Drei Jahre lang lag Thomas (Txomin Vergez) im Koma. Jetzt, da der inzwischen 19-Jährige wieder bei Bewusstsein ist, fängt für ihn ein mühsamer Weg zurück in die Normalität an. Nicht nur dass seine Muskeln in der Zeit völlig verkümmert sind und wieder trainiert werden müssen. Er kann sich zudem an nichts erinnern, was vor seinem Koma geschehen ist. Das könnte auch an der Tragik der Ereignisse liegen: Seine Eltern sind seinerzeit bei einem Überfall getötet worden, ebenso sein Cousin, er selbst wurde schwer verletzt. Seine Schwester wiederum ist seither spurlos verschwunden. Doch was hatte es mit dem Überfall auf sich? Die Psychologin Anna (Clotilde Hesme) soll ihm dabei helfen, eben diese Frage zu beantworten und mit ihm rekonstruieren, was damals wirklich passiert ist …
Der tägliche Gedächtnisverlust
Und der nächste Fall akuter Amnesie. In den letzten Wochen und Monaten gab es eine regelrechte Flut an Filmen und Serien, in denen die Hauptfigur zu Beginn der Geschichte völlig ohne Gedächtnis dasteht und versuchen muss, die eigene Vergangenheit zu rekonstruieren. Wer bin ich? Was ist passiert? Wie bin ich hierher gekommen? Die Fragen sind dabei oft sehr ähnlich. Ollies Odyssee war das vermutlich schönste Beispiel, wenn ein vergessenes Spielzeug versucht, zu seinem ehemaligen Besitzer zurückzukommen. Die meisten Beispiele betreffen aber das Thrillergenre wie zuletzt etwa Blackout – Im Netz des Kartells. Wer noch nicht genug von diesem Szenario an, für den kommt jetzt empfehlenswerter Nachschub aus Frankreich, in Form des Films Der Patient, der auf arte ausgestrahlt wird.
Hier ist es wieder der Mystery-Part, der stärker betont wird. Anstatt den Protagonisten auf ein großes Abenteuer zu schicken oder ihm zahlreiche gefährliche Leute auf den Hals zu hetzen, hält sich der Actionteil in Grenzen. Aus naheliegenden Gründen: Ein junger Mann, der im Bett liegt und sich kaum bewegen kann, ist nicht unbedingt dazu prädestiniert, die Handlung entscheidend voranzutreiben. Vieles in Der Patient spielt sich dann auch im Kopf von Thomas ab, der nach und nach herausfindet, was damals geschehen ist, und diese einzelnen Bruchstücke zu einem Gesamtbild zusammensetzt. Das geschieht in Gesprächen und Erinnerungen. Es mischen sich aber auch aktuelle Visionen darunter, bei denen die Grenzen zwischen Realität und Vorstellung mitunter nicht ganz klar sind.
Spannung bis zum Schluss
An dieser Stelle kommt dann auch eine Bedrohung ins Spiel, welche die Gegenwart betrifft. So hat Thomas das Gefühl, dass er seit dem Erwachen von einem Unbekannten verfolgt wird. Das sorgt gut für Spannung, umso mehr, da er dieser Gefahr nichts entgegensetzen kann. An sein Bett gefesselt ist er dem Mann praktisch hilflos ausgeliefert. Gleichzeitig darf das Publikum aber auch Zweifel daran haben, ob es diesen Mann überhaupt gibt. Der Patient lässt das bis zum Schluss offen. Gut möglich, dass der Täter von damals zurück ist und verhindern will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Vielleicht spielt ihm sein Kopf aber auch einen Streich, die Nachwirkungen eines traumatischen Ereignisses, das sein Leben für immer verändert hat. Die Antwort auf diese Frage ist eng mit der verbunden, was in der Nacht denn nun vorgefallen ist.
Dass der Film da einem ganz klassischen Muster folgt, ist unstrittig. Aber es wurde doch gut umgesetzt. Regisseur und Co-Autor Christophe Charrier (Jonas – Vergiss mich nicht), der hier den Comic Le patient von Timothé Le Boucher adaptiert, spielt geschickt mit den Versatzstücken des Genres und hält das Publikum im Ungewissen. Dieses darf viel spekulieren und an der einen oder anderen Stelle mitzittern, ob es der Protagonist schaffen wird. Das mit der Glaubwürdigkeit ist wie so oft in diesem Bereich so eine Sache. Man sollte vielleicht nicht zu viel über alles nachdenken. Dafür ist der Mystery-Thriller atmosphärisch und gut gespielt, die Auflösung hat es zudem in sich. Sofern man noch in der Stimmung für diese Art Geschichte ist, lohnt sich hier also das Einschalten.
OT: „Le patient“
Land: Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Christophe Charrier
Drehbuch: Christophe Charrier, Elodie Namer
Vorlage: Timothé Le Boucher
Musik: Alex Beaupain
Kamera: Pierre Baboin
Besetzung: Txomin Vergez, Clotilde Hesme, Rebecca Williams, Audrey Dana, Stéphane Rideau, Matthieu Lucci, Alex Lawther
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