Max Hubacher in "Ramstein - Das durchstoßene Herz" (© SWR/FFP New Media/Marc Bossaert)

Max Hubacher [Interview]

Ramstein – Das durchstoßene Herz (26. Oktober 2022 um 20.15 Uhr im Ersten) erinnert an die verheerende Katastrophe während einer Flugshow am 28. August 1988. Damals kamen 70 Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt. Das Drama blickt aus verschiedenen Perspektiven auf den Vorfall, erzählt von Opfern, Ärzten und Verantwortlichen. Max Hubacher spielt darin einen jungen Vater, der schwer verbrannt überlebt, dabei jedoch seine Familie verliert. Wir haben uns während der Premiere auf dem Filmfest München 2022 mit dem Schauspieler über die Arbeit an dem Film unterhalten, prägende Erfahrungen und was von dem Unglück bleibt.

Was hat dich an Ramstein – Das durchstoßene Herz gereizt? Warum wolltest du den Film drehen?

Ich muss gestehen, dass ich die Geschichte um die Flugkatastrophe vorher nicht kannte. Aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe, umso mehr wollte ich ein Teil davon sein. Mich hat besonders gereizt, dass ich hier praktisch zwei verschiedene Figuren spiele. Da ist der Robert vor dem Unglück, der eine Familie hat und bei dem alles läuft, dem es gut geht und der unbescholten ist. Und dann kommt dieser Bruch, der sein Leben komplett auf den Kopf stellt und ihn zu einem ganz anderen Menschen macht. Meine Figur sagt im Film auch, dass es einen Robert vor der Katastrophe gibt und einen danach. Roland Fuchs, der die Inspiration für meine Figur gewesen ist, hat das so auch von seinem eigenen Leben berichtet. Das war für mich sehr spannend zu spielen. Als Schauspieler schaust du ja immer, wo du die größtmögliche Ambivalenz findest. Eine Rolle wie Robert ist da sehr dankbar.

Wenn du diese beiden Roberts miteinander vergleichst, was ist gleich geblieben, was ist unterschiedlich?

Der erste Robert hat noch eine große Leichtigkeit und Naivität. Er vertraut darauf, dass im Leben alles in Ordnung geht. Ein Laissez-faire-Mensch. Der spätere Robert ist sehr geprägt von dieser Erfahrung und dem großen Verlust. Er hat zwar schon noch kleine Momente des Glücks. Aber das Unglück lässt ihn nicht los, es dürfte kein Tag vergehen, an dem er nicht irgendwie daran denkt. Das ist immer präsent. Dieser Kampf dagegen und der Versuch, trotz allem irgendwie weiterzumachen, das ist ein völlig unterschiedlicher Robert.

Was treibt ihn denn an, dass er dennoch weitermacht?

Sein Überlebenswille würde ich sagen. Er will weitermachen. Er lernt dabei auch früh eine Krankenschwester kennen, was auch schon eine sehr lebensbejahende Sache ist. Während dieses Schmerzes, den er jeden Tag gespürt hat, auch den körperlichen beim täglichen Verbandswechsel, hat er etwas gesucht, das ihm Halt gibt. Deswegen kam auch sehr früh nach dem Unfall sein erstes Kind.

Du hast schon gemeint, dass du die Geschichte vorher nichts kanntest. Was macht sie für ein heutiges Publikum relevant?

Ich fand es spannend, dass der Film aus ganz vielen Perspektiven erzählt wird. Da gibt es neben Robert Müller noch verschiedene andere Opfer, aber auch die Ermittler, die untersuchen, was da eigentlich schief gelaufen ist. Vor Kurzem habe ich eine Dokumentation zur Love Parade gesehen. Es gibt also immer wieder Katastrophen, bei denen wahnsinnig viel schief läuft. Deswegen hoffe ich schon, dass man aus diesen Geschichten etwas lernen kann. Damit meine ich nicht die Schuldfrage, sondern wie wir verhindern können, dass etwas Vergleichbares in Zukunft passiert bei solchen Massenaufläufen. Bei der Love Parade war das wahnsinnig schlecht organisiert. Und auch bei Ramstein stimmte die Strategie einfach nicht. Anstatt die Leute vor Ort zu versorgen, hat man sie wie im Vietnam-Krieg erst einmal ins Krankenhaus gebracht, wodurch viel mehr gestorben ist, als es nötig gewesen wäre. Der Film spricht also durchaus Punkte an, die relevant sind. Das ist bestimmt nicht einfach, Ramstein ist mit Sicherheit eine Zumutung. Aber das braucht es manchmal eben, auch damit wir uns bewusst werden, dass vieles von dem, was wir für selbstverständlich nehmen wie Gesundheit oder Stabilität, nicht selbstverständlich ist. Wir haben genug Filme, die nur unterhalten wollen. Die haben ihre Berechtigung, keine Frage. Aber wir brauchen eben auch schwierige Filme, über die wir länger nachdenken und die richtig weh tun können.

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Szenenbild aus „Ramstein – Das durchstoßene Herz“: Noch ist die Welt heil und die Stimmung ausgelassen. Doch schon bald wird das Leben der jungen Filme für immer zerstört. (© SWR/FFP New Media/Marc Bossaert/Claudia Schlicht)

Die meisten von uns werden solche Extremerfahrungen, wie Robert sie macht, selbst nicht kennen. Wie schwierig war es für dich, dich da hineinzuversetzen?

Das war genau die erste Frage, die ich mir selbst gestellt habe. Du kannst als Schauspieler natürlich nie völlig nachempfinden, was den Leuten passiert ist. Du kannst nur versuchen, es so weit zu erahnen, damit du es glaubhaft darstellen kannst. Zumal ich selbst noch keine Familie habe, keine Kinder habe. Ich habe aber natürlich Leute, die mir sehr nahestehen. So überträgt man das ein bisschen und versucht sich vorzustellen, wie es wäre, wenn diese Leute wegfallen. Mir war auch wichtig, mit jemandem zu reden, der nicht in Ramstein gewesen ist. Über eine Kollegin bin ich an jemanden gekommen, der einen krassen Autounfall hatte und dabei fast komplett verbrannt ist. Mit ihm habe ich lange telefoniert, was sehr spannend war. Mich hatte interessiert, wie man in dem Moment noch weitermacht und woher man die Kraft bekommt, aus all dem wieder herauszukommen. Er hat gemeint, dass er in dem Moment Bärenkräfte entwickelt hat und sich so aus dem brennenden Auto retten konnte. Ich wollte auch wissen, wie es ist, eine solche Schwere körperlich zu haben und immer wieder an Schmerzen zu leiden, weil ich selbst körperlich ein sehr leichter Mensch bin. Ich neige zum Zappeln, weshalb es für mich eine sehr große Herausforderung war, immer so ruhig zu bleiben. Aber ich liebe natürlich Herausforderungen an. Das ist es, was mich bei dieser Arbeit interessiert.

Und wie war es für dich, als du dann wirklich reingekommen bist und eine solche krasse Rolle spielen musstest?

Es gab Tage, da ging es besser. Es gab aber auch Tage, an dem es mir sehr nahe gegangen ist und ich sehr viel geträumt habe. Ich war am Ende froh, dass ich die Rolle spielen durfte, auch weil es eine super Crew war und es einen tollen Zusammenhalt gab. Es war auch ein sehr berührender Dreh. Wir haben in Belgien gedreht, weshalb viele Komparsen kein Deutsch verstanden. Und als ich meinen Monolog gehalten habe, haben sie am Ende spontan geklatscht, obwohl sie nicht verstanden haben, was ich eigentlich gesagt habe. Sie meinten aber, dass man es auch so gespürt hätte, was für mich eines der schönsten Komplimente war, die ich in meiner Karriere bekommen habe. Die Stimmung war sehr gut. Ich war aber auch froh, dass es keine Serie war und ich Robert nicht ein halbes Jahr spielen musste. Das wäre schon sehr happig geworden.

Jetzt wo du den Film hinter dir hast: Was ist für dich geblieben?

Die Begegnung mit Roland Fuchs werde ich nicht vergessen. Er tritt auch kurz in dem Film auf und steht in der einen Szene am Memorial neben mir. So etwas hatte ich auch noch nicht. Ich habe zwar schon mehrfach Leute gespielt, die es tatsächlich gab. Aber die waren fast alle schon gestorben. Neben meiner Inspirationsquelle zu stehen, das war schon eine sehr besondere Erfahrung, die mich auch unter Druck gesetzt hat, weil ich wusste, dass ich nie er sein kann.

Die meisten Filme haben eindeutige Hauptfiguren, denen das Publikum vom Anfang bis zum Ende folgt. Bei Ramstein – Das durchstoßene Herz ist das anders, weil es dort wirklich sehr viele Figuren gibt, die zwar thematisch miteinander verbunden sind, aber keinen direkten Kontakt haben. Wie war das für dich, in einem solchen Ensemble-Film mitzuspielen?

Das war super! Du hast zwischendrin auch mal frei und stehst nicht die ganze Zeit unter Druck. Das ist schon sehr angenehm. Ich hatte Zeit, Belgien und speziell Brüssel kennenzulernen und habe die Stadt auch lieben gelernt. An manchen Tagen war ich eine Art Edelkomparse und habe sehr viel den anderen zugehört. Das ist für jedes Ego glaube ich nicht schlecht, zwischendurch mal nicht im Mittelpunkt zu stehen. Du fängst vielleicht manchmal auch später an. Okay, in meinem Fall jetzt nicht, weil die Arbeit an der Maske immer so lang gedauert hat. Und auch das Entfernen der Maske hat viel Zeit in Anspruch genommen.

Wir haben vorhin darüber gesprochen, wie deine Figur bzw. Roland Fuchs durch dieses Ereignis geprägt wurde und dadurch zu einem anderen Menschen wurde. Ganz allgemein: Wie sehr sind wir als Mensch das Ergebnis unserer Erfahrungen, wie viel in uns ist angeboren?

Das ist schwer zu sagen. Vielleicht halbe-halbe? Ich habe schon das Gefühl, dass uns gewisse Dinge mitgegeben werden und in uns schlummern. Aber ich denke, dass unser Umfeld einen großen Einfluss darauf hat, wie sich das entwickelt. Da wird ein Teil von dir stärker befeuert als ein anderer. Natürlich kommst du mit einer gewissen Grundausstattung auf die Welt. Aber am Ende ist es das Leben, das dich formt und zu deiner Ausbildungsstätte wird.

Gibt es denn in deinem Leben etwas, das dich zu dem gemacht hat, der du heute bist?

Ganz viel sogar! Ich finde es aber schwer, jetzt dieses eine Ereignis herauszupicken wir bei meiner Figur. Natürlich gab es auch in meinem Umfeld Tod, schon in jüngeren Jahren, was mich sehr beeinflusst hat. Es waren aber auch sehr viele kleine Momente dabei. Letzten Endes hat jeder sein Paket zu tragen und die Frage ist, wie man damit umgeht. Manchmal ist das Beste, was du machen kannst, die Dinge zu akzeptieren, die du nicht ändern kannst.

Und wie geht es als nächstes beruflich weiter? Was steht an?

Als nächstes kommt im November die Liebeskomödie Sachertorte auf Amazon Prime Video, bei der ich die Hauptrolle spiele. Also etwas komplett anderes. Aber auch das hat sehr viel Spaß gemacht. Es braucht einfach beides, Leichtigkeit und Schwere.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Max Hubacher wurde am 1. Oktober 1993 in Bern, Schweiz geboren. spielte schon als Kind Theater, sowohl im Kindertheater wie auch am Schauspielhaus Zürich. Von 2014 bis 2018 studierte er Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Sein Debüt als Filmschauspieler gab er 2010 in dem Film Stationspiraten, wo er einen krebskranken Jungen spielte. Einem größeren Publikum wurde er ein Jahr drauf durch seine Hauptrolle in dem Drama Der Verdingbub bekannt.



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