Nachtschicht: Die Ruhe vor dem Sturm

Nur noch wenige Stunden, dann wird ein Orkan mit Windstärke 12 über Hamburg hinwegfegen. Während die ganze Stadt fieberhaft Vorbereitungen trifft, kümmert sich der Kriminaldauerdienst unter der Leitung von Ömer Kaplan (Özgür Karadeniz) und seinem besten Mann Erich Bo Erichsen (Armin Rohde) um die Menschen vor Ort. Dabei haben sie eigentlich genug anderes zu tun. So kollidierten ein Gefangenen- und ein Tiertransporter. Bei dem Unfall entkamen nicht nur zwei Schimpansen, sondern auch der Schwerverbrecher Axel Krakoff (Shenja Lacher). Zeitgleich wird der Ex-Boxer Micky Mommsen (Roland Koch) entführt und in den Kofferraum gesteckt. Und dann wäre da noch die Trickbetrügerin Bonnie Berger (Sina Martens), welche die Gunst der Stunde nutzt, um noch einmal richtig abzuräumen …

Ein seltener Höhepunkt

So richtig produktiv ist Nachtschicht ja nicht gerade. Wo andere Krimireihen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens meist mehrere Teile jedes Jahr herausbringen, damit es auch ja zu keinen längeren Pausen kommt, da muss man sich bei der seit 2003 ausgestrahlten ZDF-Produktion mit einem Film pro Jahr begnügen. Dafür sind diese denen der Konkurrenz meist deutlich überlegen. So war Blut und Eisen, bei dem es unter anderem um eine rechtsextreme Partei ging, 2021 ein echtes Highlight. Das anderthalb Jahre später folgende Die Ruhe vor dem Sturm, der mittlerweile 18. Film der Reihe, steht dem nicht wirklich nach und sorgt für jede Menge frischen Wind in einem oft etwas miefenden und ohne große Ambitionen abgearbeiteten Segment.

Dabei hält sich der Krimi eigentlich nur an das Konzept, das die Reihe seit vielen Jahren schon verwendet. Eines davon ist, dass die Geschichte dem Titel entsprechend während einer einzigen Nachtschicht spielt. Das sorgt oft für eine gewisse Rastlosigkeit. Bei Die Ruhe vor dem Sturm ist das noch einmal deutlich ausgeprägter, da hier ein verheerender Orkan auf die Stadt zurast. Das bedeutet nicht nur, dass ganz Hamburg im Ausnahmezustand ist und die Ausgangssperre einige bemerkenswerte Figurenkonstellationen erzwingt. Es bedeutet auch, dass sich alle sputen müssen, wollen sie die Probleme lösen, bevor die große Katastrophe beginnt. Wobei Problem hier sehr subjektiv sind. Vielmehr geht es darum, dass die verschiedensten, oft konträren Interessen aufeinanderstoßen, was die Spannung noch weiter erhöht.

Spannend und humorvoll

Rätsel lösen ist hingegen nicht angesagt. Zumindest das Publikum ist praktisch von Anfang an im Bilde. So sehen wir beispielsweise, dass die beiden Rapper Luka (Slavko Popadic) und Moses (Ben Andrews Rumler) hinter der Entführung stecken. Dass Krakoff ebenso kriminell ist wie die vermeintliche Versicherungsverkäuferin Berger ist auch nicht gerade ein Geheimnis. Die Spannung bei Nachtschicht: Die Ruhe vor dem Sturm besteht also nicht darin, wie es bei den meisten Krimis der Fall ist, dass ein Verbrechen aufgeklärt wird. Vielmehr will man als Zuschauer bzw. Zuschauerin wissen, was geschieht, wenn diese ganzen Figuren aufeinandertreffen. Während die Situation da draußen immer bedrohlicher wird, steigt auch die Nervosität. Es ist nahezu unmöglich hier vorherzusagen, wie das Ganze ausgehen wird.

Das hätte auch in einem „normalen“ Thriller gut funktionieren können. Stattdessen setzt der genreerfahrene Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker (Alles auf Rot), der auch für alle vorangegangenen Filme verantwortlich war, wieder auf jede Menge Humor. Ein Running Gag ist beispielsweise, dass die beiden Schimpansen, die bei dem anfänglichen Unfall freigekommen sind, immer wieder ihr Unwesen treiben. Vor allem aber das zwischenmenschliche Miteinander ist immer wieder für Lacher gut, wenn fast alle Figuren bewusst überzeichnet sind. Zusammen mit den Dialogen, die witziger sind als die der meisten deutschen Komödien, sorgt das für einen hohen Unterhaltungsfaktor, wie man ihn sich häufiger bei deutschen TV-Filmen wünschen würde.