Balconies
© Anja Gurres

Balconies

Balconies
„Balconies“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Man hängt Wäsche auf, setzt sich in die Sonne oder erntet vielleicht Kräuter. Aber Balkone können auch noch viel mehr sein. Was sonst noch alles auf ihnen passieren kann, zeigt Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Anja Gurres in ihrem Episodenfilm Balconies. Jede Episode zeigt dabei das Geschehen auf einem anderen Hamburger Balkon: Dabei bieten die Geschichten von mit Blut getränkten Bettlaken über Playmobil-Figuren in der Lebenskrise bis zu Mordversuchen an Orangenbäumen ein buntes Potpourri an absurden Szenarien und Momente für Freund*innen der Situationskomik.

Auf den Balkonen Hamburgs

Bei Balconies wird schnell klar, dass das oberste Ziel des Films ist, seinem Publikum eine gute Zeit zu bescheren. Und das gelingt ihm. Wirklich charmant und nie zynisch glänzt Balconies mit einem Humor und Storytelling, das im besten Sinne an Serien wie Der Tatortreiniger erinnert. Bemerkenswert ist außerdem die entsprechend der Rahmenbedingungen wirklich innovative Inszenierung, die sogar vereinzelt den einen oder anderen visuellen Gag bietet. Auch das minimalistische Budget merkt man dem Film nicht wirklich an.

Das wahre Highlight ist aber das Drehbuch. Denn trotz der jeweils geringen Zeit, die die Episoden bekommen, arbeiten diese nicht nur auf eine finale Pointe hin. Sie behandeln durchaus relevante Themen des menschlichen Zusammenlebens. Denn neben all den anfangs genannten Aufgaben ist ein Balkon in erster Instanz ein Ort, an dem Menschen zueinander und zu sich selbst finden können. In gewisser Weise isoliert von der Außenwelt, ihr gleichermaßen aber auch exponiert bilden Balkone oftmals ihre ganz eigene Sozialsphäre mit entsprechend eigenen Dynamiken. Nach Zeiten des Lockdowns dürfte das vielen Menschen nur allzu vertraut vorkommen.

Balconies appelliert an genau dieses Gefühl, inszeniert Balkone als semantisch einzigartige Räume. Zumindest versucht er das. Denn wenn man dem Film konzeptuell eine Sache vorwerfen kann, dann dass die Wahl des Schauplatzes in einigen Episoden doch etwas beliebig wirkt. Es passieren dann nämlich eben doch Dinge, die auch an anderen Orten passieren könnten. Trotzdem tut das in der Konsequenz den Episoden und ihren eigenen Themen eigentlich keinen Abklang.

Fahrradfahren, Jubiläumsgeschenke und Blut

Denn auch wenn sich der Humor auf ähnliche Weise durch jede Episode zieht, behandelt jede Episode ein eigenes großes Thema und deutet noch vieles weiteres nebenbei an. Sie funktionieren dabei ebenso als eigene Kurzfilme, die jeweils ein paar Sätze verdient haben. Episode eins bietet einen gelungenen, wenn auch etwas oberflächlichen Diskurs über Eskapismus durch moderne Technik. Neben netten Spielereien bei der Inszenierung kommt es außerdem zu einem gelungenen Vergleich mit dem Buch und vielen spaßigen Wortgefechten.

In der zweiten Episode wird sich am Konflikt zwischen Spießigkeit und Waghalsigkeit abgearbeitet. Das beginnt recht clever, verliert sich später aber etwas zu sehr in seinem Twist. Durch ein konsequenteres Nutzen des vorher Aufgebauten könnte diese Episode thematisch wie unterhaltend profitieren.

Quasi das genaue Gegenteil passiert in Episode drei. Hier wird der große Aufhänger zu schnell abgearbeitet, wodurch die ganze Episode etwas seltsam im Pacing wirkt. Auch die Aussagen der Episode zu Feminismus und Sex-Positivity leiden darunter.

Auf Wohnungssuche, der Bademeister und der Orangenbaum

Ein großes Highlight ist Episode vier. Die einzige Episode, die Balkone und Wohnungen thematisiert, persifliert den Wohnungsmarkt und das Verhalten der Involvierten. Vor allem die Figuren, über die in der kurzen Zeit überraschend viel bekannt wird, tragen die Episode und das Thema. Sehr lustig, scharf beobachtet und angenehm rund.

Episode fünf ist vermutlich die eigenste Episode, indem hier ein tragikomischer Ansatz gewählt wird. Die einzige Episode, in der nur eine Figur zu sehen ist, behandelt den Umgang mit persönlichen Rückschlägen und lebt vor allem durch das tolle Schauspiel ihres Hauptdarstellers. Trotzdem schafft es die Episode auch in der kurzen Zeit, sich fast etwas zäh anzufühlen, weil das Szenario sehr schnell etabliert ist.

Final geht es dann um die Altlasten aus vorherigen Beziehungen. Mit einem noch trockeneren Humor als zuvor bildet Episode sechs einen gelungenen Abschluss des Films, der einige erinnerungswürdige Zeilen Dialog beinhaltet. Besonders toll ist hier aber die Inszenierung. Aufgrund der Größe des Balkons bietet Episode sechs spannende visuelle Ideen und kann daher sogar mit einigen visuellen Gags überzeugen.

Credits

OT: „Balconies“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie:  Anja Gurres
Drehbuch: Anja Gurres, Manuel Ostwind
 Max Clouth
Kamera: Maximilian Schlehuber, Christian Neuberger, Michael Thron, Jan Robin Weiland
Besetzung: Fabienne-Deniz Hammer, Shirin Lilly Eissa, Laura-Sophie Warachewicz, Dennis Svensson, Sofie Junker, Tom Keune

Trailer

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Balconies
fazit
„Balconies“ ist ein locker-leichter Episodenfilm, der vor allem durch seine trockene Situationskomik begeistert. Entsprechend seines Umfangs ist der Film kein alles in den Schatten stellendes Meisterwerk. Dennoch garantiert trotz qualitativ leicht variierender Episoden eine gute Zeit und befasst sich zudem noch mit einigen interessanten Themen.
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6.6
7
von 10