May (Brea Grant) ist eine erfolgreiche Schriftstellerin für Selbsthilfe-Bücher. Als sie von einem eher enttäuschenden Meeting mit ihrem Agenten zu ihrem Mann Ted (Dhruv Uday Singh) heimkommt, möchte sie am liebsten eine Auszeit von der Karriere nehmen, sich auf ihre Ehe konzentrieren. Nach einem entspannten Abend gemeinsam auf der Couch wird May von einem lauten Geräusch geweckt – jemand bricht ein! Ted und May können den Angreifer überwältigen und schlagen ihn nieder, er verschwindet jedoch plötzlich auf mysteriöse Weise, als die beiden die Polizei rufen. Ted und May geraten am nächsten Morgen in einen Streit als er behauptet, der Einbrecher sei „der Mann, der jede Nacht kommt und dich töten will“. May ist irritiert, sie will Antworten, doch Ted geht auf Abstand und verlässt das Haus. Als in den folgenden Nächten derselbe maskierte Mann wieder einbricht und ebenso mysteriös verschwindet, nachdem May ihn überwältigen konnte, verzweifelt sie immer mehr. Ihr Mann geht nicht ans Telefon, sie kann sich kaum mehr konzentrieren, die Polizei kann nicht helfen und sie weiß, dass sie jede Nacht um ihr Leben kämpfen muss…
Grenzenlose Frauenpower
Brea Grant zeichnet neben ihrem Auftritt als Hauptdarstellerin dieses Thrillers auch als alleinige Drehbuchautorin verantwortlich. Mit der Regisseurin Natasha Kermani (Stargirl) und Kamerafrau Julia Swain schart sie wahre Frauenpower in den wichtigsten Kreativpositionen um sich, eine sehr spannende Herangehensweise für den US-amerikanischen Film, der sich so sehr von der Masse an von Männern geschaffenen Thrillern und Horrorfilmen abhebt. Was lobend, feministisch und sozial „aware“ mit Cast & Crew beginnt, setzt sich auch im entstandenen Werk fort. Der Film möchte eine Botschaft senden, er ist ein Aufruf an eine männlich dominierte Gesellschaft, teils sogar ein Hilfeschrei. Durch die konstant im Film verankerte Angst, mit der die Protagonistin zu kämpfen hat, scheint man ein Stück weit aus dem Alltag vieler oder sogar aller Frauen zu schöpfen, auch wenn der Film es der Kunst wegen überzogen darstellt und ins Extreme gleiten lässt – für die „Big-Screen-Experience“.
Kommt da noch was?
Aber funktioniert das? Was im vorhergehenden Paragrafen beschrieben wird, ist leider eine Erklärung, die sich erst vermuten lässt, wenn die Credits den 83-minütigen Film beenden. Und selbst dann muss sich das Publikum aus einzelnen Metapherbröckchen eine Bedeutung oder auch eine Botschaft selbst erarbeiten. Was lobenswert und vielversprechend aussieht, fällt nämlich leider bereits in den ersten paar Minuten des Films auseinander – durch eine eher mittelmäßige bis schlechte Grundlage aus merkwürdigen Dialogen, einer im deutschen fragwürdigen und sehr distanziert wirkenden Synchronfassung und leicht fremdschämenden Schauspiel. Doch natürlich fragt man sich auch, was es mit diesem Einbruch auf sich hat und so bleibt man vor dem Bildschirm, mit der Hoffnung auf einen Twist, der das schlecht wirkende filmische Handwerk als Stilmittel eines größeren Ganzen entpuppen könnte.
„Ein Morgenstern ist besser“
Mays Ehemann Ted erwähnt zu Anfang des Films nach dem ersten Einbruch, dass es sich hier um eine wiederkehrende Tat handelt – und erklärt so nonchalant wie nebenbei, dass der Mann eben May töten will, also „komm mal runter, ist doch ganz normal“. Dass dieser Mann auch nach mehr oder minder tödlicher Gewalteinwirkung durch Ted und später May immer wieder verschwindet, ist höchst merkwürdig und auch beunruhigend, da derselbe Mörder jeden Tag wiederkehrt. Was ihn aber von Einbildung klar abgrenzt ist die Tatsache, dass er teils eine signifikante Menge Blut am Tatort zurücklässt. Die Polizei wird in den ersten Nächten noch jedes Mal informiert, sie finden aber auch mit dem Blut im Labor keine „eindeutige Übereinstimmung“. Aber immerhin erteilt der weise-weiße, alte Police Officer (Larry Cedar) den Rat, dass ein Morgenstern eine bessere Waffe zur Verteidigung sei als ein Golfschläger. Sie solle sich doch einen zulegen.
„Solche Täter sind schwer zu fassen, die hatten bestimmt ´ne schwere Kindheit“
Die mittelalterliche, unglaublich unpraktische Waffe als Empfehlung könnte oder soll vermutlich auf die Ignoranz von Männern bei echten Problemen hindeuten. So etwa „ach, das wird schon, haben Sie sich doch nicht so“. Was dieser Kommentar eher erntet, ist ein enttäuscht-schniefender Lacher, der Zuschauenden den Couch-Filmsnack unerwartet in die Nase befördert. Derart deplatzierte und plötzliche Ausreißer aus einer sonst eher tristen und langweiligen Stimmung unterstützen leider weiter den Eindruck, dass dieser Film sich während seines Drehs mehrfach um 180 Grad wendete und das Drehbuch irgendwann nur noch ein Schatten seiner selbst sein konnte – was zu einem finalen Werk führt, welches nicht über herzlos aneinandergereihte Szenen, in denen die Protagonistin zufällig denselben Namen trägt, hinauswachsen kann.
Wo ist denn Ted überhaupt?
Der Text hier klingt wirr, etwas unstrukturiert? Mehr gibt der nun auf DVD und Blu-ray erscheinende Streifen auch nicht her. Es gibt hunderte fragwürdiger Sequenzen und Konversationen, die nie wieder aufgegriffen, unzulänglich erklärt werden oder sich sogar selbst widersprechen. Ted, dieser sogenannte Ehemann, verschwindet zu Anfang und fährt mit seinem Auto weg, um Abstand nach dem fingiertesten Streit der Filmgeschichte zu suchen und kehrt nie wieder zurück. Eben dieser Mann, der drei Minuten vor seinem Aufbruch noch sagte, dass dieser Mörder JEDE Nacht kommt und May umbringen will. Er geht nicht ans Telefon, ist angeblich bei seinen Eltern, meldet sich nicht und scheint dem Einbrecher die Daumen zu drücken, seine Frau endlich dranzukriegen.
OT: „Lucky“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Natasha Kermani
Drehbuch: Brea Grant
Musik: Jeremy Zuckerman
Kamera: Julia Swain
Besetzung: Brea Grant, Leith M. Burke, Dhruv Uday Singh, Hunter C. Smith, Chivonne Michelle, Yasmine Al-Bustami, Kausar Mohammed, Larry Cedar
SXSW 2020
Fantasia Film Festival 2020
Sitges 2020
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