres tun muss.

Credits

OT: „Ach du Scheiße!“
IT: „Holy Shit!“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Lukas Rinker
Drehbuch: Lukas Rinker
Musik: Andreas Lucas
Kamera: Knut Adass
Besetzung: Gedeon Burkhard, Micaela Schäfer, Friederike Kempter, Uke Bosse, Olga von Luckwald, Rodney Charles, Thomas Niehaus, Björn Meyer, Yuki Iwamoto

Bilder

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Ach Du Scheiße!
fazit
„Ach du Scheiße!“ ist ein solides Regiedebüt aus deutscher Hand. Der Film macht das meiste aus seinem begrenzten Setting und überzeugt vor allem mit seinem Hauptdarsteller, was über einige Ungereimtheiten im Drehbuch und verschenktes Potenzial hinwegschauen lässt.
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